Scena XI

[43] Lepsch und Fleck in schöner Kleidung.


FLECK zu Schlampampen. Sie verzeihe uns, meine Frau, daß wir als ein paar Unbekannte das Quartier bei Sie nehmen.[43]

SCHLAMPAMPE. Sie haben es gute Macht, die Herren brauchen Ihre Gelegenheit, beliebet Sie mit zu speisen, setzen Sie sich her, wiewohl zwar wenig wird zum Besten noch da sein.

LEPSCH. Es ist nicht lange, daß wir gespeiset.

SCHLAMPAMPE. Sie belieben sich doch immer zu uns herzusetzen.

LEPSCH. Wir wollen uns wohl zu Sie setzen, aber den Essen werden wir nicht viel tun.

SCHLAMPAMPE. Kommen Sie denn gleich itzo von der Reise?

LEPSCH. Ja, wir sind vor den nächsten Tore abgestiegen, es werden unsere Kutschen und Pferde gleich nachkommen.

SCHLAMPAMPE. Sie verzeihen mir, die Herren, daß ich frage, wo sein Sie her?

LEPSCH. Ich bin der Baron von Hüpelshausen.

FLECK. Und ich der Junker auf Schreib an und Lösch aus.

CHARLOTTE. Der Herr Baron beliebe sich doch an meine Seite zu setzen.

LEPSCH. Woferne meine Person derselben nicht wird zuwider sein, will ich Dero Befehl gehorsamen. Setzet sich zu Charlottchen.

CLARILLE. Monsieur setze sich doch auch nieder. Ich wollte wohl sagen, Er sollte den Platz an meiner Seite nehmen. So zweifle ich, ob ich das Glück würde haben können.

FLECK. Das wird vor Sie ein schlecht Glücke sein.

CLARILLE. Sie setzen sich doch immer zu mir?

FLECK. Nach Dero Belieben. Setzet sich zu Clarillen.

LEPSCH. Nun, wie lebet denn das plißinische Frauenzimmer?

CHARLOTTE. Wie einfältige Mädchen pflegen. Wir kommen nicht groß aus, und was Rechtes kommt nicht zu uns, und mit gemeinen Kerln zu konversieren stehet uns auch nicht an.

SCHLAMPAMPE. Lege doch den Herrn Baron was vor, vielleicht ist er hungrig.[44]

LEPSCH. Ich sage Dank, nicht ein Bissen.

CLARILLE zu Flecken. Beliebet Monsieur, so will ich Sie was vorlegen.

FLECK. Ich könnte nicht einen Bissen mehr essen, so satt bin ich.

SCHLAMPAMPE. Was bringen Sie uns denn Neues mit?

FLECK. Wir wissen von nichts.

SCHELMUFFSKY. In Engelland und Holland hat man, der Tebel hol mer, alle Tage was Neues.

LEPSCH. Ist der Herr ein Engelländer?

SCHELMUFFSKY. Nein, ich bin nur da gewesen.

FLECK. Sie werden der Herr Sohn sein.

SCHELMUFFSKY. Ich weiß nicht anders, in Holland, in Schweden bin ich auch gewesen.

LEPSCH. Ich hätte nicht vermeint, daß ich solch artig Frauenzimmer in Plißine antreffen sollte.

CHARLOTTE. Monsieur, Sie schrauben doch Ihre Dienerin nicht so.

SCHELMUFFSKY. In Engelland, da gibt's, der Tebel hol mer, schöne und galante Mädchens.

FLECK. Wer tadelt aber die plißinischen?

SCHELMUFFSKY. Ich tadele sie nicht, allein sie sind, der Tebel hol mer, weit schöner in Engelland.

SCHLAMPAMPE. So belieben Sie gar nicht zu essen?

LEPSCH. Nicht einen Bissen, und wenn Sie nicht mehr belieben, können Sie nur den Tisch lassen wieder abräumen.

SCHLAMPAMPE. Weil Sie uns gar verachten, so will ich's lassen wieder aufheben.

FLECK. Das können Sie tun.

SCHLAMPAMPE. Köchin.

URSILLE. Frau Schlampampe?

SCHLAMPAMPE. Räume wieder ab. Die Köchin räumt den Tisch ab.

FLECK. Womit vertreibt denn das Frauenzimmer nach Tische die Zeit?

CLARILLE. Mit allerhand Ergötzlichkeiten. Bisweilen gehen[45] wir spazieren, bisweilen singen wir eins, bisweilen lesen wir ein lustig Roman, bisweilen tanzen wir auch eins.

LEPSCH. Sein Sie Liebhaber von Tanzen?

CHARLOTTE. Ich tanze überaus gerne, und wenn itzund Musikanten da wären, ich erkühnete mich gleich, mit den Herrn Baron eins zu tanzen.

FLECK. Kann man keine nicht bekommen?

CLARILLE. Ach ja, es wohnen allernächst hier welche in der Gasse.

FLECK. Könnte man einen Boten haben?

CLARILLE. Ach ja, Frau Mutter, Sie lasse doch die Köchin hingehen.

SCHLAMPAMPE. Köchin!

URSILLE. Frau Schlampampe?

SCHLAMPAMPE. Geschwinde, hole die Musikanten her.

URSILLE. Ach ihr Leute! Sie wollen gewiß tanzen.

CLARILLE. Köchin, gehet fein geschwinde.

SCHELMUFFSKY. In Engelland tanzen sie galant. Der Tebel hol mer, die Mädchen setzen die Füße so artig, daß es ein Geschicke hat.

FLECK. Ich halte dafür, das plißinische Frauenzimmer wird es auch wohl gelernet haben.

CHARLOTTE. Das plißinische Frauenzimmer ist ganz ungeschickt darzu.

LEPSCH. Das beliebet Sie nur so zu reden.

CHARLOTTE. Sie werden es nicht anders befinden.

CLARILLE. Dort kommen die Musikanten.

FLECK. Immer herein, Ihr Herren.


Quelle:
Christian Reuter: Werke in einem Band. Weimar 1962, S. 43-46.
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