Kapittel 47

[701] Sluß.


Vör'n Johr, ihre ick von Meckelnborg nah Thüringen treckte, besöchte ick de ollen Füerstädten noch eins wedder, wo ick mal in jüngern Johren gaude Dag' hatt hadd, un so kamm ick nah Rahnstädt un gung von dor, ahn mi uptauhollen, an einen Sünndag-Nahmiddag in den Juni-Mand den Weg nah Gürlitz tau. – Ick wull Hawermannen un Bräsigen un Fru Pastern besäuken; de kennt' ick von de Tid her, as ick noch Strom was, un hadd sei ok öftermals in Rahnstädt besöcht; ok Gottlieben hadd ick kennt, un tworsten in sine framste Tid, un – markwürdig! – wi wiren gaude Frün'n worden, trotzdem dat ick en ganz annern Globen hadd as hei, wohrschinlich, wil ick so recht wat Gesetztes in min Wesen heww, wat Gottlieben mäglicher Wis' sihr gefallen kunn.

As ick in Gürlitz ankamen was, gung ick up dat Witwenhus tau; ick fot den Drücker von de Husdör, de Dör was tau:[701] »Hm«, säd ick tau mi, »'t is Sünndag-Nahmiddag, 't is heit, sei slapen woll en beten.« – Ick gung an't Finster un böhrte mi up de Tehnen in de Höcht, dat ick rinner kiken wull, dunn säd 'ne Stimm achter mi: »Je, Herr, dat helpt Sei woll nich, dor is keiner mihr in.« – »Wahnt denn de Fru Pastern nich mihr hir?« – »De is dod.« – »Un Hawermann?« frog ick. – »De 's tau de gnedige Fru nah Pümpelhagen treckt.« – »Is de Herr Paster denn tau Hus?« – »Ja, de's tau Hus«, säd de oll Paster-Jürn, denn de was't, »ja, de is tau Hus, un de Fru Pasturin ok, sei drinken jüst Koffee.«

Ick gung in't Hus un kloppte an de Dör. – »Herein!« rep 'ne fette Stimm. – Ick tred herin, äwer – na, mi is in minen Lewen all veles passiert, worup ick mi keinen Vers maken kunn, un oftmals heww ick mi verstutzen müßt – äwer dit was jo kein Verstutzen, dit was jo en reines Verfiren! – Dor satt Gottlieb – de Hor wiren ganz vernünftig kort sneden, wo vördem de Binnensid von Fru Nüßlern ehre Backmoll satt, satt nu en rechten anständigen Buk, de ogenschinlich in den taunemenden Mand stunn; ut de bleiken, infollnen Bakken wiren blanke, rosenrode worden, un von de roden, vullen Lippen kunn einer lesen: »Dat hett uns äwer Middag mal smeckt! Äwer wi un de dägten Tähnen achter uns hewwen ok uns' Schülligkeit dahn.« Un so sach eigentlich de ganze Kirl ut, as wenn hei't sick woll gaud smecken let, äwer ok sine Schülligkeit ded. Dor was nicks Fules an em, allens was prall un drall, allens sach ut as heite Arbeit un käuhle Rauh un gesegnete Mahltid. – Na, un nu! – Von Fru Pasturin Lining ehren körperlichen Taustand was irst recht nicks tau seggen, sei hadd sick ok in desen Dingen de lütte runne Fru Pasturin Behrendsen taum Vörbild namen. »Hm!« säd ick tau mi, »'t liggt woll hir in de Luft.«

As dat irste Begrüßen tau En'n was, set'ten wi uns dal, un nu gung dat los mit Fragen, vör allen von mine Sid. – De Geschicht, de ick vertellt heww, wüßt ick meistens von Bräsigen, un ok Hawermann had männigmal en Wurd fallen laten, denn de oll Mann müggt mi würklich liden, un weck[702] Saken befragt ick mi annerswo, so'n beten achter rüm, un set'te mi dal un schrew dat nedder, un wil dat de Hauptsak tau de Tid passiert was, as ick Strom was, heww ick 't nennt: »Ut mine Stromtid.«

Gottlieb vertellte mi nu allerlei, un Fru Pasturin Lining hülp em tru dorbi, indem dat sei em ümmer unnerbrok; un as ick upstunn, üm wider nah Pümpelhagen tau gahn – denn Franzen kennte ick noch von mine Stromtid her –, säd Gottlieb: »Ja, geh nur! Du wirst heute alle dort versammelt finden; wir kommen auch bald nach, und dann bring ich auch meine drei Gören mit, der Älteste fehlt, der ist schon auf dem Gymnasium.«

Ick gung den Gürlitzer Kirchstig entlang un let mi dat dörch den Kopp gahn, wat ick hürt hadd; un dat was all so, as't ümmer up dese Ird begäng is: Freud un Leid, Geburt un Dod.

De irste, de von unsere Frün'n storben was, was Bauschan; hei was keines natürlichen Dods storben – nich dat hei en Sülwstmürder worden was – ne! – Eins Dags was Wewer Rührdanz mit 'ne verrusterte Flint up den Rexowschen Hoff kamen, hadd Bauschanen an den Strick namen, hadd em in den Goren leddt; de nige Thronfolger was taum Taukiken mitgahn un hadd sick – as dat nahsten taum Vörschin kamm – bi de Sak sihr slicht benamen, indem dat hei dor rümmer jachert hadd. En Schuß föll, un nah en beten kamm Rührdanz un vertellte, Bauschan hadd en sihr christlich En'n namen, hei hadd em äwer ok up't Bladd schaten, nich vör den Kopp, wil em dat süs woll 'ne Drähnung makt hadd. – As em Fru Nüßlern nu en Snaps inschenkt hadd, hadd hei'n sihr trurig utdrunken un hadd seggt, hei un all de annern Gürlitzer Lüd' wiren vermorrntau all vör't Gericht west; sei müßten all en Johr sitten, un em hadden sei vör den Häupter oder, as sei seggt hadden, för den Rätselführer anseihn, un dorför müßte hei noch en halw Johr länger sitten. Hei was ut de Dör gahn, was äwer wedder taurügg kamen und hadd seggt: »Madamming, vergeten S' min oll Fru nich![703] Äwer wovon kümmt dat? Wi hadden jo gor kein Poppieren.«

De tweite, de storben was, was Jochen sülwst west. Sörre de Tid, dat hei kein Wirtschaft hadd, hadd hei't mit Wirtschaften kregen; hei lep den ganzen Dag up den Felln rüm, meistens nah Fläg', wo nicks tau dauhn was, un stunn denn dor un schüddelte mit den Kopp; seggen ded hei äwer nicks. Un eins Sünndags, tüschen Wihnachten un Nijohr, as de Snei fauthoch äwer't Feld lagg, hadd hei ok wirtschaft't un was dorbi in en Graben follen. Hei was tau Hus kamen, ganz verklamt; Fru Nüßlern hadd em Kamellentee gewen, ganze Bütten vull; hei hadd't ok ihrlich utdrunken, äwer den annern Morgen hadd hei seggt: »Mutting, wat nich is, is nich. Wat möt, dat möt. 't is all so, as dat Ledder is, hir kann keiner wat tau dauhn«, un dormit was hei sachten inslapen. – Hei hadd sick paddendod wirtschaft't, un Fru Nüßlern dachte all doran, em as Grawwschrift setten tau laten: »Er starb in seinem Beruf.«

Nah em sturw Moses; de oll Mann was recht un gerecht dörch't Lewen gahn, un recht un gerecht gung hei ut dat Lewen. Hei sturw fast in sinen Globen, un as hei storben was, gewen sei em de Bred', de den Stamm Juda taukamen, denn hei was ut den Stamm Juda, un as hei begrawen würd, satt David in de Asch mit en terretenen Rock, un vele Christenminschen folgten em nah den Kirchhoff, üm den hei de eikene Bewehrung stift't hadd, un ick glöw, hei is in Abrahams Schot kamen, wenn ok Christen folgt sünd. – Un den Dag nah sinen Gräfnis stunnen an sinen Graww drei Lud', dat was Hawermann un de beiden jungen Frugens von Rambow – Frida was taum Besäuk kamen –, un Hawermann drögte sick de ollen Ogen, un de beiden jungen Frugens läden en por frische Kräns' up dat Graww von den ollen Juden, un as sei in ehre Gedanken still äwer de Rahnstädter Wischen hengungen, säd Hawermann: »Er war ein Jude dem Glauben und ein Christ den Taten nach.«

Un nu kamm Häuhning an de Reih – uns' oll brav Häuhning![704] – Pomuchel was mit Rock un Kamsol, mit Hütt un Mütt, mit Hühn un Pardühn in de blage Glaskutsch mit dat Wapen un mit so un so vel Möbelwagens as Fetthamel in Rostock rinner treckt. Hei hadd sick, as de Tiden för den Kredit beter worden wiren, en Spitznamen verdeint, sei nennten em allentwegen: »Vel tau wollfeil!«, denn hei hadd jeden Minschen, de't hüren wull, sin Schicksal un sinen Verkop von Gürlitz vertellt un slot sin Red' ümmer mit en deipes Upstöten ut den Magen: »vel tau wollfeil! gor tau vel tau wollfeil!« – Sin brav Häuhning wirtschaft'te förfötsch wider un höll dat Regiment uprecht; äwer, 't weit der Deuwel, wat in de Rostocker Deinstmätens för 'ne Nück fohrt was! Sei wullen sick dat gor nich gefallen laten, wat sick de Gürlitzer doch gefallen laten müßten. Alle acht Dag' hadd sei en anner Mäten; ein hadd sei äwer mal, de let sick wonah an, dat was so'n ollen Käken-Päsel, äwer as sei de en Virteljohr hatt hadd, set't sick dese nichtswürdige Perßohn ok up de Achterbein. Häuhning was kort resolwiert, sei namm de Füertang' un slog ehr dägt eins äwer den Kopp. De Diern hadd nu kein Wedderwürd' wider, denn sei föll – baff! – bi den Füerhird dal. En Dokter kamm, un de red'te vel von Suggillationen un Fissuren; äwer't En'n von den Lied' was, de arm Dirn würd in dat Krankenhus bröcht. – De Dokter was en ihrlich Mann, hei bröchte de Sak an richtige Städ' vör de Klapp, un Häuhning müßt vor Gericht stahn. – Wenn sei nu so'n Ruhrstock namen hadd von de un de Längde un de un de Dickde, denn hadd ehr dat nicks dahn; äwer in ehre Tapferkeit langt sei nah de Füertang'! Füertangen stahn nu noch nich in dat meckelnbörgsche Gesetz, un so würd Häuhning verurtelt, sei süll uter de Kosten, un wat sei süs noch an de Dirn gewen müßt, söß Wochen sitten. – Pomuchel protestierte, hei appellierte, hei supplizierte; 't hülp em nicks: Häuhning süll sitten wegen ehre grote Tapferkeit. Hei vertellte jeden, de't hüren wull, sine Geschicht; hei schimpte de ganze Blaudstrat entlang up dat Gericht; taufällig müßt dat nu einer von de Gerichtsperßohnen hüren,[705] un Pomuchel kreg von de Justiz-Kanzellei vir Wochen Sitten taum Present. Hei wull de Sak mit Geld afmaken; äwer't gung nich; sülwst de Herr Senator Bank säd: ne! ditmal wulln sei doch mal seihn, wo de Has' lep. Un nu seten de beiden ollen braven Minschen Stuw' an Stuw' Wihnachten 1852 un Nijohr 1853; un as sei 14 Dag' seten hadden, kamm de Slüter runner tau sine Fru un säd: »Fiken, dat's mal en Unnerscheid mang de beiden: Hei löppt in de Stupw' rümmer as verrückt un schimpt up Gott un alle Welt, un sei sitt noch stiw un stramm up dat sülwige Flag, wo'ck sei den irsten Abend henset't heww.« – Malchen un Salchen gewen wildeß tau Ihren von ehre Öllern ehr Unglück en groten gemischten Herrn- un Damen-Tee, wo ok Herr Süßmann was, de wedder ut Barmhartigkeit 'ne Konditschon irgendwo in de Mählenstrat annamen hadd.

As uns' beiden ollen Frün'n fri laten wiren, gung Pomuchel in de Wahnstuw' un weinte sine leiwen Döchter wat vör; Häuhning gung stracks in de Käk un drop dor 'ne Daglöhnerfru; denn wildeß, dat sei ruhig seten hadd, was en groten Upruhr gescheihn, un in Slepegrellen sin Danzlokal was unner de Rostocker Deinstmätens 'ne Verswörung utbraken: kein ihrlich Deinstmäten süll seindag' nich bi de Pomuchelsköpp deinen. Dorüm was't nu hüt 'ne Daglöhnerfru. – »Wat kriggt Sei up den Dag?« frog Häuhning. – »Sößteihn Gröschen«, was de Antwurd. – Häuhning grep nah de Füertang', äwer sei besunn sick. Äwer bi dat Besinnen tred ehr de Gall in't Blaud, un drei Dag' dorup was sei dod, un drei Dag' dorup würd sei grawen. – Pomuchelskopp un sine beiden Döchter weiten nich, wo sei liggt, un wenn sei dornah fragt warden, denn seggen sei: »Dor hinnenwarts liggt sei – dor hinnen.« – Gustäwing, de as Entspekter männigmal tau Stadt kümmt, weit't allein. De nimmt denn einen von de Lütten an de Hand un wis't ehr dat Flag: »Süh, Krischäning, dor liggt Mutting.«

Ick heww von Leid verteilt un bün lang' noch nich dormit dörch; worum äwer ok nich von de Freud'? Un Freud' was[706] in dat Preister-Witwenhus johrelang. Fru Pastern satt in'n Schummerabend oft un kek up dat Graww von ehren Paster: ach! sei müggt so girn starwen; un sei dreihte sick üm, wenn Dürten dat Licht bröchte, un sei sach all ehr oll Husgerät un de Billergallerie un den Wischdauk up dat olle Flag, un unner de Billergallerie sach sei twei olle fründliche Gesichter, de bi ehren Paster sine Tid all oftmals dor seten hadden, un sei müggt so girn noch lewen! – Hawermann wirkte un schaffte, nich mihr för frömde Lüd', ne! för sin Kinner un för sin Kindskinner, denn Lowise hadd all twei allerleiwste lütte Dirns; äwer einmal hadd hei doch mal 'ne besondere Freud'. – Fritz Triddelfitz kamm mit den lütten Akzesser in de Dör – natürlich in en blagen Liwrock – un stellte sick as Gaudsbesitter in Hinnerpommern vör un den lütten Akzesser as sine Brud, un as hei den Abend hen un her redt hadd un gahn was, säd Bräsig: »Korl, diesmal hast mal wieder recht gehabt – wer hätt das aber denken können? – Dein Windhund ist ja ein ganz vernünftiger Mensch geworden; aber tu dir man jo nich dick darauf; du hast's nich gemacht, der kleine Akzesser hat's gemacht.« – Un hei sülwst, Bräsig, hei klapperte de ganze Gegend nah Niglichkeiten af; denn was hei in Rexow, denn in Pümpelhagen, denn in Rahnstädt; äwer sine Haupt- un Staats-Akschonen hadd hei doch nah Hogen-Selchow hen. Dor reis'te hei so tämlich alle Virteljohr hen, un wenn hei taurügg kamm, denn säd hei: »Korl, es geht gut, er hat sich die Wirtschaft ganz begeben und sitzt ins Hauschauer und erfinnt was. Lauter dumm Zeug natürlich; aber Bremer sagt: en bessern Herrn will er sich gar nich wünschen, und die gnedige Frau sieht aus so glücklich und so selig as en Engel aus dem Paris. Aber, Korl, so dumm ist er gor nicht. Eine Erfindung hat er gemacht, die will ich bei mir selbst einführen. Siehst du, da nimmst du en alten Hut, sneidst vorn en förmliches Loch hinein und setzt 'ne Laterne darin, und wenn du's Abends bei Winterszeiten ausreitst und hast die Laterne angestochen, denn reitst du wie bei helligen Tage.« Bräsig hadd würklich Axeln sine Erfinnung in[707] Anwennung bröcht un makte alle Lüd' up de Landstraten in de Ümgegend grugen; äwer einmal was hei wedder nah Hogen-Selchow west un hadd all en lütten Anfall von sinen ollen Fründ Podagra, un de oll Fründ tred em mit beide Beinen in den Magen, as hei taurügg kamen was un sick unnerwegs noch dägt verküllt hadd. Un mit em gung't taum Starwen.

Un an sin Bedd satt de Fru Pastern un de Fru Nüßlern un sin oll Korl Hawermann, un de Fru Pastern frog: »Lieber Bräsig, soll ich nicht den jungen Herrn Pastor rüber rufen?« – »Lassen Sie das, Frau Pastorin, Sie haben mich mein Lewen lang ümmer for einen ollen Heiden taxiert; 's mag nicht recht gewesen sein, daß ich solchen Lebenslauf geführt habe; aber die Pastergeschichten! ... Ne! es is mich so bequemer. – Und, Korl, 2000 Taler soll meine Swesterdochter Lotting haben, und das andere soll die Schule in Rahnstädt haben; denn, Korl, die Frau Pastern hat zu leben, und du hast auch zu leben, aber mit die kleinen Schulkinder ist es ein Jammer! Und die Madame Nüßlern hat zu leben, und mein Pät Mining hat zu leben, un Korl, du hast zu leben, und ihr alle habt zu leben, und ich hab' zu sterben.« – Un dormit fung hei an tau phantasieren, un nu gung't los mit sine irste Jugendtid, as hei bi sinen Vader hadd Schap häuden müßt, un de ein oll Hamel makte em vel Beswerlichkeiten, un hei rep Fru Nüßlern, de süll em helpen, un Fru Nüßlern set'te sick up sin Bedd un fot em rundting üm, un nu gung't los mit de drei Bruten un Fru Nüßlern, un ümmer ludhals' rep hei: sei allein hadd hei würklich leiw hatt, un Fru Nüßlern küßte em de Würd' von den Mund weg: »Dat weit ick, Bräsig, min leiw oll Zacharies, dat weit ick.« – Un ümmer düller würden de Phantasien, un dat hei Akzesser west wir bi de Sak – un de Indiziums – un de junge Herr von Rambow un de Laubansee, un wo hei dat Pistol in den See smeten un vir Gröschen in de Wedd verluren hadd. Un denn gung wedder mal en wunderbores Licht in em up, un hei vertellte sine olle leiwe Fru Nüßlern wunderbore Geschichten von de beiden Druwäppeling, von sin Pät Mining, un Korl Hawermann[708] von Lowise; äwer allens dörchenanner, un dorbi höll hei Fru Nüßlern ehre Hand wiß, un mit einem Mal richt't hei sick tau Höcht un säd: »Frau Nüßlern, legen Sie mich die Hand auf dem Kopf; ich habe Ihnen ümmer geliebt. – Korl Hawermann, reib mir die Beine, sie sünd mir kalt.« – Hawermann ded't, dunn flog so'n lustig Lachen äwer Bräsigen sin Gesicht, un langsam kamm't herut: »In dem Stil war ich dich doch über.« – Dunn was't all.

Un uns' lütte Fru Pasturin folgte em bald. – 't giwwt wenig Minschen, de sick in'n ganzen noch freuen up de Ird un doch girn starwen. Tau de wenigen hürte de lütte runne Fru, ehr geföll't all woll noch hir unnen, äwer wenn sei an baben dachte, denn steg en olles schönes Bild in ehr up, un olle Kläng' klungen in ehre Uhren, denn sei dacht sick den Himmel as 'ne lütte nüdliche, rendliche Dörpkirch, wo de Engel in sungen un ehr Paster in predigte. Nu is sei baben bi em un steckt em wedder dat Mäntelken hinnen in den Rockskragen un binnt em de Böffken vör un singt mit in de lütte Kirch, kein »Sterbelieder« mihr, ne! »Auferstehungslieder«.

Un as ick mi des' Gedanken dörch den Kopp hadd scheiten laten un nu üm de Eck von de Lauw bögte, wo so vele Lüd' all in Sorgen un Nöten seten hadden, sach ick up den gräunen Plan drei lütte Mätens von vir bet tau elben Johr spelen, un as ick noch bet herümme kamm, dunn sach ick 'ne Fru mit en fründlichen, taufredenen Utdruck in't Gesicht, un sei läd ehre Handarbeit in den Schot un lachte nah de lütten Dirns up den gräunen Plan henäwer un drauhte mit den Finger: »Macht's mir nur nicht zu arg!« Un dorneben satt en frischen, gesunnen Mann, de las de Zeitung un läd sei weg un schüddelte mit den Kopp, as wull hei seggen: dor's kein Freud' dorbi. Un wider hen satt en ollen, ollen Mann, an den sine Knei sick en lütt Mäten von en Johrener twölf lehnt hadd un mit ern snackte, un hei unnerbrok ehren muntern Kinnersnack un säd tau de junge Fru: »Lat sei, Wising, lat sei! Sei warden noch vör de Tid gesetzt un verstännig naug warden.« Un as ick nu üm de Eck rümmer kamm, rep de[709] oll Mann: »Mein Gott, is dat nich ...?« – Un Franz un Lowise kemen mi entgegen, un Franz säd: »Sieh! sieh! Das ist recht, Fritz, daß du uns mal besuchst.« – »Viele Grüße, gnädige Frau«, säd ick, »von meiner Luise«; denn min Fru heit ok Lowise. – Un nu würd denn hen un her red't; äwer de Freud' wohrte nich lang', denn dörch den Goren towte dat as de wille Jagd, un vir Jungs mit brune Ogen un brune Backen un grise Hosen un grise Jacken klabasterten den Stig entlang, un so'n lütten Slüngel von en Johrener söß, de fohrte up Franzen los un fot em üm de Knei un rep äwer de Schuller räwer: »Ick bün de irst!« – »Ja«, säd en anner, wat so'n Knaw von en twölf Johr sin müggt, »das glaub' ich, du bist durch die Wiese gelaufen; aber wie siehst du auch aus! Na, Mutter wird schön schelten!« Un nu bekek de oll Lütt denn sin unnerwartses Deil, un würklich! Wenn sin Mutter dormit taufreden was, hei kunn dor woll mit taufreden sin. – »Kommen eure Eltern nicht bald?« – »Ja«, säd de Öllst, »sie sind ganz dicht dabei. Und Großmutter kommt auch, und Frau von Rambow, die ist gestern abend bei uns angekommen.« – »Ach, Frida!« rep Lowise, »das ist schön!« – Un't wohrte nich lang', dunn kamm Rudolf mit Mining, un sei segen ut as en schönen Dag bi Middagstid, wenn dat Licht wid äwer de Feller lücht't un de Schatten kort is un de Minschen sick in Hemdsmaugen uttreckt hewwen, dat sei beter schaffen un wirken känen. Rudolf is en düchtigen Kirl worden, de unner sine Kollegen wat gelt, denn hei bedriwwt de Wirtschaft nich nah den ollen Slenderjahn un hett bi sinen Vurtel ok den von anner Lüd' un von't ganze Land in't Og fat't. – Un achter her kamm Fru Nüßlern un Frida. Un de Fru von Rambow kek nah rechtsch un nah linksch, un ehr Gesicht würd weihmäudig utseihn, un as sei an de Lauw' herankamm un de irsten leiwen Grüß afmakt wiren, rep Lowise ehr öllstes Döchting tau: »Frida, bring für Tante einen Stuhl!«, denn Frida hadd vördem mal seggt, sei müggt nich up de Bänk sitten, wo sei mal in so 'ne grote Not seten hadd. Un Fru Nüßlern gung an Hawermannen ran: »Korl-Bräuding,[710] wo geiht't?« – »Schön!« rep Hawermann ludhals', denn Fru Nüßlern was swerhürig worden, »un mit di?« – »So wid gaud, bet up dat Gehür; dat nimmt tau. Sei seggen, dat kümmt von 'ne Verküllung her. Snack! wo kann ick mi verküllen? Ick will di't seggen, Korl, 't kümmt von Jochen; denn up de Letzt hett hei so vel red't un red't, un dat hett mi jo woll antreckt. Na, hei kunn dor ok nich för, dat lagg jo woll in sine Natur.« – Un nu kamm ok Paster Gottlieb un Lining mit drei Kinner. Un de Kinner spelten tausam, un de Ollen red'ten tausam, un as dat gegen Abend kamm, würd in den Frien deckt, för de Ollen allein un för de Kinner allein, un an den Kinnerdisch höll Lowise ehr öllst Döchting dat Regiment uprecht, un an den annern Disch regierte Großvatter Hawermann, un beide führten en anner Regiment as vördem uns' oll brav Häuhning. Wat was dat fründlich, un wat was dat leiw! – Un as wi ollen Unnerdahnen von Hawermannen so recht fröhlich sitten un sin Regiment segnen, wer kümmt den Gorenstig entlang? Fritz Triddelfitz mit den lütten Akzesser. Na, würd dat en Upstand! Wat würd in de korte Tid allens tausamen fragt un tausamen red't! Mit einem Mal kriggt dat Undirt von Fritz Triddelfitz mi tau seihn: »Fritz, wo kümmst du her?« – »Je, Fritz, wo kümmst du her?« – »Fritz, ick heww di jo in säben kolle Winter nich seihn.« – »Un ick di ok nich, Fritz.« Un nu fritzten wi uns, dat dat 'ne wohre Lust för de ganze Gesellschaft würd. »Fritz«, frog hei, »schriwwst du noch ümmer Bäuker, Fritz?« – »Ja, Fritz, ick heww all en ganzen Hümpel tausam smert.« – »Na, Fritz, denn dauh mi blot den einzigsten Gefallen un bring mi nich in dine ollen verfluchten Bäuker.« – »Je«, segg ick, »ick kann di nich helpen, Fritz, du steihst dor all in, Fritz.« – »Womit stah ick dor in?« frog hei hastig. – »Mit den Rangdewuh in den groten Watergraben.« – »Was ist das?« frog Lowise, de mi grad äwer satt. – Franz lachte hell up: »Das sag' ich dir mal bei Gelegenheit.« – »Nein, nein!« rep Fritz. – »Na, was ist denn das?« frog de lütt Akzesser un sach mi, Fritz Reutern, an un sach em, Fritz Triddelfitzen, an. – Ick sweg,[711] un hei säd: »Das sag' ich dir mal bei Gelegenheit.« Oll Großvatter Hawermann lachte ut vullen Harten. – As wi nah den Eten allein wiren, namm Fritz minen Arm un frog: »Segg mal, wer hett di de Geschicht vertellt?« – »Bräsig«, segg ick. – »Heww ick mi dacht«, seggt hei, »Bräsig is de Hauptperson in de ganze Geschicht.« – »Dat is hei«, segg ick.

Un nu mag woll noch männigein mit de Frag' kamen: Wo liggt denn Pümpelhagen un Gürlitz un Rexow? – Je, up de Landkort ward't ji sei vergews säuken, un doch liggen sei in unsern dütschen Vaderlan'n, un ick will hoffen, sei sünd mihr as einmal tau finnen. – Allentwegent, wo en Eddelmann wahnt, de sick nich mihr dücht as sine Mitminschen un in den niedrigsten von sine Arbeitslüd' sinen Mitbrauder erkennt un sülwst mit arbeiten deiht – dor liggt Pümpelhagen. – Allentwegent, wo en Preister predigt, de nich in sinen Äwermaud verlangt, dat alle Minschen dat glöwen sälen, wat hei glöwt, de keinen Unnerscheid makt tüschen arm un rik, de nich blot predigt – ne! – ok mit Rat un Daht in de Bucht springt, wenn't gellt – dor liggt Gürlitz. – Allentwegent, wo de Börger wirkt un schafft, de den Drang in sick fäuhlt, in Weiten un in Känen wider tau kamen, un den dat Ganze mihr gellt as sin eigene Geldgewinn – dor liggt Rexow. – Un allentwegent, wo dese drei dörch de Leiw' von säute Frugens un de Hoffnung up frische, fröhliche Kinner tausamen verbunnen sünd, dor liggen ok de drei Dörper tausamen.[712]

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 701-713.
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