Kapittel 8

[134] Bräsig reist in de Waterkunst, un de Kammerrat kümmt nah Pümpelhagen. – Von dat Pomuchelskoppsche Wapen, un woans de Daglöhners dortau säden. – Von de »Egels« un »Äsels«. – Worüm Frölen Fidelia en lütt Veih näumt würd, un worüm Paster Behrens den Kopp schüddelte. – Bräsig kümmt ut de Waterkunst un belihrt Hawermannen in Waterangelegenheiten. – Wo't em dorbi gahn is. – En Dod un 'ne Not. – Wo Daniel Sadenwater mit sinen Herrn sine Gawel dor satt.


As in dat nige Johr Ostern in't Land kamm, reis'te Bräsig in sine Waterkunst, un up Pümpelhagen rückte de Kammerrat mit sine drei Döchter, Albertine, Berta un Fidelia, in. – »Ne, de Mann kunn nich wedder warden, mit den gung dat tau En'n«, dat säd Hawermann sick, un Franz säd sick dat ok, un as sei beid den irsten Abend nah sine Ankunft tausamen seten, was dat 'ne trurige Red' unner enanner; un den annern Dag, as Franz nu natürlich tau sinen Unkel in dat Herrnhus treckte un mit sine Vadderswesterdöchter tausam eten süll, kamm dat Hawermannen gor tau einsam in den ollen Wirtschaftshus' vör, hei hadd sick tau sihr un tau girn an den negern Ümgang mit den jungen Mann gewennt.

In de irsten acht Dag' kamm ok all Besäuk bi den Kammerrat, Pomuchelskopp was't in sinen blagen Liwrock mit de blanken Knöp un in de blanke Kutsch, de noch en Schepel staatscher utsach, indem dat sei nu noch mit en Wapen utziert was, wat hei sick von Wien för 'ne halwe Luggeduhr hadd kamen laten un wat en Döschkopp (Dorsch) in blagen Felln führen ded, wotau de dummen Daglöhners, de nicks von[134] Dösch un blages Feld wüßten, ümmer »Däs'kopp in en blages Fell« säden, indem dat sei mäglicher Wis' 'ne perßöhnliche Ähnlichkeit tüschen dat Wapen un ehren Herrn utfünnig makt hadden. Den Ümgang mit Bräsigen sinen Grafen hadd hei upgewen, annere Edellüd' wahnten nich up de Neg', un so kamen em de Kammerrat hellschen tau Paß; äwer de Mann hadd Unglück. As hei Daniel Sadenwatern, den Kammerrat sinen ollen Bedeinter, mit weihleidige Stimm sinen Drang utenanner set't hadd, den hei fäuhlen ded, sick perßöhnlich nah dat Befinn'n von den Herrn Kammerrat ümtauseihn, un dortau set't hadd, dat hei den Herrn Kammerrat sihr genau von Rostock her kennen ded, gung Daniel mit sin oll eben Gesicht ok richtig rinne, üm em antaumellen, kamm äwer mit en ebenso eben Gesicht wedder rute un säd, de Herr Kammerrat beduerte, dat sin Befinnen nich von de Ort wir, Besäuk antaunemen. Dat was denn nu wedder sihr verdreitlich för Pomuchelskoppen, un hei satt den Nahmiddag wedder in sine Sofaeck un argerte sick, un sine leiwe Fru, de denn jo ümmer recht upgekratzt un zärtlich würd, näumte em desen Nahmiddag ümmer »Pöking«, wat em den Arger vernünft'ger Wis' henlänglich vergäuden müßt.

De Kammerrat brukte in sine Krankheit nu ok würklich keine annere Unnerhollung, as hei sei in sine Neg' funn. De beiden öllsten Frölen wiren von Morgen bet Abend dorup bedacht, em tau hegen un tau plegen, un de jüngste, wat dat Schotkind von de ganze Fomili, en beten vertagen un för ehr Öller en beten tau jung blewen was un sick en beten up ehre kindliche Fröhlichkeit tau Gauden ded, sorgte nah Kräften för sine Upmunterung. Franz hadd sick glik in sine Gaudwilligkeit tau sinen Sekretär upsmeten un besorgte uterdem all de lütten Schererien, de bi so'n Husstand, taumal wenn 'ne Krankheit dorin utbraken is, nich utbliwen; vör allen was't äwer Hawermann, an den sinen Ümgang de Kammerrat Gefallen funn, nich allein, dat hei em von de Wirtschaft Bescheid gewen müßt, ne, ok in annern Dingen, de dorvon aflegen, frog hei em üm Rat un besprok sei mit em. So hadd denn Hawermann[135] kein Tid, in den Gürlitzer Pasterhus' vörtauspreken, un wenn Lowise ehren Vader spreken wull, denn müßt sei em in de hille Saattid up den Felln oder tau Middagtiden up den Hof upsäuken. So kunn denn dat nu nich utbliwen, dat sei dat Frölen Fidelia nich mal in den Worp kamm, un wil dat nu 'ne olle Erfohrung is, dat junge Mätens, de eigentlich all olle Mätens sünd un nu noch so up de Snid' von jung un olt hendanzen, sick ümmer bet up de jung' Sid hollen, üm sick an 'ne annere Jugend wedder en beten antaufrischen, so was dat ganz natürlich, dat Frölen Fidelia an Lowise en groten Wollgefallen funn, un't wohrte ok nich so lang', dunn wiren de beiden ein Hart un ein Seel. Wat dat nu in'n Ganzen gaud is, wenn en lütt Mäten 'ne so vel öllere Fründin findt, will ick nich up alle Fälle mit »Ja« beantwurten; 't kümmt hir verflucht vel up de Ümstän'n von de öllere Dam an. Lowise hadd äwer grad keinen Schaden dorvon, denn Frölen Fidelia was gor tau gaudmäudig, sei was man en ganz lütt beting von de Eitelkeit un dat vörneme Gedrähn anbraken, wat sick ahn würklichen Inhalt in de hoge Gesellschaft breid maken sall, un wenn ehre selige Mama – de oll Gnaden, as Daniel Sadenwater sei näumen ded – ok vel dornah stangelt hadd, sei en beten vörnemer tau maken, hir, bi sinen Leiwling, hadd de Kammerrat mit Glück dat Gegenpart hollen. Äwer ahn dat hei dat wohr würd, was hei ok schuld an de Häweli von sine jüngste Dochter un doran, dat sei nich öller warden wull; sei hadd em von Lütt up de Mäuh un de Sorgen weglachen un häweln müßt un was nu so bi blewen, ahn sick wider wat dorbi tau denken. Dit dägliche Geschäft namm sei denn nu ok so in Ansprak, dat Lowise Hawermann gor nich doran denken kunn, ehr in de Ort Gegenstand tau leisten un gegen ehr uptaukamen; un wat süs mäglicher Wis' hadd ansticken kunnt, würd nu en Schutzmittel gegen de Krankheit: Lowise würd vel gesetzter un hadd so vel Verstand, sick mang Frölen Fidelia ehren lütten bunten Trödelkram dejenigen Manieren rute tau säuken, de för ehr paßten. Äwer sei namm nich allein, sei gaww ok.[136]

Wüßt Lowise in de vörneme Welt nich Bescheid, denn wüßte Frölen Fidelia noch vel weniger Bescheid in de Welt, de üm ehr rümmer lewte un wewte, un dor kunn nu Lowise de beste Rekenschaft von gewen. Äwer 'ne verdreitliche Sak müßte Frölen Fidelia irst en häßlichen Ribbenstot gewen, dat sei sick äwerall dorüm kümmerte. – De Sak was so: de Kammerrat hadd tau dat Frölen ehren Geburtsdag en sihr schönes Kled ut Swerin kamen laten, Frölen Albertine hadd an en nigen Sommerhaut dacht un Frölen Berta an en schönen Schal, un as nu de Bescherung äwergewen was, makten sick de beiden öllern Swestern denn glik doran un treckten ehr Schotkind de nigen Kledaschen an un stunnen nu üm ehr un bekeken sei rechtsch un linksch un wunnerwarkten äwer ehr schönes Utseihn, un Frölen Berta rep ut: »Nein, sie ist 'ne kleine Fee!« – Nu müßt äwer grad Korlin Kegels, dat Stuwenmäten, dörch de Stuw' gahn, un de hadd jo nu nicks Iligers tau dauhn, as in de Käk tau vertellen: »Dirns, weit ji wat? Frölen Berta seggt, uns' lütt Frölen süht ut as en lütt Veih.« – Na, de Spaß müßt jo nu natürlich ok gefallen, un't wohrte nich lang', dunn würd Frölen Fidelia in de Lüdstuw' blot dat »lütt Veih« näumt. Äwer't geiht so lang' as't geiht; tauletzt müßt ehr dat ok vör de Uhren kamen, un dunn würd't en groten Upstand un 'ne grote Unnersäukung, un Korlin Kegels süll trotz Bidden un Rohren ut den Hus'. – Den Dag kamm Lowise taum Besäuk, un up de Trepp rohrte ehr Korlin Kegels entgegen, un binnen in de Stuw' röhrte Frölen Fidelia. Na, ein Wurd gaww dat anner, un as Lowise de Sak wüßt, dunn led sei, mitledig mit alle beiden, de Hand up dat Frölen ehre Schuller: »Ach, das haben sich die Leute nicht so böse gedacht.« – »Ja«, rep dat Frölen heftig, »das haben sie, das haben sie. Das rohe, ungeschliffene Volk!« – »Nein, nein! Sagen Sie das nicht!« rep Lowise ordentlich ängstlich, »unsere Dienstleute sind nicht roh; sie haben ebensoviel Gemüt wie vornehme Leute. Mein Vater sagt, man muß sie erst kennen lernen, und das ist nicht so leicht: die Sprache scheidet sie von ihren Herren.« – »Das ist ganz[137] gleich!« rep Fidelia, »lütt Veih ist ein grober, roher Ausdruck.« – »'s ist ein Mißverständnis«, säd Lowise, »das Wort ›Fee‹ ist den Leuten unbekannt, und da haben sie das ähnlich lautende genommen, und es ist ihnen komisch vorgekommen. Eine beleidigende Absicht haben sie nicht gehabt. – Sie, Fräulein, sind ja der Liebling aller Ihrer Dienstboten.« – Dese letzte säute Zucker, den Lowise ganz ahn Schmeicheln dat Frölen tau smecken gaww, verdrew all in etwas den bittern Nahsmack von dat »lütt Veih«, un as sei warm un indringlich vertellte, wat de Paster, de in Freud' un Led mit de Lüd' tau dauhn hadd, von ehre Ihrenhaftigkeit un ehr deipes Gefäuhl denken ded, würd dat Frölen ruhiger un tauletzt in ehre gaudmäudige Hiddlichkeit ordentlich niglich, sick mit de Lüd' neger bekannt tau maken, un Korlin Kegels würd wedder in Gnaden annamen.

Dat Frölen frog Franzen, un de lawte de Lüd' in Pümpelhagen dörch't Bredd, un ok de Kammerrat gaww sin Lüd' dat beste Tügnis un vertellte bilöpig, dat de Ur-ur-öllern von de Lüd' all sid minschlichen Vördenken unner sine Vöröllern wahnt hadden. De irst Herr von Rambow, von den äwerall mellt wir, hadd man twei Deinstmannen hatt, von de de ein »Äsel« un de anner »Egel« heiten hadd – so würd taum wenigsten vertellt. De hadden nu äwer vele Nahkamenschaft hatt, un so wir denn nu mit de Wil 'ne grote Bisteri mang de »Egel« un »Äsel« inreten, indem dat de ein Egel männigmal en Schepel Kurn kregen hadd, de en annern Egel taukamen, un ein Äsel 'ne Dracht Släg', de von Rechts wegen den annern Äsel hüren ded. Dese Verwesselungen wiren nu äwer unner einen von sine Vörfohren, de – tau de Schan'n von sine Fomili müßte hei dat ingestahn – man en beten kort von Gedanken west wir, up einen Punkt geraden, dat de dunnmalige Fru von Rambow, de en ganzen Schepel kläuker was as ehr Husherr, hadd en Inseihn bruken müßt. – Sei hadd en Infall, un wil sei dat Regiment ok hadd, führte sei em dörch. All de Husvaders von't ganze Dörp müßten eins Sünndagsmorgens tausamenkamen un jeder müßte sinen Vörnamen un[138] Vadersnamen seggen, un de schrew sei sick an, denn schriwen kunn sei ok, un namm nu den irsten Baukstawren von den Vörnamen tau den Vadersnamen un döffte dat ganze Dörp üm, un so würd denn nu ut »Korl Egel« »Kegel«, ut »Pagel Egel« »Pegel«, ut »Florian Egel« »Flegel«, un ut »Vullrad Äsel« würd »Väsel«, ut »Peiter Äsel« würd »Päsel« un ut »David Äsel« würd »Däsel« un so furt un so fürt. Un – set'te de Kammerrat noch hentau – dat wir markwürdig: nah de ollen Nahrichten wir de Stammvader von de Egellining en Flaßkopp west un de von de Äsellining en Swartkopp, un so wir't noch hütigen Dags bi de Nahkamenschaft. Äwer nich allein de Butensid von de Anlagen, ne, ok de Binnensid von ehr hadd sick bet up den hütigen Dag verarwt: nah de ollen Geschichten süll de Ur-ur-Egel hellschen geschickt in Kellenun Lepel-Sniden, in Harkentinnen un höltern Tüffeln west sin, un de Ur-ur- Äsel süll 'ne ganz uterwählte Kehl taum Singen hatt hewwen, un dat wir so blewen, un dorüm hadden sine Vörfohren un hei sülwst dor ümmer streng up hollen, dat de Nachtwächter ut de Äsellining un de Rad'maker ut de Egellining wählt worden wir. – »Und das kannst du noch heute«, set'te hei tau sin Fidelia hentau, »an dem Nachtwächter David Däsel und an dem Rademacher Fritz Flegel sehn.«

Dese Geschicht geföll nu Frölen Fidelia ungeheuer, un in ehre hiddlige Häweli hadd sei nu nicks Iligeres tau dauhn, as in alle Daglöhnerkaten rinne tau lopen, de Husfrugens dörch en langen Strämel Snack von de Arbeit aftauhollen, de Kinner mit afgeleggtes Tüg tau beschenken, un wenn Lowise nich dorbi west wir, hadd sei jo woll Päseln sine elbenjöhrige Marik mit en afgeleggten Sleuer un Fedderhut begawt un Däseln sin Stin, de de Gössel an'n Dik häuden müßt, mit en Por wunnerschöne hellblage Atlasschauh.

De ollen Vaders in den Dörp schüddelten tau desen Üm- un Upstand frilich en beten mit den Kopp; de ollen Moders äwer nemen ehr dat gaud un säden: wenn sei ok nich so orig wir – d.h. in'n Kopp –, so meinte sei dat doch sihr gaud, un[139] wenn sei von ehr reden deden, denn n.äumten sei sei staats süs slank weg »lütt Veih« nu »gemeines, niderträchtiges, nüdliches lütt Veih«.

Paster Behrens schüddelte ok mit den Kopp, as hei von dese Ort Wolldädigkeit tau weiten kreg; hei säd, de Pümpelhäger Lüd' wiren de besten in sine Gemein, un dat hadd sinen Grund dorin, dat sei noch ümmer ehre ollen Herrn hadden, von de sei gaud hollen wiren; de Gürlitzer Lüd' wiren dörch den Wessel mit Herrn em en beten sihr ut Rand un Band kamen; äwer nicks verdürw den Minschen lichter as ne unäwerleggte un unverdeinte Wolldädigkeit; hei würd mal mit dat Frölen reden. – Un dat ded hei bi de negste Gelegenheit; hei set'te ehr dat utenanner, dat de Lüd' in Pümpelhagen so stellt wiren, dat – wenn nich Krankheit un Veihstarben un anner Unglück sei bedrapen ded – en ordentlichen Kirl un ne dägte Husfru sick sülwst helpen künnen un dat 'ne Wolldaht, de so babenin kem, de Lüd' blot lihren ded, sick up frömde Hülp tau verlaten. De Ort Lüd' müßten ebenso gaud as jeder anner Minsch ehren eignen, frien Weg gahn, un keiner dürwt – ok in'n Gauden nich – in ehren Kram rinne fuschen.

Tau mine Freud' kann ick berichten, dat Frölen Fidelia dat insach un dat sei ehre Wolldahten up de Lüd' inschränkte, de sick nich sülwst helpen kunnen, up de Ollen un Kranken, un dat sei för dese ut en »lütt Veih« wedder 'ne »lütte Fee« würd. Lowise hülp ehr bi dit Samaritergeschäft, un Franz, de denn un wenn doräwer taukamm, sach tau sine Verwunnerung, dat dat lütte lustige Mäten von vördem sihr irnsthaft utseihn un sihr äwerleggt un besunnen handeln kunn un dat de schönen Ogen ebenso mitledig un sinnig up 'ne olle kranke Daglöhnerfru liggen kunnen as up em an den Wihnachterabend. Hei freute sick doräwer un wüßte doch nich recht worüm.

Dat Frühjohr was vergahn, de Sommer was kamen, dunn kreg Hawermann eines Sünndagsmorgens en Breiw von Bräsigen ut Warnitz, hei süll sick den Dag äwer tau Hus hollen;[140] Bräsig wir wedder an't Hus kamen un wull em den Nahmiddag besäuken. Un dat geschach; Bräsig kamm up sin Lischen an un sprung mit so 'ne Forsch von't Pird, as müßte hei mit beide Beinen dörch den Damm hendörch. – »Hoho!« rep Hawermann em entgegen, »du büst jo hellschen wog', du büst jo so fix as en Vagel.« – »Frisch verstahlt, Korl! Ich habe noch einmal auf't frisch angenommen.« – »Na, wo is't di denn gahn, oll Knaw?« frog Hawermann, as sei up den Sofa, seten un de Pipen in'n Gang wiren. – »Hör mal, Korl! Naßkolt, waterig, kläterig – süh, das 's gar nichts dagegen. Sie machen den Menschen rein zu 'ne Pogg, und eher sich 'ne menschliche Natur an 'ne Poggennatur gewöhnt, da hat die menschliche Kretur soviel auszuhalten, daß man immer wünschen möcht', man wär als Pogg auf die Welt gekommen; aber gut ist's doch! – Süh, erstens morgens die gewöhnliche Abswitzung. Da wickeln sie dir in kolle Laken ein – ganz natt – un dann in wollne Decken un premsen dir so zusammen, daß du nichts von deinem menschlichen Leibe rögen kannst als bloß die Tehnen. Denn nehmen sie dir in diesen Zustand un ledden dir in eine Badestube un klingeln ümmer vor dir auf, daß sie die Dams wegklingeln wegen der Schanierlichkeit. Süh, denn setzen sie dir, wie dich Gott erschaffen hat, in 'ne Badewanne un stülpen dir drei Eimer Wasser über deinen kahlen Kopp, wenn du einen hast, un denn kannst du ihrentwegen gehn. – Nu meinst du, daß es zu End' ist? – Das meinst du, Korl, aber nu geht's erst recht an; aber gut ist's doch. – Süh, nu mußt du spazieren gehn auf Fläg', wo du gar nichts zu tun hast. Ich bün in meinem Leben viel spazieren gegangen, bei's Haken un Eggen, bei's Meßstreuen un Arwtenseigen, hab aber ümmer dabei was zu tun gehabt; aber hier gor nicks! Un dabei mußt du nu Wasser trinken, ümmer zu, ümmer zu! – Korl, welche sünd da unter, das ist doch grad', as wenn du Wasser in's Säw gießt, un denn stehn sie da un stähnen: ›Ah, das schöne Wasser!‹ Glaub ihnen nich, Korl, sie verstellen sich; Wasser auswendig is schon slimm, sehr slimm, aber inwendig da hat es 'ne grausame[141] Wirkung; aber gut ist's doch! – Denn kommst du in ein Sitzbad. Weitst du, woans das bei 4 Grad Null is? Justement as wenn du in der Höll bist, und der Deuwel hat dir auf einen eisernen, gläugnigen Stuhl gesetzt un bört ümmer frisch unner, süh, so brennt das; aber gut ist's doch. – Denn läufst du wieder bis Mittag, un denn ißt du Mittag. Aber, Korl, davon hast du keine Einbildung; was kann der Mensch in einer Wasserkunst zu sich nehmen! Das Wasser muß doch hellschen zehren! Korl, ich hab' Dams gesehen, small un dünn as die leibhaftigen Engels, un Karmenaden as die Waschhölter groß haben sie drei Stück aufgegessen – un Tüften? – Gott, du bewohre! – wo du jo woll en Schepel Aussaat Land mit abpflanzen kannst. Darum sünd die Wasserdoktors auch sehr zu bedauern, denn sie fressen ihnen power. – 's Nahmiddags geht's Wassersaufen wieder munter los, un denn kannst du dir auch mit die Dams anständig unterhalten, denn 's Morgens stehn sie dir nich Rede, indem sie das Bewußtsein haben, daß sie in einem wilden Zustand umherlaufen, einige mit nasse Strümpfen, as wenn sie von's Krewthölkern herkommen, andere mit nasse Tücher um den Kopp, alle aber mit fliegende Haaren un mit en Fenusgürtel, der aber nicht augenscheinlich ist. Du kannst dir mit ihnen erzählen, was du willst, wirst aber swerlich 'ne Antwurt kriegen, wenn du nich von ihre Krankheitsgeschichten anfängst, wo oft sie schon Pückeln über den ganzen Leib gekriegt haben un Swären un blinde Dinger; denn das ist in einer Wasserkunst die gebildtste Unterhaltung. – Hast du dir nun in dieser Art amusiert, dann mußt du in die Tusche, brauchst dir aber nich zu denken, daß sie swarz is, nein, lauter klores Water; aber gut is sie auch! Überall, Korl, kannst du dir merken: allens, was slecht smeckt, was en Minschen eklich is un wovor er einen Grugel hat, das is gesund vör dem menschlichen Leibe.« – »Na, denn möst du din Podagra jo ganz los sin, denn du hest jo en hellschen Grugel vör't kolle Water hatt.« – »Da kann nu einer gleich hören, Korl, daß du meindag' noch nich in einer Wasserkunst gewesen büst. Süh – der Doktor hat mich[142] das auseinandergesetzt – der verfluchte Podagra ist die öbberste von alle Krankheiten – das is die Mutterkrankheit, woraus alle andern Süken kommen, und er kommt aus den Gichtstoff, der in die Knochen liegt un dir darin herum reißt, un der Gichtstoff kommt aus dem Giftstoff, den du als menschliche Nahrung, zum Exempel Kümmel oder Tobak, oder aus der Apteke zu dir genommen hast. Süh, nu muß einer, der den Podagra hat, so lange in den nassen Laken switzen, bis er all den Tobak, den er in seinem Leben geraucht hat, un all die kleinen Kümmel, die er in seinem Leben getrunken, ausgeswitzt hat. Süh, denn geht der Giftstoff weg un denn der Gichtstoff un denn der verfluchte Podagra.« – »Na, hest du dat so hatt?« – »Ne.« – »Na, worüm büst du denn nich länger dor blewen? Denn hadd 'ck doch ok bet an't En'n uthollen.« – »Korl, du redst! Das hält jo kein Mensch aus, un is auch noch bi keinen Menschen passiert. – Einen haben sie mal gehabt, der hat so lange geswitzt, bis er likster Welt als Lowisiana von Justussen in Hamburg gerochen hat, na, da hat denn nu der Wasserdokter auch alle Kranken raufgebracht, daß sie sich eigenhändig mit der Nase von den Geruch haben überzeugen müssen, un hat's auch in die Wasserschriften setzen lassen; aber nahsten is's rausgekommen: der Karnallj hat heimlich 'ne Zichalie geraucht, was verboten is – auch Kümmel is verboten. – Abersten weiter in den täglichen Lebenslauf! Nach der Tusche läufst du wieder, un bei das Laufen is das Abend geworden. Nu kannst du noch in'n Düstern rumlaufen, was welche auch tun, Herrn un Dams, kannst aber auch reingehn und dir mit Lesen behaben. Ich hab denn ümmer in die Wasserbücher gelesen, die ein gewisser Rausse, der eigentlich Frank heißt, gemacht hat, was der öbberste von die ganzen Wasserdokters is. – Korl, da steht's all in, allens kurzfertig in! Aber es ist swer for en Menschen zu verstehn; ich bün derentwegen auch nich weiter gekommen als bis auf die ersten beiden Seiten, und ich hab' vollkommen genug dran, denn als ich die gelesen hatte, da würd mich so wirbelig tau Sinn, as wenn mich[143] einer 'ne halwe Stun'n auf den Kopp gestellt hätte. Du meinst, Korl, frische Luft is frische Luft? – denk nich daran! – und du meinst, das Wasser aus deiner Pump is Wasser? fällt ihm gar nich ein! Süh, die frische Luft teilt sich in drei Teilen: in den sauren Stoff, in den Stinkstoff und in die swarze Kohlensäure; und dein Wasser in die Pump teilt sich in zwei Teilen: in den sauren Stoff und in den wässerigen Stoff. Auf Wasser und auf Luft is nu die ganze Wasserkunst gebaut. – Un nu süh mal, Korl, wo weise die Natur das eingericht hat: die menschliche Natur, wenn sie in der frischen Luft geht, nimmt durch die gewöhnliche, gebräuchliche Luftröhre die swarze Kohlensäure un den Stinkstoff in sich auf, die sie beide nich vertragen kann, und da kommt nu die Wasserkunst und schafft dir diese beiden abscheulichen Dünste vom Halse, indem daß der saure Stoff in dein Pumpenwasser dir die swarze Kohlensäure fest macht und der wässerige Stoff dir den Stinkstoff mit Switzen aus dem Leibe treibt. Verstehst du mir, Korl?« – »Ne«, säd Hawermann un lachte recht hartlich, »dat kannst nich verlangen.« – »Lach nich über 'ne Sach, Korl, die du nich verstehst. Süh, den rausgetriebenen Stinkstoff hab ich bei's Switzen selbst gerochen; aber wo bleibt die festgemachte swarze Kohlensäure? Süh, das ist der Punkt, und weiter bün ich in den Wasserwissenschaften nich gekommen: un glaubst du woll, daß Paster Behrens was davon weiß? Ich hab ihn gestern gefragt – der weiß erst recht nichts davon. Und du sollst sehn, Korl, die swarze Kohlensäure steckt noch in meinem Leibe, un davon werd' ich den verfluchten Podagra doch wieder kriegen.« – »Äwer Zacharies, worüm büst du denn nich noch en beten länger dor blewen un hest di ordentlich utkurieren laten?« – »Korl«, säd Bräsig un slog de Ogen nedder un namm en sihr gedrücktes Wesen an, »es ging nich! Es ist mich da was passiert. – Korl«, säd hei un kek Hawermannen drist in de Ogen, »du kennst mich von Lütt auf an, hast du all mein Dag an mir ein unrespektierliches Wesen gegen die Frauenzimmer bemerkt?« – »Ne, Bräsig, dat Tügnis[144] kann 'ck di gewen.« – »Na, un nu doch! Denk dir, wo mich das gehn muß! Diesen Freitag vor acht Tagen krieg ich wieder so'n entfahmtes Muckern in den großen Zehen – denn in das bütelste En'n fängt's ümmer an –, und der Wasserdokter sagt: ›Herr Entspekter, wir müssen Ihnen eine Extra-Einwickelung apoplexieren, Dokter Strumpen sein verdammtes Apteker-Kolchikum mellt sich, das muß raus.‹ – Na, das geschieht, er wickelt mir selbst, un so drang', daß ich knapp Aten holen kann, wobei er sagt, Luft is mich weniger nötig as Wasser; und dabei will er sogar das Fenster zumachen. ›Ne‹, sag ich, ›so viel versteh ich nachgradens auch davon, frische Luft muß sein, lassen Sie das Fenster auf‹, und er tut's und geht ab. Nu lieg ich denn in meiner bedrückten Lage sachten fort und denke mir auch weiter nichts Slimms, da wird das mit en Mal so'n Gebrumm un Gesumm um mich rum, und als ich richtig zu Höchten seh, swarmt en ganzer Immenswarm ins Fenster rein und der Weiser vorauf – denn ich kenn ihn, Korl, du weißt, ich bün en Imker; bün mal in Zittelwitz mit den Schaulmeister zusammen Frühjohrs mit siebenundfufzig Stöck in's Feld gezogen –, un dieser Weiser will sich jo woll nu in meine wollne Deck, die der Dokter mir über den Kopp gezogen hatte, ordentlich anbauen. Na, was sollt ich nu machen? Rühren konnt ich mich nich; ich puste also nach ihm, ich pust, bis mich der Aten ausgeht; aber Essig, reiner Essig! Das Biest setzt sich gerade t'en'ns meinen kahlen Kopf – denn die Perük, Korl, nehm ich ümmer ab, um ihr zu schonen –, und nu kommt der ganze Swarm un swenkt sich an mein Gesicht heran. – Na, da war's all! Ich wölter mir aus das Bett heraus. Quuck! fall ich auf die Erde un wölter mir nu aus die wollne Deck heraus un aus die nassen Laken bis an die Tür heran, un über mir war der Deuwel los, der leibhaftige Deuwel! Un so spring ich nu aus der Tür heraus, un so slag' ich mir mit die nachfolgenden Immen herum wie blind un doll, un so schrei ich um Hülfe. – Gott sei Lob und Dank, der Existent von dem Wasserdokter – der Mann heißt Ehrfurcht – traf mich und brachte mich in einem andern[145] Lokale und von da in die notwendige Bekleidung, so daß ich nach einer mehrstündigen Beruhigung in die Eßstube, was sie einen Salong nennen, hinuntergehen konnte – das heißt mit einem halben Schock Immenangeln in dem Leibe. – Ich fange an mit die Herren zu reden, un sie lachen sich. – Worüm lachen sie sich, Korl? Du weißt's nich, un ich weiß's auch nich. – Ich wend mir also an eine von die Dams un red sie freundschaftlich aufs Wetter an; da wird sie rot. – Warum wird sie bei's Wetter rot? Das weiß ich nich, und du weißt's auch nich, Korl. – Ich wend mich an eine, was 'ne Sängerin war, un bitt ihr freundlich, sie soll das schöne Lied noch mal singen, was sie alle Abend gesungen hatte. Was tut sie, Korl? – sie zeigt mir ihren Rücken. Und als ich mir den nu so in meinen besondern Gedanken betrachte, kommt der Wasserdokter und sagt sehr höflich zu mir: ›Herr Entspekter, nehmen Sie's nich übel, Sie haben sich heute nachmittag zu sehr bemerklich gemacht.‹ – ›Wo so?‹ frag ich. – ›Ja‹, sagt er, ›wie Sie aus der Tür rausgesprungen sind, is grad das Fräulein von Hinkefuß über den Corydon gegangen, und die hat's in aller Verschwiegenheit den andern erzählt.‹ – ›Und derentwegen‹, sag ich, ›wollen Sie mich von das natürliche Mitleid entblößen? Derentwegen wollen die Herren lachen und die Dams mich ihre angenehme Rücksicht genießen lassen? – Nein, davor bin ich nich hier! – Wenn mir Fräulein von Hinkefuß so mit dem halben Schock Immenangeln im Leibe entgegengetreten wäre, ich hätte mir alle Morgen in Bescheidenheit nach ihrem Befinden erkundigt. Aber lasse ihr! Menschliches Gefühl kann sich keiner auf keinen Jahrmarkt kaufen. Aber nu kommen Sie, Herr Dokter, und ziehn Sie mir die Immenangeln aus dem Leibe.‹ – Süh, Korl, da könnte er es nich. – ›Was?‹ sag ich, ›nich mal eine Immenangel können Sie aus der Haut ziehn?‹ – ›Nein‹, sagt er, ›ich könnte es wohl, aber ich dürfte es nicht, denn das sind Operamente, wie sie sich for einem Gregorius gebühren, un dazu bin ich nicht von der meckelnbürger Regierung qualifikaziert.‹ – ›Was?‹ sag ich, ›Sie wollen mir die Gicht aus den Knochen kurieren und dürfen mir[146] gesetzlich nich mal 'ne Immenangel aus der Haut ziehn? Sie dürfen sich nich mal mit der Haut von einem auswendigen Menschen befassen und wollen mir mein geheimnisreiches Inwendiges mit Ihr ßackermentsches Wasser ausspülen? Ich danke Ihnen!‹ – Un süh, Korl, von dem itzigen Augenblicke an hatte ich das Zutrauen zu dem ganzen Wasserdokter verloren, und ohne das können sie nichts machen, das sagen sie jeden selbst, wenn er ankommt. Ich reis'te also furtsen ab und habe mir die Angeln von dem alten Gregorius Metz in Rahnstädt ausziehn lassen. Un somit schließt sich meine Geschichte in der Wasserkunst; aber gut is sie doch: der Mensch kriegt en ganzen andern Glauben, und wenn sie auch nicht den verfluchten Podagra vertreibt, so kriegt man doch einen Begriff davon, was die menschliche Kretur allens aushalten kann, und hier, Korl, hab ich dir auch ein Wasserbuch mitgebracht, da kannst du dir 's Winterabends in den Wissenschaften mit belernen.« – Hawermann bedankte sick nu, un de Red' kamm up de Wirtschaft un so bi Weg' lang ok up de Wirtschaftslihrlings. – »Na, Korl«, frog Bräsig, »wo geht es mit deinem Herrn Junker?« – »Sihr gaud, Bräsig, de lett sick tau allens glik gaud an; mi deiht't blot led, dat ick den jungen Mann nich mihr üm mi hewwen kann. Hei deiht sin Ding'n up jedes Flag, un mihr as dat; ick weit von Daniel Sadenwatern, dat hei männig schön Mal bi unsen kranken, ollen Herrn nachtens wacht hett, wenn hei ok noch so mäud west is. Dat is en jungen Mann, as hei in't Bauk steiht. Dor is Driwwt in tau Arbeit, un dor is ok Hart in tau Anhänglichkeit.« – »Na, Korl, aber dein Windhund?« – »Ih, de is ok nich so slimm; in sinen Kopp steken vele Rupen, gor tau vele! äwer bös is de Jung' nich. Hei deiht ok, wat em heiten ward, un wenn hei't nu ok mal vergeten deiht – na! wi sünd jo ok jung west.« – »Das Best bei deine beiden jungen Elemente is, dat sie schon hartlich sind. Süh, da bün ich bei Krischan Klockmannen gewesen, der hat einen, vierzehn Jahr alt, just ingesegent! Das is den ganzen Tag mäud, das släft in't Stehent, das släft in't Gehent! Wenn das essen soll, denn ißt das nicht, wenn das[147] trinken soll, denn trinkt das nich, un wenn er das aufs Feld schickt, denn verklarnt ihm das.« – »O ne! So sünd min beiden nich«, säd Hawermann. – »Und der Junker wacht 's nachtens bei den ollen Herrn?« frog Bräsig. »Mag den jungen Menschen wohl leiden! – Denn is der Kammerrat woll schon sehr swächlich? Grüß ihn von mir, Korl, denn ich will nu adjüs sagen, ich muß noch zu meinen gnedigsten Grafen, der hat mich hinbestellt in 'ner besonderen Angelegenheit.«

Un dormit red Bräsig af.

Un de Kammerrat was würklich in de letzten Dagen sihr swack worden; hei hadd wedder en lütten Slaganfall hatt, taum Glücken hadd hei äwer de Sprak behollen, un desen Abend kamm Franz un bed Hawermannen, hei süll en beten räwer kamen, sin Unkel wünscht em tau spreken.

As de Inspekter in de Stuw' tred, was Fidelia dor un snackte un vertellte in ehre görige Ort den ollen Herrn von dit un von dat – ach Gott! dat oll arm Kind wüßt dat jo ok nich, wo lang' sei äwerall noch mit ehren gauden Vader snacken kunn. De Kammerrat bed sei, em mit Hawermannen allein tau laten, un as sei rute was, kek hei den Inspekter mit so'n deip trurigen Blick an und säd swack: »Hawermann, lieber Hawermann, wenn von dem, was uns sonst Freude machte, nichts mehr anschlägt, dann geht's zu Ende.« – Hawermann kek hastig nah em räwer, un as künn hei sick dat Slimmste nich verhehlen, denn hei hadd all männigen Minschen up sin letztes Lager seihn, slog hei trurig de Ogen dal un frog: »Ist der Doktor heute nicht hier gewesen?« – »Ach, lieber Hawermann, der Doktor! Was soll der? Ich möchte lieber den Pastor Behrens wieder einmal bei mir sehn. Doch vorher habe ich mit Ihnen noch von andern Sorgen zu sprechen. Setzen Sie sich hier zu mir heran.« – As de Inspekter dat dahn hadd, redte hei hastig, äwer oft unnerbraken, wider, as würd em de Tid ebenso knapp as de Luft. – »Mein Testament liegt in Schwerin. Ich habe alles bedacht, aber – wenn meine Krankheit nicht so plötzlich gekommen wäre – der rasche Tod meiner[148] Frau – ich fürchte, meine Angelegenheiten stehen nicht so, wie sie sollten.« – Nah 'ne korte Tid sammelte hei sick en beten. »Mein Sohn erhält das Gut, die beiden verheirateten Töchter sind abgefunden; aber die drei unverheirateten – die armen Kinder! –, sie konnten nur mäßig bedacht werden. Axel muß für sie sorgen – ach Gott, er wird genug mit sich selbst zu tun haben. Er schreibt mir, er wünscht noch einige Jahre beim Militär zu bleiben – gut, ganz gut, wenn er sparsam lebt – dann kann etwas aus der Wirtschaft erübrigt werden – Schulden zu bezahlen. Aber der Jude, Hawermann, der Jude! Wird er warten? – Sagten Sie etwas?« – »Nein, Herr Kammerrat; aber Moses wird warten; ich hoffe es ganz gewiß. Und wenn nicht, es ist viel Geld im Lande, viel mehr als vor einem Jahre.« – »Nicht wahr? ja, ja, und die Güter sind gestiegen. – Aber was dann? Axel versteht nichts von der Wirtschaft – ich habe ihm durch Franzen Bücher geschickt, ökonomische Bücher – er soll sie studieren – das kann ihm helfen, nicht wahr, Hawermann?« – Ach du leiwer Gott, dachte Hawermann, dat hadd din olle Herr, de sülwst ümmer so praktisch und vernünftig was, in gesunnen Dagen nich hofft; äwer wat süll dat nützen, wenn hei em den Trost nehm, hei säd also: ja, hei hoffte dat ok. – »Und, lieber Freund, Sie bleiben bei ihm«, rep de Kammerrat indringlich, »geben Sie mir Ihre Hand, Sie bleiben bei ihm.« – »Ja«, säd Hawermann, un de Tranen stunnen em in de Ogen, »so lange ich Ihnen oder Ihrer Familie nützen kann, gehe ich nicht aus Pümpelhagen.« – »Ich wußte es«, säd sin Herr un sackte matt in sin Küssen taurügg, »aber – Fidelia soll schreiben – ihn noch einmal sehen mit Ihnen zusammen sehn.« – Sin Kraft was all, hei halte swor Aten un räkelte swor.

Sachten stunn Hawermann up un tröck de Klingel, un as Daniel Sadenwater kamm, namm hei em in de Vörstuw' rinner: »Sadenwater, mit unsern Herrn is dat slimmer worden; ick fürcht, dat durt nich lang, raupen S' de Frölens un den jungen Herrn; äwer seggen S' noch nicks för gewiß.« – Äwer den ollen Bedeinter sin eben Gesicht flog 'ne lise Weihdag', as[149] wenn de Abendwind äwer den stillen See treckt, hei kek sick üm nah de halwapne Dör von de Krankenstuw', as wenn't em von dor anweihen ded, un säd vör sick hen, as wenn hei sick entschuldigen müßt: »Leiwer Gott, 't sünd nu äwer dortig Johr ...«, dreihte sick üm un gung.

Franz un de Frölens kemen. – De armen Mätens ahnten sick dat nich, dat de Stein so rasch den Barg runnetründelte, sei hadden jo ümmer säker dorup rekent, dat em wat uphollen müßt, de Dokter oder, wenn de nich künn, uns' Herrgott. Sei hadden in de letzte Tid ümmer ümschichtig bi ehren Vader wakt, un nu kamm ehr dat so sonderbor beängstlich vör, dat sei sick hir alltausamen tauglik segen un Franzen ok un Hawermannen un Daniel Sadenwatern. – »Mein Gott, was ist ... was ist ...?« fohrte Fidelia up den ollen Inspekter in. – Hawermann fot sei an de Hand un drückte de Hand: »Ihr Vater« – hei hadd in desen Ogenblik üm allens nich »Herr Vater« seggen kunnt – »Ihr Vater ist kränker geworden, er ist sehr krank, er wünscht Ihren Bruder zu sprechen. – Herr von Rambow, schreiben Sie schnell ein paar Worte, ich will den Wagen für den Arzt bestellen, der Kutscher kann den Brief zur Post mitnehmen. – In drei Tagen kann Ihr Bruder hier sein.« – »Dat wohrt kein drei Stun'n«, säd Sadenwater, de ut de Krankenstuw' kamm, sachten tau Hawermannen.

Un in de Krankenstuw' seten un stunnen de drei Döchter üm ehres Vaders Lager herüm un weinten un klagten sachten vör sick hen un wullen de Stütt hollen, de sei so lang' hollen hadd, un jedwer Hart quälte jedweren Kopp üm Rat, wat linnern un wat helpen künn, un de drei Harten slogen ümmer beängstlicher un ümmer rascher un dat ein Hart ümmer stiller un sachter.

Un in de Vörstuw' satt Franz un horkte up jeden Lud un stunn up un gung in de Krankenstuw' un kamm wedder. Hei hadd noch kein Minschenlewen scheiden seihn un hürt un dacht an sinen eignen Vader, den hei sick ümmer as sinen Unkel vörstellt hadd, un em was tau Maud', as stürw em sin[150] eigen Vader taum tweiten Mal. Un hei dachte ok an sinen Vaderbraudersähn, de nich tau Städen was un den sine Städ hei innamm, un dacht, hei müßt em dorför gaud sin tidlewens. – Hawermann stunn an't apne Finster un kek in de Nacht herin, in grad so'ne dunstige Nacht, as't dunn was, as sin Hart för ümmer en Knick kregen hadd. Dunn was't sin Fru, nu was't sin Fründ, wer kamm nu? Kamm hei nu sülwst? oder kamm ... Ne, ne, dat kunn uns' Herrgott nich willen, denn wir hei doch de Negste dortau. – Un an den Aben satt Daniel Sadenwater un ded, wat hei sörre dortig Johr jeden Abend dahn hadd, un hadd en Korw mit sülwern Lepeln un Gaweln up den Schot, un up den Stauhl neben em lagg en Putzlappen un en blagwörpelt Snuwdauk, un hei putzte ümschichtig mit den Lappen de Lepeln un de Gaweln un mit den Snuwdauk de Ogen, un as hei de sülwerne Gawel in de Hand kreg, wo sinen Herrn sin Nam upstunn un de hei äwer dortig Johr jeden Abend putzt hadd, dunn würden em de Ogen so düster, dunn kunn hei't nich mihr recht seihn, wat sei blank wir oder nich, un hei set'te den Korw bi Sid un kek de Gawel an, bet dat em de Ogen ganz un gor äwergungen, un as hei sick besinnen ded, wat hei eigentlich dacht, dunn was't: wer nu woll mit de Gawel eten würd.

Un in all dese Unrauh un all dit Hartled slog de Parpendikel von de Stutzuhr sinen rauhigen Slag, as wenn de Tid an 'ne Weig satt un weigte ehr Kind sachten un säker in Slap, in den letzten. Un 't slep in, twei Ogen deden sick för ümmer tau, de düstere Vörhang tüschen hir und dor was lising dal gleden, un up des' Sid stunnen de armen Mätens un jammerten lud un reckten vergews de Arm ut nah dat, wat west was, un wrüngen de Hän'n üm dat, wat scheihn was. Fidelia smet sick äwer ehr Vaders Lik un jammerte un weinte, bet de Krämpfen sei äwerfelen. Franz namm sei vull Mitled tau Höcht un bröcht sei ut de Stuw', de beiden annern Swestern folgten in nige Sorgen üm ehren Leiwling, un Hawermann was allein mit Daniel Sadenwatern, un as hei den Doden de Ogen taudrückt hadd un nah 'ne Wil ok afgung mit sworen[151] Harten, satt Daniel t'en'ns dat Bedd un kek mit sin eben Gesicht in dat von sinen Herrn, wat noch ebener was, und de Gawel hadd hei noch in de Hand.

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 5, Rostock 1967, S. 134-152.
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