20. De Pirdkur

[62] Ick hadd en gauden Fründ, nu is hei dod,

Dat was en wohren Swerenot,

Hei was en Dokter, wenn ok keinen zünft'gen

Hei doktert blot de Unvernünft'gen,

Pirdokter was hei, Borchert heit hei,

Un up den Kirchhof liggen deiht hei.

Gott lat em dor nu selig rauhn! –

Na, de hadd vel enmal tau dauhn

Up einen Gaud, dat, wenn ok nich ganz dicht,

Doch ok nich wid von Wohren liggt.

Un up dat Gaud, dor wahnt – vör den'n, dei't weiten will –

Noch hüt tau Dag' Herr von April.

Herr von April, de hadd en krankes Pird,[62]

En Schimmelhingst un dusend Daler wirt,

Un dormit was hei noch nich tau betahlen;

Dat was dat beste Pird in sinen Stall.

Herr von April lett also Borchert halen,

Un sei bespreken nu den Fall

Un nebenbi noch ann're Fälle,

Dunn kümmt en Mäten 'rin, de hett en Teller

Mit Snaps un Botterbrod, dat höllt sei Borchert hen,

So as ein dat woll einen Knecht,

De uns 'ne Fuhr vull Tüften bröcht,

Nah'n Sadel rup tau langen pleggt.

»Min Döchting«, seggt uns' Borchert, »wenn

De Snaps un't Botterbrod för mi sall sin,

Denn nimm't man wedder mit, ick bün

Hüt morgen hungrig nich en Spir.«

Herr von April entschuldigt sick nu sihr.

»Ei, Borchert«, seggt hei, »nehmen Sie den Teller,

Ich habe leider keinen Wein im Keller,

Sonst würd ich sicher nicht verfehlen ...«

»Herr von April, wat helpt dat Quälen«,

Seggt Borchert, »frühstückt heww ick all,

Ick denk, wi gahn jetzt nah den Stall

Üm uns den Kranken tau beseihn.«

Na, dat ward denn nu ok gescheihn.

De Dokter, de bekikt dat Pird

Von un'n un baben, vörn un hinnen,

Befäuhlt dat rechtsch un linksch gelihrt,

Un as hei allens utstudiert,

Ward hei 'ne Tidlang sick besinnen. –

»Je«, seggt hei endlich tau Aprilen,

»De Hingst, de ded sick stark verküllen,

Hei hett 'ne schreckliche Kolik,

Un mit em steiht dat gor tau slimm.

Wenn Hülp nich kümmt den Ogenblick,

Denn sünd Sei üm dat Pird herüm.«

»Ich bitt' Sie, Borchert, retten Sie das Pferd,[63]

Das Pferd ist tausend Taler wert.

Mein Pferd! Mein Pferd! Mein schöner Hengst!

Sie glauben nicht, wie ich mich ängst'!

Gibt's denn nicht ein probates Mittel?

Heraus damit! Ich hab' ja Drittel!«

»En Mittel? Ja, en Mittel giwwt't,

Doch bet wi uns dat halen laten, bliwwt

De Hingst uns unn're Fingern dod.

Dat weit denn doch de Swerenot,

Dat just kein Rotwin in den Keller is!«

»Was? – Rotwein? – Wie? Ist das es bloß,

Bloß Rotwein? – Ih, den hab ich ja,

Sehr schönen Wein – Schatoh la ros'!

Ih, Borchert, Rotwein ist ja da!

Jehann! Mak tau, mak fix un gah

Hen nah den Hus' nah de Mamsell,

Dat sei uns glik hir up de Stell

So drad un fix in'n Ogenblick

'ne gaude Buddel Rotwin schick.« –

As nu de Bengel mit de Buddel kümmt,

Giwwt hei den Dokter sei, un dese nimmt

En Proppentrecker ut de Tasch herut,

Ahn desen reis't hei niemals ut,

Un makt denn ok de Buddel up

Un prauwt tauirst en lütten Drupp.

»Herr von April, de Win is echt.

Herr von April, ja, wie geseggt,

De Win is exzellent.« (Kluck, Kluck, Kluck, Kluck.)

Un wedder nimmt hei einen Sluck.

»Ja, Borchert, ja, der Wein ist gut.

Woll'n wir denn nicht einmal probieren,

Was er dem Hengst für Dienste tut?«

»Jawoll will'n wi em mal probieren«,

Seggt Borchert; set't nu mit en Ruck

De Buddel wedder an. (Kluck, Kluck, Kluck, Kluck.)

»Ja, Herr, dat is en schönen Win,[64]

De kann binah nich beter sin.

Schatoh la ros'! Jawoll, hir steiht't!

Ni drünk ick betern Win as dissen!

Hei is von Maßmann un von Nissen.

Wat doch so'n Win so glatt rin geiht!

Herr von April, so as ick mark:

De Win is äwerst woll sihr stark,

Hei hett gewiß so sine Mucken?«

Un wedder fängt hei an tau klucken.

»Ei, Borchert!« röppt Herr von April,

»Ei, Borchert, halten Sie doch still,

Sie haben ja die Flasche fast geleert,

Ich denk, der Wein soll für das Pferd?«

»För't Pird? Den Win för't Pird?

Den schönen Win för't unvernünft'ge Dirt?

Herr von April, wat denken Sei!

Schatoh la ros' för't unvernünft'ge Veih?

Dor denk ick anners!« (Kluck, Kluck, Kluck.)

Un drinkt de Buddel ut bet up den letzten Sluck

Un nimmt de Buddel von den Mund.

»Herr von April, Ehr Hingst is ganz gesund.«

Quelle:
Fritz Reuter: Gesammelte Werke und Briefe, Band 2, Rostock 1967, S. 62-65.
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