Am Rande der Nacht

[400] Meine Stube und diese Weite,

wach über nachtendem Land, –[400]

ist Eines. Ich bin eine Saite,

über rauschende breite

Resonanzen gespannt.


Die Dinge sind Geigenleiber,

von murrendem Dunkel voll;

drin träumt das Weinen der Weiber,

drin rührt sich im Schlafe der Groll

ganzer Geschlechter.....

Ich soll

silbern erzittern: dann wird

Alles unter mir leben,

und was in den Dingen irrt,

wird nach dem Lichte streben,

das von meinem tanzenden Tone,

um welchen der Himmel wellt,

durch schmale, schmachtende Spalten

in die alten

Abgründe ohne

Ende fällt...


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 400-401.
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[DAS BUCH DER BILDER] by (Author)Rilke, Rainer Maria on Nov-01-09