Das Bett

[625] Laß sie meinen, daß sich in privater

Wehmut löst, was einer dort bestritt.

Nirgend sonst als da ist ein Theater;

reiß den hohen Vorhang fort –: da tritt


vor den Chor der Nächte, der begann

ein unendlich breites Lied zu sagen,

jene Stunde auf, bei der sie lagen,

und zerreißt ihr Kleid und klagt sich an,


um der andern, um der Stunde willen,

die sich wehrt und wälzt im Hintergrunde;

denn sie konnte sie mit sich nicht stillen.

Aber da sie zu der fremden Stunde


sich gebeugt: da war auf ihr,

was sie am Geliebten einst gefunden,

nur so drohend und so groß verbunden

und entzogen wie in einem Tier.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 625-626.
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