Die Laute

[611] Ich bin die Laute. Willst du meinen Leib

beschreiben, seine schön gewölbten Streifen:[611]

sprich so, als sprächest du von einer reifen

gewölbten Feige. Übertreib


das Dunkel, das du in mir siehst. Es war

Tullias Dunkelheit. In ihrer Scham

war nicht so viel, und ihr erhelltes Haar

war wie ein heller Saal. Zuweilen nahm


sie etwas Klang von meiner Oberfläche

in ihr Gesicht und sang zu mir.

Dann spannte ich mich gegen ihre Schwäche,

und endlich war mein Inneres in ihr.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 611-612.
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