Kreuzigung

[581] Längst geübt, zum kahlen Galgenplatze

irgend ein Gesindel hinzudrängen,

ließen sich die schweren Knechte hängen,

dann und wann nur eine große Fratze


kehrend nach den abgetanen Drein.

Aber oben war das schlechte Henkern

rasch getan; und nach dem Fertigsein

ließen sich die freien Männer schlenkern.


Bis der eine (fleckig wie ein Selcher)

sagte: Hauptmann, dieser hat geschrien.

Und der Hauptmann sah vom Pferde: Welcher?

und es war ihm selbst, er hätte ihn


den Elia rufen hören. Alle

waren zuzuschauen voller Lust,

und sie hielten, daß er nicht verfalle,

gierig ihm die ganze Essiggalle

an sein schwindendes Gehust.
[581]

Denn sie hofften noch ein ganzes Spiel

und vielleicht den kommenden Elia.

Aber hinten ferne schrie Maria,

und er selber brüllte und verfiel.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 581-582.
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