2.

[751] So wie dem Meister manchmal das eilig

nähere Blatt den wirklichen Strich

abnimmt: so nehmen oft Spiegel: das heilig

einzige Lächeln der Mädchen in sich,


wenn sie den Morgen erproben, allein, –

oder im Glanze der dienenden Lichter.

Und in das Atmen der echten Gesichter,

später, fallt nur ein Widerschein.
[751]

Was haben Augen einst ins umrußte

lange Verglühn der Kamine geschaut:

Blicke des Lebens, für immer verlorne.


Ach, der Erde, wer kennt die Verluste?

Nur, wer mit dennoch preisendem Laut

sänge das Herz, das ins Ganze geborne.

Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 751-752.
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