Kindheit

[510] Es wäre gut viel nachzudenken, um

von so Verlornem etwas auszusagen,

von jenen langen Kindheit-Nachmittagen,

die so nie wiederkamen – und warum?
[510]

Noch mahnt es uns –: vielleicht in einem Regnen,

aber wir wissen nicht mehr was das soll;

nie wieder war das Leben von Begegnen,

von Wiedersehn und Weitergehn so voll


wie damals, da uns nichts geschah als nur

was einem Ding geschieht und einem Tiere:

da lebten wir, wie Menschliches, das Ihre

und wurden bis zum Rande voll Figur.


Und wurden so vereinsamt wie ein Hirt

und so mit großen Fernen überladen

und wie von weit berufen und berührt

und langsam wie ein langer neuer Faden

in jene Bilder-Folgen eingeführt,

in welchen nun zu dauern uns verwirrt.


Quelle:
Rainer Maria Rilke: Sämtliche Werke. Band 1–6, Band 1, Wiesbaden und Frankfurt a.M. 1955–1966, S. 510-511.
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Neue Gedichte - Der Neuen Gedichte anderer Teil.
Insel Taschenbücher, Nr.49, Neue Gedichte