[Ein bettelarmer, braver Mann]

[78] Ein bettelarmer, braver Mann,

Der Tag und Nacht nur Gutes sann

Und gar nichts mehr zu essen hatte

Als eine halbverweste Ratte,

Der auch kein Bett besaß zum Schlafen,

Der ging in seiner höchsten Not

Zu einem reichen, stolzen Grafen

Und bat ihn um ein Stückchen Brot.

Der Graf nahm das gewaltig übel

Und schlug mit dem Champagnerkübel

Den braven Bettler lächelnd tot.

Doch niemand wagte es, den Grafen

Für solche Freveltat zu strafen.[78]

Und deshalb wurde sein Betragen

Dann mit den Jahren noch viel schlimmer. –


So manchen Leser hör' ich sagen:

Ja, ja! – ja, ja! – So ist das immer!


Ich aber denke still für mich:

Der Leser ist ein Gänserich.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 78-79.
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