Entomologische liebe

[396] Ein Käfer, den ich kenne,

Die Goldhenne,

Spritzt einen üblen Saft.

Ich habe mir eine Betthenne –

Nein, Bettpfanne angeschafft.


Nur zur eigenen Benützung,

Nicht etwa zur Unterstützung

Dieses Käfers, der bei Tag und Nacht

Neben meinem Krankenlager steht

Und sich freut, wenn es mir naß ergeht.


Eingefangen in ein Glasgebäude

Lebt er. Ich verstehe seine Freude.[396]

Wenn er nie in Freiheit bei mir sitzt,

So doch nur, weil er so übel spritzt.


Doch nachdem ich nun seit sieben Wochen

Ihm durchs Glas so freundlich zugesprochen,

Weiß er schon, daß ich ihn Goldfink nenne.


Wir sind Schicksalskameraden.

Demnächst will ich meine Goldhenne

Zu Bettpfannkuchen einladen.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 396-397.
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