Großplatztauben

[425] Auf großen Plätzen in den Städten

Mästen sich Taubenschwärme.

Es gehen knurrend manchmal Gedärme

Vorbei, die nur ein solch Federvieh

Gar zu gern und gebraten hätten.


Man erziehe rechtzeitig sein Kind

Zu der Liebe zu allen Tieren.

Kinder, die schön angezogen sind,

Sollen mit reichgekleideten Müttern

Tauben öffentlich hätscheln und füttern

Und sich dabei

Neckisch und lieblich photographieren

Lassen. – Spatzen sind vogelfrei.


Ich habe vor markusplatzigen Tauben

Etwas Angst wegen meines Hutes.

Ich kann mir nicht viele Hüte erlauben.

Ich wünsche den Photographen nur Gutes

Und den Müttern auf der Parade –

Nicht ihrem Kind –

All das, wofür meine Hüte zu schade

Sind.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 425-426.
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