Meine alte Schiffsuhr

[430] In meinem Zimmer hängt eine runde,

Alte, achteckige Segelschiffsuhr.

Sie schlägt weder Glasen noch Stunde.

Sie schlägt, wie sie will, und auch nur,


Wann sie will. Die Uhrmacher gaben

Sie alle ratlos mir zurück;

Sie wollten mit solchem Teufelsstück

Gar nichts zu tun haben.
[430]

Und gehe sie, wie sie wolle,

Ich freue mich, weil sie noch lebt.

Nur schade, daß nie eine tolle

Dünung sie senkt oder hebt


Oder schüttert. Nein, sie hängt sicher

Geborgen. Doch in ihr kreist

Ein ruhelos wunderlicher

Freibeuter-Klabautergeist.


Nachts, wenn ich still vor ihr hocke,

Dann höre ich mehr als Ticktack.

Dann klingt was wie Nebelglocke

Und ferner Hunds wachenschnack.


Und manche Zeit versäume

Ich vor der spukenden, unkenden Uhr,

Indem ich davon träume,

Wie ich mit ihr nach Westindien fuhr.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 430-431.
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