Wie machen wir uns gegenseitig das Leben leichter?

[371] Wir haben zu großen Respekt vor dem,

Was menschlich über uns himmelt.

Wir sind zu feig oder sind zu bequem,

Zu schauen, was unter uns wimmelt.


Wir trauen zu wenig dem Nebenuns.

Wir träumen zu wenig im Wachen.

Und könnten so leicht das Leben uns

Einander leichter machen.


Wir dürften viel egoistischer sein

Aus tierisch frommem Gemüte. –

In dem pompösesten Leichenstein

Liegt soviel dauernde Güte.


Ich habe nicht die geringste Lust,

Dies Thema weiter zu breiten.

Wir tragen alle in unsrer Brust

Lösung und Schwierigkeiten.

Quelle:
Joachim Ringelnatz: Das Gesamtwerk in sieben Bänden. Band 1: Gedichte, Zürich 1994, S. 371.
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