Scena II.

[229] Eudocia, Alexander, etwas darnach Paris.


EUDOCIA gehet sehr betrübt auff mit jhrem Bruder. O weh mir Elenden hochbedrübten Jungfreuwlein! O wehe mir vnglückseligsten Creatur /! Will denn daß wanckelbahre Glück nicht einmahl auffhören mich armes vnnd vielgeplagtes Geschöpff zu tormentiren vnd zu quelen / Ach grimmiger Todt / Ach bitterer Todt / fahe doch einmahl an dich mein zu erbarmen / vnd meinem vnseligen Leben sein so offt gewünschete endschafft zu geben.

ALEXANDER. Wie denn vielgeliebte Schwester / ist des heulens vnd weinens kein ziel / kein Masse noch Ende? Warlich / ob schon die schwehre Hertzens Seufftzer vnd bittere Tränen noch so heuffig hervor gelassen werden / Vermügen sie doch nicht auch des allergeringste Vnglück von vns abzuwenden.

EUDOCIA. Ach ja hertzvielgelibter Bruder / ich kan solches alles sehr woll erkennen / aber ich bitte fleissig / der Bruder wolle doch selber bey sich erwegen / ob ich nicht gnugsam Fueg vnd Vrsachen habe meinen jtzigen zustandt zuverfluchen / in betrachtunge ich deßjenigen / der mich mehr vnd höher alse seine eigne Seel geliebet hat / den auch ich hinwiederümb vor alle andere so vnter der Sonnen leben mit gleichmessiger Bestendigkeit zu lieben verobligiret bin / gantz vnd gahr muß beraubet sein; Nun vermeinte ich zwar es wehre mir ja dieses Trübsahls vnd Vnglücks genug / so muß noch dieses dazu kommen / daß der jenige der mir ein so grosses Hertzeleydt hat zu gerichtet / mich[230] jhn lieb zu haben noch gleichsahm dazu zwingen will / solte denn daß nicht mein Hertz quehlen / ja die grösseste Traurigkeit vnd Bekümmernusse setzen? Poris gehet auff gahr betrübet stehet alleine auff der Ecken des Theatri sicht auch die Kinder nicht.

ALEXANDER. Jch muß zwahr bekennen / vielgeliebte Schwester / daß was sie anjtzo vorgebracht deme allem sey also / aber doch / so muß sie auch mitten in den allergrössesten Wiederwertigkeiten / ein hertzhafftes vnd mänliches Gemühte ergreiffen / denn ich der gäntzlichen Hoffnung gelebe / Die Götter werden alles daßjenige / was vns bißhero in so vielen vnnd mancherley anfechtungen wiederfahren / zu einem gewünscheten vnd glückseligen Ende kommen lassen / Aber / sich da / wehr ist der? Jst daß nicht vnser Herr Vater.

EUDOCIA. Ja wahrlich er ists / Er stehet über alle massen traurig vnd betrübet / laß vns geschwinde hin zu jhm gehen.

ALEXANDER vnd EUDOCIA. Glück zu allerliebster Herr Vater.

PORIS. Sich da mein liebste Kinder / finde ich euch beyde hier so gahr alleine?

EUDOCIA. Ach hertzvielgeliebter Herr Vater / in grosser schwermütigkeit seyn wir alhie bey einander / denn leyder ich bey diesem meinem Trübseligen Zustande nichts anders zu thun weiß alß mein grosses elendt vnd jammer zu beklagen.

PORIS. Ach mein allerliebste Tochter / sey doch nicht so kleinmütig vnd verzagt / fasse doch ein Hertz / lasse dich[231] die mannigfaltige Wiederwertigkeiten nicht so gahr vberwinden / Weist du nicht das der Mensch zum Vnglück gebohren? Wolan zweiffele nur nicht / es wird bald / bald die finstere Wolcke der Trübseligkeit vergehen / vnd hergegen die helscheinende Sonne der offtgewünscheten Glückseligkeit auffgehen vnd wiederumb hervorbrechen.

ALEXANDER. Vnd eben daß ist es Herr Vater / daß ich jhr bey solchem stetem lamentiren / Seufftzen vnnd weinen zu gemühte führe sie aber beklaget nichts so sehr / als daß eben derjenige / der sie vnd vns / in so grosse vnd vielfeltige Trübsahl gesetzet hat / sie dennoch jhn lieb zu haben / gleichsam mit gewalt noch dazu zwingen will.

PORIS. Ja Alexander mein Sohn / es ist mir dieses alles sehr wol bewust / habe auch mit grosser Verwunderung der vnverschämten vermessenheit des Didæ wahr genommen / in dehme er sich hatt vnterstehn dörffen deine Schwester zu bereden / daß sie den vortrefflichen / auffrichtigen vnd weitberühmten Printzen Demetrium verlassen vnnd hindansetzen / im gegentheil dem Tyrannischen vnd Ruchlosen Perseo, der nicht allein den gantzen Königlichen Hoff / besondern vielmehr daß gantze Reich turbiret vnd verwirret / jhre liebe vnd hülde geben solte / welches gleichwol in alle ewigkeit nicht gesehen soll / vnd würde gleich Perseus rasent vnd vnsinnig darüber / denn ob er mich gleich bey Jhrer Könnigl[ichen] Majestätt dermassen angegeben / daß ich auß der so grossen gnade / in welcher ich mich zu allen vnd jeden Zeiten bey deroselben befunden / nun mehr in die höchste disgratiam bin gefallen / so tröste ich mich doch meines guten gewissens / halte demnach gäntzlich so davor / es werde daß allerbeste mittel sein / die grosse durch jhn im Macedonischen Reiche erweckete vnruhe vnd turbation zustillen / daß man einen General Landtag außschreibe[232] / die sambtliche Stände von allen dingen gründlichen berichte / den Printzen Demetrium (der jhm am allerbesten kan wiederrstehen) von Rom erfodere / vnnd also gegenwertige regierung in etwas reformire vnd auff einen anderen Fueß setze. Vnter dessen aber will ich dich meine liebste Tochter gantz väterlich ermahnet haben / du wollest ja bey deiner einmahl gegebenen Treuw festiglich verharren / vnd dich weder Glück noch Vnglück / weder Trübsahl noch Wiederwertigkeit von dem hochlöblichem Printzen Demetrio abwendig machen lassen.

ALEXANDER. Ach ja vielgeliebte Schwester / dazu wil auch ich sie auffs Treuwlichste vnd Brüderlichste ermahnet / Ja durch alle Götter gebehten haben.

EUDOCIA fellet auff jhr Knie / siehet gehn Himmel / strecket jhre beyde Finger auß vnnd schweret gantz frölich. Allerliebster Herr vnd Bruder / ich gelobe vnd schwere alhie vor allen Himlischen Götteren vnd euch / vnd daß bey meiner reinen Jungkfrauwschafft / daß ich die Liebe vnd Treuwe / welche ich den vortrefflichen Macedonischen Printzen Demetrio einmal angelobet vnd zugesagt / in eiwigkeit nicht brechen / besondern stets vnd feste halten will / vnd dafern daß Glück die geniessunge vnserer getrewen Leibe würde verhinderen / so verspreche ich der aller keuschesten Göttinnen Vestæ, jhr meine vnbefleckte Keuschheit vnd Jungfrauwschafft die Zeit meines Lebens auff zu opffern / doch also / daß ich vnterdessen meines allertreuwsten Liebhabers ewiglich nicht vergesse.

PORIS. Die vnsterblichen Götter wollen ja jhrem allerheiligsten willen nach diesen Eydt festiglich bekrefftigen.[233]

ALEXANDER. Vielgeliebte Schwester / die Götter werden jhnen solche vngefärbte Trew wolgefallen lassen.

PORTS. Stehe auff meine Tochter / stehe auff Er richtet sie auff. wir wollen hinein gehen / vnnd auff mittel vnd wege bedacht sein wie dem Vnglücke zu wehren / vnd wir in die vörige Glückseligkeit gesetzet werden. Sie gehen zugleich ab.


Quelle:
Johann Rist: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1972, S. 229-234.
Lizenz:
Kategorien: