Andächtiges Lob- und Danklied, welches ein jedweder Christlicher Hausvatter und Hausmutter mit ihren Kindern und Gesinde nach vollbrachter Mahlzeit frölich können singen, auff die Weise des bekanten Tisch-Gesanges

[273] O Gott, wir danken deiner Güht, u.s.w.


1.

Nun ist die Mahlzeit vollenbracht,

Wir haben schon gegessen.

Mein Gott, du hast es wol gemacht,

Nach dem du zugemessen

Itz jedem sein bescheiden Theil;

Du labtest uns für kurtzer Weil'

Aus mancherlei Gefässen.


2.

Wie groß ist deine Freündligkeit,

Wie herrlich deine Gühte,

Welch' uns versorgt zur jeden Zeit

Den Leib und das Gemühte.

Du Lebensfreund, du Menschenlust,

Du füllest unsre matte Brust

Und stärkest das Geblühte.


3.

Du thust des Himmels Fenster auff

Und gibst uns deinen Segen

So mild', daß sich der Speisen Hauff'

Auff unsern Tisch muß legen.

Da steht die Kost auf dein Geheiß:

Wen solte das zu deinem Preiß,

O Vatter, nicht bewegen?


4.

Dem Viehe gibst du Futter satt,

Ja speisest gar die Raben,

Wenn sie noch bloß, jung, schwach und matt

Sich gerne wolten laben.

Herr, du thust auff die milde Hand

Und gibest, was das gantze Land

Zum Auffenthalt muß haben.


5.

Für solche Guhtthat wollen wir,

Wie liebe Kinder müssen,

Von gantzer Seelen danken dir

Und unsre Mahlzeit schliessen

Mit einem kurtzen Lobgedicht':

O treüer Gott, verschmäh' uns nicht,

Wenn wir dich so begrüssen.


6.

Vergib uns unsre Missethat

Und gib, was wir begehren.

Schaff' uns, O Vatter, ferner Raht,

Daß wir uns ehrlich nähren:

Du kanst ja künfftig guhte Zeit,

Glük, Nahrung, Fried' und Einigkeit

Zur Nohtdurft uns bescheren.


7.

Laß endlich auf des Lammes Tisch'

In deinem Reich uns essen,

Wo tausend Gaben mild' und frisch

Du selbst uns wirst zumessen:

Da wird man schmekken Freud' und Ehr',

Und wir, HERR, wollen nimmermehr

Zu preisen dich vergessen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 273.
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