Ein Danklied zu Gott, daß Er unser Gebeht so gnädiglich erhöret und angenommen

[235] Dises kan auch gesungen werden auf die Melodei des Lides: Von Gott wil Ich nicht lassen.


1.

Ich wil den HERREN loben,

Sein Lob sol immerdar

Noch ferner stehn erhoben

Alß bei der Sterne Schaar:

Eß sol mein Hertz und Mund

Sich Gottes Güht erfreüen,

Ja weit und breit außschreien

Desselben Gnadenbund.


2.

Helft Mir den HERREN preisen,

Ihr Christen überall,

Mit wunderschönen Weisen,

Mit Instrumenten Schall'.

Er hat sein gnädigs Ohr

Mir zeitig zugewendet

Und Hülffe mir gesendet:

Drauf kam' Ich bald empor.


3.

Nur der ist wolbestanden,

Der Ihn hat angesehn,

Den keiner wird zu Schanden,

Der Ihm kan nahe gehn.

Da der Elende rief,

Hat Ihn der HERR erhöret,

In Lust Sein Leid verkehret,

Darin Er lag so rieff!


4.

Ach sehet doch und schmekket,

Wie Freündlich daß Er ist,

Wie fein Er uns bedekket

Für Satans Macht und List!

Er wachet üm uns her;

Wol dem, der auf Ihn bauet

Und seiner Gühte trauet,

Dem fält kein Kreütz zu schwehr.
[235]

5.

Des HERREN Augen sehen,

Waß der Gerechte macht;

Auch müssen offen stehen

Sein' Ohren Tag und Nacht.

Er höret Ihr Geschrei:

Wen Trübsahl Sie wil todten,

So hilft Er schnell auß Nöhten

Und macht Sie Sorgen frei.


6.

Der HERR ist nahe denen,

Die traurigs Hertzens sind.

Wie sich sonst Eltern sehnen

Nach Ihrem schwachen Kind',

Also nimt gnädig an

Zerschlagene Gemühter

Israels Hirt und Hühter,

Der alles heilen kan.


7.

Der HERR hat nicht verborgen

Sein Angesicht für Mir;

Den alß mein Hertz vol Sorgen

Sich selbst verzehrte schier,

Da trat Er bald herzu

Und stillte mein Verlangen;

Als Ich ein Hülff empfangen,

Da fühlt' Ich stündlich Ruh'.


8.

Er kennet ja den Jammer,

Der oft so grausahmlich

In diser Trähnenkammer

Verzehret Dich und Mich.

Drum ist mein Hertz gewiß,

Daß Er auf Alles merket

Und die Betrübten stärket

In Ihrer Kümmerniß.


9.

Laß gnädig dir gefallen,

Du meines Lebens Hort,

Diß meiner Zungen Lallen:

Es sind dein' eigne Wohrt.

Ach nim Sie von mir an,

Dieweil Mir wil geziemen

Von Hertzen dich zu rühmen,

So lang' Ich reden kan.


10.

Man lobt dich in der Stille,

Du Sions Schutz und Heil:

HERR, hilf, daß Ich erfülle,

Waß Ich zu meinem Theil

Dir kindlich leisten sol.

Immittelst laß für allen

Diß Opffer dir gefallen,

So werd Ich Jauchtzens vol.


11.

Das ist ja meine Freüde,

Daß Ich im Glükk und Noht

Von meinem Gott nicht scheide.

Und ob Mich gleich der Tod

Hinriss' auß diser Welt,

Bleib Ich doch Gott ergeben;

Der friste Mir mein Leben,

So lang es Ihm gefält.


12.

Wie kan Ich dir bezahlen,

HERR, deine Güht' und Treü?

Eß sol zu tausend mahlen

Mein Danklied werden neü.

Auf, meine Seele, fohrt,

Dem HERREN wil Ich singen,

Laß Himmelslieder klingen

Mit Freüden hier und dort.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 235-236.
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