Ein trauriger Grabgesang

[215] O Traurigkeit,

O Herzeleid!

Ist das nicht zu beklagen?

Gott des Vaters einigs Kind

Wird ins Grab getragen.

O große Not!

Gott selbst ligt tot,

Am Kreuz ist er gestorben,

Hat dadurch das Himmelreich

Uns aus Lieb' erworben.

O Menschenkind,

Nur deine Sünd'

Hat dieses angerichtet,

Wie du durch die Missethat

Warest ganz vernichtet.

Dein Bräutigam,

Das Gotteslamm,

Ligt hie mit Blut beflossen,

Welches er ganz mildiglich

Hat für dich vergossen.[215]

O süßer Mund,

O Glaubensgrund,

Wie bist du doch zuschlagen!

Alles, was auf Erden lebt,

Muß dich ja beklagen.

O lieblichs Bild,

Schön, zart und mild,

Du Söhnlein der Jungfrauen,

Niemand kan dein heißes Blut

Sonder Reu' anschauen.

Hochselig ist

Zur jeden Frist,

Der dieses recht bedenket,

Wie der Herr der Herlichkeit

Wird ins Grab versenket.

O Jesu, du

Mein' Hülf und Ruh',

Ich bitte dich mit Thränen:

Hilf, daß ich mich bis ins Grab

Möge nach dir sehnen!

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 215-216.
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