Hertzinnigliches Lob- und Danklied nach Empfahung des Hochwürdigen Heiligen Abendmahls

[228] Dises kan man auch singen auf die Melodei des schönen DankPsalmens: Nun lobe, meine Seele, den Herren.


1.

Wie wol hast du gelabet,

O liebster Jesu, deinen Gast,

Ja Mich so reich begabet,

Daß Ich itz fühle Freüd und Rast.

O wundersahme Speise,

O süsser LebensTrank,

O Liebmahl, das Ich preise

Mit einem Lobgesang,

In dem es hat erquikket

Mein Leben, Hertz und Muht:

Mein Geist, der hat erblikket

Das allerhöchste Guht.
[228]

2.

Du hast Mich itz geführet,

O HERR, in deinen Gnadensahl

Daselbst hab Ich berühret

Dein edle Güter allzumahl:

Da hast du Mir vergebens

Geschenket mildiglich

Das wehrte Brod des Lebens,

Daß sehr ergetzet Mich;

Du hast Mir zugelassen,

Daß Ich den SeelenWein

Im Glauben möchte fassen

Und dir vermählet sein.


3.

Bei dir hab' Ich gegessen

Die Speise der Unsterbligkeit,

Du hast Mir vol gemessen

Den edlen Kelch, der Mich erfreüt.

Ach Gott, du hast erzeiget

Mir Armen solche Gunst,

Daß billig itz sich neiget

Mein Hertz für LiebesBrunst;

Du hast Mich lassen schmekken

Das köstlich Engelbrod:

Hinfohrt kan Mich nicht schrekken

Welt, Teüfel, Sünd' und Tod.


4.

So lang' Ich leb auf Erden,

Preis' Ich dich, liebster Jesu, wol,

Daß du Mich lässest werden

Von Dir und durch Dich satt und vol.

Du hast Mich selbst getränket

Mit deinem theüren Bluht'

Und Dich zu Mir gelenket,

O Unvergleichlichs Guht!

Nun werd' Ich ja nicht sterben,

Weil Mich gespeiset hat,

Der nimmer kan verderben,

Mein Trost, Schutz, Hülff' und Raht!


5.

Wie kan Ichs aber fassen,

Herr Jesu, daß du mit Begier

Dich hast so tieff gelassen

Vom HimmelsSahl herab zu mir?

Du Schöpffer aller Dinge

Besuchest deinen Knecht:

Ach hilf, daß Ich dir bringe

Ein Hertz, das from und schlecht,

Das gläubig dir vertraue,

Damit nach diser Zeit

Ich ja dein Antlitz schaue

Dort in der Ewigkeit.


6.

Du bists, der ewig bleibet,

Ich aber bin dem Schatten gleich,

Den bald ein Wind vertreibet;

Herr, Ich bin arm, und du bist reich.

Du bist sehr groß von Gühte,

Kein Unrecht gilt bei dir;

Ich Bößhaft von Gemühte

Kan fehlen für und für:

Noch kommest du hernieder

Zu mir, dem Sündenman.

Waß geb Ich dir doch wieder,

Das dir gefallen kan?


7.

Ein Hertz, durch Reü zerschlagen,

Ein Hertz, das gantz zerknirschet ist,

Das – weiß Ich – wird behagen,

Mein Heiland, dir zur jeden Frist.

Du wirst es nicht verachten,

Demnach Ich emsig bin

Nach deiner Gunst zu trachten:

Nim doch in Gnaden hin

Das Opffer meiner Zungen,

Den billich wird itzund

Dein theürer Ruhm besungen,

Herr Gott, durch meinen Mund.


8.

Hilf ja, daß dis geniessen

Des edlen Schatzes schaff in mir

Ein unaufhörlichs Bühssen,

Daß Ich Mich wende stets zu dir.

Laß Mich hinführo spühren

Kein andre Liebligkeit,

Alß welche pflegt zu rühren

Von dir in diser Zeit.

Laß mich ja nichts begehren

Alß deine Lieb und Gunst,

Den niemand kan entbehren

Hie deiner Liebe Brunst.
[229]

9.

Wol Mir! Ich bin versehen

Mit Himmelspeis' und Engeltrank:

Nun wil Ich Rüstig stehen,

Zu singen dir Lob, Ehr' und Dank.

Ade, du Weltgetümmel,

Du bist ein eitler Tand;

Ich seüfftze nach dem Himmel,

Dem rechten Vatterland'.

Ade, dort werd Ich leben

Ohn Unglükk und Verdruß:

Mein Gott, du wirst Mir geben

Der Wollust überfluß.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 228-230.
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