Psalm 34, 9.

[315] Schmekket und sehet, wie freundlich der Herr ist.


Melodie: Du LebensFürst, Herr Jesu Christ.


1.

Auf, meine Seel', und rüste dich,

Dem Schöpfer darzugeben

Dich selbst zur Wohnung säuberlich,

Auf daß er müge leben

In dir und giessen Seine Güht'

Aus grosser Lib' in dein Gemüht:

O HimmelsSchatz', O Gaben,

Welch' uns für alles laben!


2.

Gott ist ein Ewigs, liblich Guht,

Gott ist gantz vollenkommen,

Der uns in Seine Gnadenhuht

Hat väterlich genommen.

Doch wird Er nicht nur so genant:

So wil Er werden auch erkant,

Versteh': in wahren Glauben,

Den uns kein Feind kan rauben.


3.

Wie sol ich aber als ein Knecht,

Der seines Herren Willen

Zwahr weis, doch nicht erfüllet recht,

Mein Seelichen hie stillen?

Ich mus, Herr, Deine Süssigkeit,

Ja Güht und Trost in diser Zeit

Erst schmekken und empfinden:

Den kan ichs fein ergründen.


4.

Wie komm' ich aber wol dazu,

Daß ich in meinem Hertzen

Empfinde solchen Fried' und Ruh,

Demnach ich so viel Schmertzen

Von wegen meiner Missetaht,

Die mich sehr hart beschwehret hat,

Muß Tag und Nacht erleiden,

Auch allen Trost itz meiden?


5.

Der Satan treibt zur jeden Zeit

Sein Werk in mir mit Prangen,

Mit Geitzen, Wollust, Zorn und Neid'.

O Gift der alten Schlangen!

Du must heraus, so wird bekehrt

Mein arme Seel' und recht gelehrt,

Wie herlich sie für allen

Dem Schöpfer kan gefallen.


6.

Dem Herren mus ich hangen an,

So lang' ich leb auf Erden;

Ich wil, so viel ich immer kan,

Mit Ihm ein Geist auch werden.

Ich bin doch gäntzlich itz bedacht,

Der Welt zu geben gute Nacht,

Nur Gott mich zu gelassen,

Die Wollust stets zu hassen.


7.

Wen Welt und Wollust gehn heraus,

Alsden bezieht mit Freuden

Der Schöpfer Seiner Seelen Haus,

Schnel mus das Eitle scheiden.

Die stille Seel' ist rein und frei;

Bald geust in Sie vol Lieb' und Treu

Der grosse Menschenhühter

Den Reichthum Seiner Gühter.


8.

Ach kommet, schmekket, sehet doch,

Wie freundlich Sich erzeiget

Der fromme Gott, der täglich noch

Vom Trohn des Himmels steiget

Und senket Sich in unsre Seel':

O wundersüsses Freudenöhl',

O Trost, O liblichs Wesen,

Durch Dich kan man genesen!
[315]

9.

Es kan ja niemand ohne Dich,

Mein Schöpfer, Dich erkennen;

Den wo Du selbst nicht lehrest mich

In Deiner Libe brennen,

So weis' ich nichts. Wen aber Du

Bist meiner Seelen Licht und Ruh,

So prang' ich wol vergnüget

Gleich dem, der obgesieget.


10.

Hinweg, O Welt, mit deiner Pracht,

Hinweg mit deinen Schätzen!

Mein Jesus, der mich freudig macht,

Der kan mich recht ergetzen.

Er ist und bleibt das höchste Guht,

Das grosse Wunder an mir tuht,

Das Fried und Trost mir schikket,

Das Ewig mich erquikket.


11.

Ach kommet, schmekket, seht doch nur,

Wie freundlich Sich erweiset

Der Schöpfer Seiner Kreatur,

Welch' Ihn drum hertzlich preiset.

Mein Gott, ich bin in Lib' entzükt:

Ach laß mich werden hingerükt

Zu Dir, ach laß mich gehen,

Dein' Herligkeit zu sehen.


Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 2, Hildesheim 1964, S. 315-316.
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