An Meister Hämmerling

[191] Wunder-Wunder-Wunderding!

Unser Meister Hämmerling

Treibt doch gar zu grobe Possen:

Daphnis muß ihm sein geschossen

Zweifelsfrei mit Liebespfeilen,

Weil er durch der Liebe Scherz

Könne sein getreues Herz

Unter so viel Nymphen theilen.

Ja, dieß kan nicht anders sein!

Daphnis ist durch Liebespein

An dem linken Ohr entzündet;

Hämmerling hat das ergründet,

Hämmerling, das Haubt der Narren,

Der so gar verstehet nicht,

Was nur heiß' ein Kunstgedicht,

Wil doch immer mit drein schnarren.

Hämmerling der redet wahr!

Solten nicht ein zwanzig Par

Der begabten Schäferinnen

Ihren Daphnis lieb gewinnen,

Der sie niemals zwar gesehen?

Gönnet ihnen doch den Preis,

Weil er ihre Namen weiß,

Welch' in vielen Büchern stehen.

Fillis komt aus Frankreich her,

Perlemund weit übers Meer,

Florabell' aus welschen Landen,

Galathe ist da gestanden,[191]

Wo Diana pflag zu baden,

Rosimind' ist spanisch gar,

Lilliet hat hundert Jahr

Und wol mehr auf sich geladen.

Wär' es nicht ein feines Stück,

Sein Gewissen, Ehr' und Glück

So gar liederlich verscherzen?

Nein, man nimt dieß mehr zu Herzen,

Als die Venusnarren pflegen.

Namen sind es und nichts mehr.

Daphnis suchet Kunst und Lehr'

Aus der Sprachen Grund zu legen.

Ronsard und der Theophil

Führten ihn zu diesem Ziel,

Und Petrarch hat ihm gewiesen,

Wie die Tugend wird gepriesen.

Hat er nun die Schäferinnen

Schon gerühmet? Ei, wolan,

Tugend trieb ihn, welche kan

Auch ein steinern Herz gewinnen.

Wunder-Wunder-Wunderding,

Daß der Meister Hämmerling,

Der sonst wolbekante Hase,

Geht davon mit einer Nase

Länger als des Daphnis Prügel.

So recht! Nunmehr wirds geschehn,

Daphnis Lieder werden stehn

Ewig auf der Musen Hügel.

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 191-192.
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