Auf den herannahenden Frühling

[180] Ei, nun wil ich lassen schwinden

Alle Sorg' und Traurigkeit,

Weil die schöne Frühlingszeit

Sich nun bald wird lassen finden,

Weil der Winter wird vergehen,

Eis und Schnee zu Wasser wird,

Und die Gärten wolgeziert

Sind sehr lieblich anzusehen.

Hievon thut die Zeitung bringen

Aller Vögel Frölichkeit,

Die zu dieser Frühlingszeit

Ihre Stimmlein lassen klingen,

Da die Lerchen sich erfreuen,

Da der Baur zu Felde zeucht

Und aus Scheu'r und Ställen kreucht

Der Menalkas mit den Säuen.

Alles thut jetzt mutig werden,

Es komt wieder an den Tag,

Was zuvor verborgen lag

In dem tiefen Kot der Erden;[180]

Man sicht alles hervor kriechen,

Kraut und Blumen mannigfalt,

Die so lieblich von Gestalt

Und anmutig sind zu riechen.

Ei, so wil ich in den Garten

Mit dem schönen Saitenspiel

Und der andern Kurzweil viel

Nur der Frölichkeit abwarten.

Ich wil suchen solche Gsellen,

Die da wissen Lust und Freud'

In der grünen Frühlingszeit

Fein gebührlich anzustellen.

Laßt uns guten Wein hergeben;

Lauten, Geigen, Jungfräulein

Müssen alle bei uns sein;

Das ist recht Studentenleben.

Wer solt das nicht lieber wollen,

Als arbeiten Nacht und Tag,

Stetig führen große Klag?

Wer weiß, wann wir sterben sollen!

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 180-181.
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