Trost-Reimen an H. Hieronymum Snitker

[170] Herr, wenn es müglich wär', itz völlig zu vertreiben

die Schmerzen, die so gar eur Vaterherz zerreiben,

daß kaum mit Worten ist zu zählen eure Pein,

so wolt' ich euch mit Hand und Mund zu Diensten sein:[170]

Ich aber, der ich selbst, und zwar vor wenig Jahren,

was diese Schmerzen sind, mit Schmerzen hab' erfahren,

verdecke gleich die Not und wil zu dieser Frist

nur kürzlich zeichnen an das, was euch tröstlich ist.

Ihr wisset, werter Freund, daß alles, was wir sehen,

nachdem es seine Zeit gestanden, muß vergehen;

das eine lebt und schwebt, das andre fällt und bricht;

die schöne Sonne selbst bleibt ja beständig nicht.

Der Sommer ist dahin, die bunten Blumen sterben;

wir sehen Kräuter, Bäum' und alles Laub verderben,

ja, was so frölich stund für einer kurzen Weil',

erliget itz vom Reif' und zwar in großer Eil.

Inmittelst weiß man doch, daß, was itzund verschwindet,

zur schönen Frühlingszeit sich alles wiedrum findet

und gleich aufs neue lebt. Dieß treibt den Ackersmann,

daß er so große Müh' im Herbst ertragen kan.

Da wirft er seine Saat ins feuchte Land mit Freuden,

er glaubet, wenn die Kält' im Lenzen nun muß scheiden,

so wachs' und grün' alsdenn sein Körnlein frisch daher;

dieß schaffet, daß ihm gar kein Arbeit fällt zu schwer:

So wird des Menschen Leib, wenn ihn der Tod abmeiet,

gleich wie das liebe Korn, in Schwachheit ausgestreuet

und stehet auf in Kraft, in Ehr' und Herlichkeit,

wenn Christus unser Herr zur allerletsten Zeit

Sein prächtigs »Stehet auf, die ihr vergraben liget«

läßt schallen durch die Luft und fein zusammen füget

den Geist und seinen Leib, der schon so manches Jahr

im tiefen Schoß der Erd' als Staub vergraben war...

Quelle:
Johann Rist: Dichtungen, Leipzig 1885, S. 170-171.
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