Dritte Scene.

[30] CHOR DER BACCHANTINNEN.

Heil dem Gotte, dem Dionysos!

Nieder ist er zur Erde gestiegen,

Und es beginnt der festliche Reih'n.

Löset die Locken und lasset sie fliegen

Wild um die Schläfe!

Evan, evoe!

Tanzt zu der Fackeln rothglühendem Schein.


Heil dem Gotte, dem Dionysos!

Laßt uns den Herrlichen jubelnd begrüßen,

Weinlaubbekränzt, so tritt er hervor!

Eilt ihm entgegen und stürzt ihm zu Füßen.

Heil sei dem Gotte!

Evan, evoe!

Schäumende Becher hebt sie empor!


Manfred, Manfred, funkelnder Stern!

Küsset den Staub zu den Füßen des Herrn!


Wiegt euch im Tanze, die Arme verschlungen,

Was ihm das Auge, das helle, erfreut –

Wie aus der Knospe die Rose entsprungen

Liebe sich gibt, von der Liebe bezwungen,

Zeiget die schönsten der Künste ihm heut'.


Sucht euch und flieht wie die flüchtige Hinde,

Bergt euer Antlitz im duftigen Flor,

Daß euch die Liebe, die sehnende, finde,

Leise dann, leis' aus des Schleiers Gewinde

Tretet in reizender Schöne hervor.[30]

Heil dem Gotte, dem Dionysos!

Nieder ist er zur Erde gestiegen,

Und es beginnt der festliche Reih'n.

Löset die Locken und lasset sie fliegen

Wild um die Schläfe!

Evan, evoe!

Tanzt zu der Fackeln rothglühendem Schein.

MANFRED.

Sieh, diese Welt, diese Welt ist mein!

Warst du von Schauern

Des Grabes umnachtet,

Warst du verschmachtet

In dumpfigen Mauern,

Nicht mehr sollst du die Tage vertrauern!

Sieh, diese Welt, diese Welt ist mein!

Wonn'ges Entzücken gehe dir ein!

GHISMONDE.

Gib mir Genügen,

Lasse mich trinken

Ewige Wonne in durstigen Zügen!

Laß mich versinken in seliger Lust!

Jetzt erst fühl' ich die Geister erwachen,

Die mir schliefen tief in der Brust!

Zündet der Fackeln rothglühenden Schein!

Mir nun die Kränze,

Mir nun das Ephen,

Mir nun den Becher mit schäumendem Wein!

CHOR DER PRIESTER UND CHORKNABEN.

Miserere nobis Domine.

GHISMONDE.

Weh' mir, haltet ein!

Was wollen die Töne,

Die herzbeklemmend herüber dringen?[31]

Nein, sie sollen mich nicht bezwingen!

Zündet der Fackeln rothglühenden Schein!

Mir nun die Kränze,

Mir nun das Epheu,

Mir nun den Becher mit schäumendem Wein!

MANFRED.

Wer wagt's, in diesem Haus die Lust zu stören?


Quelle:
Carl Reinecke: König Manfred. Leipzig [o. J.], S. 30-32.
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