Das IV. capitel.

[242] Das des gemeinen pöbels regiment gutem rat nicht folge.


"Das aber weiter ist gemeldt

Und das urteil also gefellt,

Als solt sein reich am besten sein,

Wenn mitregiert die ganz gemein

Und jederman nach seim gefallen

Zu tun und lassen hat in allen,

Zum richter, wen er will, erwelt,

Widr absetzt, wer ihm nicht gefellt,

Und leßt ihm gar nicht untersagen,

Will nach keim oberherren fragen:

Das ist meins bedenkens noch nicht

Vom besten reich der best bericht,

Sondern warhafte dienstbarkeit

Anstat der vermeinten freiheit.

Denn obwol an der alten welt

Uns die freiheit ser wol gefellt,

Da die leut fromm und witzig waren,

Wusten mit vernunft wol zu faren,

So hats doch itzt zu unser zeit

Gar viel ein ander glegenheit,

Da die bosheit nimt überhand,

Der mutwill zwinget alle land

Und nunmer ist dazu gekommen,

Das aufrur auch ist vorgenommen,

Seins gefallens neurung zu machen.

Kein freiheit dient zu solchen sachen,

Kein rat ists, das gemeine leut

One furcht hoher obrigkeit

Schlecht nach ihrem gutdünken leben,

Selbst das recht wie sie wollen geben. –

Denn obs gleich das ansehen hat,

Sie würden welen ihren rat,[242]

Der mit weisheit und recht regiert,

Dem sie gehorchen wies gebürt,

So bezeuget doch oft und viel

Die erfarung das widerspiel;

Denn ob sie gleich oftmals gern wolten

Vorsteher welen, wie sie solten,

So können sie doch überall

Nicht freiwillig schreiten zur wal,

Weil sie unbedachte hoffart

Mit groben stolz so wol verwart,

Das jederman in der gemein

Vermeint, er solt ihr könig sein.

Drum will niemand sein selbst vergessen,

Oder andern den hon zumessen

Als ob er wer ihr widerpart,

Das sein nicht übel werd gewart. –

Darnach so ist in solchem haufen,

Da Heinz und Kunz zusamen laufen,

Selten so viel witz und verstand,

Das man klugen für narren kant,

Und das nicht allerlei sciumpen

Zu sich erwelen ihre kumpen,

Und oft die besten bleiben sitzen;

Die schlimsten stellt man an die spitzen,

Oder vermengts, das man nicht weiß

Welcher koch oder kelner heiß,

Und da jedem sein weis gefellt,

Got geb wie es der ander anstellt.

Da maln zween harte mülenstein

Selten ihr korn wol klein und rein;

Selten der wagen auch fortkam,

Da einer vorn spant, der hinten an. –

Wies selbst gieng den klugen mantiern,

Da sie wolten regiment füren,

Darin ganz frei allerlei knaben

Solten zu tun und raten haben.[243]

Da nun der erste ratschlag war,

Wie man ihr stat bemauret gar

Und was man dazu brauch für ding,

Damit der bau endlich fortgieng,

Riet der maurer zu kalk und stein;

Der leimtreter zu ton und leim;

Der zimmerman zu bretern und stecken;

Der schustr wolt sein leder hinrecken;

Die lein- und wolnweber ihr gewand,

Wie man gezelt braucht auf dem land;

Der schneider ließ dies auch geschehen,

Er wolt die gezelt künstlich nehen;

Die becken meintn, es wer nicht recht,

Wo man nicht einen wall aufbrecht,

Das die windmülen stünden oben,

Unten ihr schweinstell und backofen;

Die fleischer fragtn mit ungestüm:

Wenn ihr freipletz wolt graben um,

Wo sollen unser ochsen weiden?

Das können wir und wollens nicht leiden.

Wolt ihr die ochsen helfen fressen,

Solt ihr der weid auch nicht vergessen!

Die bierbrauer die riefen all,

Man schütt ein koln- und trebernwall,

Wo lassen wir sonst grand und asch,

Weil sie nicht dient zur seif und wasch?

Wozu sein trebr und hefen nütz,

Wenn sie werden zur sauren grütz? –

Die weinhecker schrien: Die fest

Wird von weintrestrn aufs allerbest,

Die kan der wind so nicht verwehen;

Solchr wall bleibt ewiglich bestehen. –

Der glaser sprach: O nein, o nein,

Ich kan damit nicht einig sein;

Denn wo die schwein den wall auffressen,

So wird meiner kunst gar vergessen.[244]

Man sol die festung also bauen,

Das man dadurch die feind kan schauen,

Dazu wil ich die fenster machen.

Da fiengen sie all an zu lachen.

Der schmid sagt: Sollen fenster drein,

Eisengitter viel besser sein,

Die wil ich schmieden fein und fest,

Sonst uns kein dieb mit frieden leßt.

Die handelsleut ließens gut sein,

On das man speis, holz, eisen, stein

Und was zu dem ganzen bau kem

Von ihnen, nicht von fremden nem,

Die bauherrn nach dem loos erwelt.

So weren all ding recht bestellt. –

Die alten gaben zum bericht:

Wenn der von kunst das urteil spricht,

Der sie kan und bewiesen hat,

So geht es wol zu in der stat.

Der maurer sol die festung machen,

Das ander dient zu andern sachen.

Der bauherr muß auch sein geschwind,

Nicht wie man blind zugreift und findt;

Der wiß wie man bau fest und wol,

Wo man nemen und geben soll,

Was nötig ist zu allen sachen,

Und was man kan mit vorteil machen,

Der vorteil sei an fremder war

Oder bei seim nechsten nachbar.

Es gilt hie nicht, was mein, was dein,

Sondern was nutz ist der ganzn gemein.

All glieder müssen dem leib geben,

Soll er gesund bleiben und leben,

Wie ihm dienen all element,

Sonst würd mangeln kleid, speis und rent. –

Das half nichts, jeder zanket ser

Für seines handels nutz und er,

Weil er seinr geselschaft geschworen,

Wie er zu dem ratschlag erkoren,

In allen ihr bestes zu wissen;

Darauf er denn wolt sein geflissen,[245]

Den vorzug sonst keinem gestehen,

Es möcht denn wol odr übel gehen.

Die andern kein heller geben wolten,

Wenn sie nicht mit regieren solten.

So blieb one mauren die stat

Bei dem eigennützigen rat,

Der selbst nicht verstand was er riet,

Wolt doch haben ein frei gebiet.

Als bei den Tartaren geschehen

Und auf den dörfern ist zu sehen,

Insonderheit bein schwarzen bauren

An der herzischen Franken mauren.

Eignnutz verdirbet alle rechte,

Alln rat, geselschaft und geschlechte,

Eignnutz kirch-, stat- und hausregiment

Daheim verwirrt, bei fremden schendt.

Wie die merkatz, wenn sie fleisch schmeckt,

Ihren schwanz so lang beist und leckt,

Bis sie den und sich selbst verzert.

Schlegt denn eigennutz sein eigen schwert. –

Und wenn gleich einer drunter ist,

Der, was zu tun wer, sehr wol wüst,

Sparet für sich auch keinen fleiß,

Sondern ret das best, das er weiß,

Ja der sichs blutsaur werden leßt,

Das er fordert das gmeine best.

Als Krumrücker gesaget hat:

Bisweiln find Kolgart auch Wolrat.

Es wer auch gar ein wunderding,

Das, wie man sagt, nicht recht zugieng,

Wenn das ganze schützengelag

Fürsichtig schöß den ganzen tag

Und dennoch keiner tröf das blat.

So findt auch mancher guten rat,

Er findt aber niemand, der ihn hort,

Verdient nichts denn undankbar wort.[246]

Der gröste hauf, der nichts verstand,

Regierts und machts nach seiner hand,

Und solt gleich drum dieselbe stund

Die stat und land gehen zu grund,

Sprechen: Wir wollens haben schlecht,

Es sei denn gleich krumm oder recht.

Warum aber wissen sie nicht,

Sie wollens han, so wird bericht.

Darnach, wenn der schad ist geschehen,

So fahen sie an saur zu sehen,

Wollen den brunn füllen geschwind,

Wenn langst ersoffen ist das kind.

Wenn der wolf die schaf todt gebissen,

Wollen sie erst den stall verschließen.

Wie denn narren nie worden klug,

Ehe denn der schad hernacher schlug."
[247]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 1, Leipzig 1876, S. 242-248.
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