Das XVI. capitel.

Graukopf lobet ein regiment, darin ihr wenig der allerbesten die oberhand haben.


"Darum, sprach Graukopf, rat ich nicht,

Wie denn nach der leng ist bericht,[17]

Das wir also den könig meiden

Und keinen oberherren leiden;

Das überall der gmeine man

Solt sein frei tun und lassen han,

Oder es wird uns auch geschehen

Wie es den fischen pflegt zu gehen,

Die sich aus der pfan wollen schwingen

Und damit in das feur abspringen;

Wie jener wolt der trüpf entgehen

Und kam in platzregen zu stehen.

Viel nützer ist die mittelstraß,

Das man kein tyrannen zulaß,

Die übermeßige freiheit

Auch nicht verfür gemeine leut.

Weil die tyrannen zu weit gehen,

Und gemeine leut nichts verstehen,

Nur mit der tür fallen ins haus,

Welchs beides übel geht hinaus;

Sondern das man den mittelstand

Mit fleiß ersuch im ganzen land,

Daraus die allrbesten erwel,

Ihnen das regiment befel,

So viel man dazu tüchtig acht,

Und geb ihnen ein gleiche macht,

Das einer on des andern rat

Und volwort nicht zu gebieten hat,

Und alles, was man schließ im reich,

In aller nam gescheh zugleich.

Das ist mein rat auf diesen fall,

Hoff, ihr solt mir beifallen all. –

Denn das ist je gewißlich war,

Die ursach ist on all gefar,

Das ja die allerbesten leut

Das best raten zu aller zeit,

Das fromme erbare regenten

Der bösheit steurn an allen enden,

Das gerechtigkeit den platz behalt,

Da die gerechten han gewalt.[18]

Denn wie jeder geartet ist,

So ret und tut er jeder frist,

Und wies die herren stellen an,

So folgen auch die untertan;

Die reuter folgn ihrs obersten sitten,

Gleichwie sie nach der trummet ritten.

Dieweil aber kein weiser war,

Der es könt treffen immerdar

Und nicht einmal etwas anfieng,

Damit er ein torheit begieng,

Das ihm etwa mangelt bericht;

Oder kan den ausgang treffen nicht,

Darauf er sein rechnung gemacht,

Das übl geret, was wol bedacht;

Oder das ihn sein herz verfürt,

Wenn der affect die witz regiert,

Und nachmals sag, wenns ihm geraut:

Das hett ich warlich nicht getraut!

Wie denn kein weiser kopf gewesen,

Den nicht der narr hett überlesen.

So dient dazu auch dieser rat,

Der solch mittel dawider hat,

Das man einem das regiment

Nicht allein stellet in die hend,

Sondern von auserlesen mannen

Setzet eine anzal beisammen,

Das ander stets zuwider stehen

Denen, die zu weit wollen gehen,

Sie in guter ordnung behalten,

Lassen sich nicht vonander spalten;

Oder der gröste hauf denn schleust,

Obs gleich ihr wenigen verdreust.

Denn vormutlich ist dies das best,

Was ihm die meng gefallen leßt[19]

Unter den allerbesten leuten;

Obgleich wenig feilen zu zeiten.

Weil zwei augen mer sehn denn eins,

Das sich im fried trenne ihr keins

Und auch in widerwertigkeit

Wider den feind teilen den streit,

Das einer hie, der ander dort

Schaden vorhüt an allem ort,

Ander daheim im regiment

Ihm auch reichen hülfliche hend,

Und also auch in diesen sachen

Viel hend ein leichte erbeit machen,

Die einr allein nicht mag erheben.

Kein bessern rat weiß ich zu geben. –

Und das ein solche policei

Für andern all die beste sei

Und über alle hoch zu preisen,

Darf man nicht weitleuftig beweisen,

Dieweil got selbst in dieser welt

Dies für die beste ordnung helt.

Denn als got von den elementen

Auch wolt eins setzen zum regenten

Unter den untersten naturen,

Vorzustehen uns creaturen,

Bedacht er zu derselben zeit

In seiner höhesten weisheit,

Es wer nicht gut, das eins allein

Mer denn ander solt mechtig sein.

Denn das feur würd alles verbrennen,

Das wasser alles überrennen,

Die erd alles ganz unterdrücken,

Der wind alles reißen auf stücken;

Darum solten sie in dem reich

Einer dem andern sein geleich,

Das die erd kont den winden weren,

Das wasser des feurs flam verzeren,[20]

Dennoch die luft mit ihrem odem

Das wasser trüg samt dem erdbodem,

Und die drei wind und narung geben,

Das feur alles wermte zum leben;

Also getreu brüderschaft spielten,

Aller dinge wesen erhielten.

Wie die erfarung geben hat,

Das dies noch bleibet gottes rat

Und muß bleiben bis auf die stund,

Bis himmel und erd gehn zu grund. –

Wenn wir nun, als wir billig sollen,

Diesem exempel folgen wollen,

So welen wir, anstat der erd,

Welcher ernst man helt erenwert,

Die so fest auf die tugend halten

Und was gerümet ward bei den alten,

Das man die sonn ehe zurück brecht

Denn das man sie bereden möcht;

Für das wasser freundliche leut,

Die man erzürnt zu keiner Zeit,

Von welchen die kunst wird geert,

Die alle ding zum besten kert;

Anstatt des feurs manhafte held,

Denen kein mutwill wolgefellt,

Die nachdrücken mit ernsten strafen,

Wenn sonst kein mittel will rat schaffen;

Für luft aber und külen wind

Die wolberedte menner sind,

Die nicht allein den rat erquicken,

Alle sachen zur eintracht schicken,

Als wenn die sommerwindlein wehen,

Lieblich kelt in der hitz erregen,

Sondern können die ganz gemein

Auch bereden freundlich und fein,

Das sie gutwillig on beschwern

Ihren regenten folgen gern,

Oder den krieg mit macht anlaufen.

Der redener regiert den haufen. –[21]

Wie dies alles solcher gestalt

In allen tiern wird vorgemalt;

Das heupt ist auf tugend beflissen

Und drauet mit bösem gewissen,

Das herz ist barmherzig und mild,

Der gall und leber hitz ser wild,

Die lung und zunge wol beredt:

Also ir regiment besteht.

Darum rat ich, man folge nur

Got und dem gesetz der natur,

Erwele weise fromme leut,

Die wol regiern und lange zeit."
[22]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 17-23.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
Froschmeuseler (9 )
Froschmeuseler
Froschmeuseler, Volume 1 (German Edition)

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Sophonisbe. Trauerspiel

Sophonisbe. Trauerspiel

Im zweiten Punischen Krieg gerät Syphax, der König von Numidien, in Gefangenschaft. Sophonisbe, seine Frau, ist bereit sein Leben für das Reich zu opfern und bietet den heidnischen Göttern sogar ihre Söhne als Blutopfer an.

178 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang. Sechs Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.

468 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon