Das II. capitel.

Das der welt himmelisch regiment ein königreich sei.


"Denn das Graukopf hat angezogen

Von elementen, ist nicht erlogen:

Es will got nicht, das eins regier,

Sondern geselligen stand für.

Das er aber die elementen

Uns allen setzet zu regenten,

Will sie für weltherren ansehen,

Kan ich aus die weis nicht verstehen,

Weil ichs von sterneweisen leuten

Gar viel anders hab hören deuten.

Ich halt sie mer für untersassen,

Die ander sich regieren lassen

Und darum ihre sondre gaben

Also fein unterschieden haben,

Das eins dem andern dienen kan,

Mit geselliger hülf beistan.

Denn got in dieser großen welt[26]

Die gewonheit sonderlich helt,

Das, was dem einen teil gebrist,

Gar reichlich an dem andern ist,

Damit eins dürf des andern hand,

Der ander auch gern leist beistand;

Wie der blinde den lamen trug,

Sich beid also nerten mit fug

Und so fein an einander blieben,

Selber sich nicht jagten und trieben.

Wie an elementen zu sehen,

Die darum eintrechtig bestehen

Und sich nach gottes gewalt richten,

Sein untertan des himmelslichten. –

Wie man spüren kan sonderlich,

Das der wandelbar mond wunderlich

Ueber die element regiert,

Die er dem mond billig gebürt.

Wenn er zunimt, so wechsets all,

Wenn er abnimt, wirds dürr und schmal;

Wenn er von dem umkreis der erd

Sich wendet nach dem mittag wert,

So steigt gegn west das wasser wider,

Wenn er abgeht, so schwindets nider;

Er macht blitz, donner, regen, wind,

Wie ein hausmutter im gesind.

Jedoch kann er in diesen allen

Nichts machen nach seinem gefallen,

Sondern muß noch seine mitherren,

Die sechs planeten, dienstlich eren.

Insonderheit die schöne sonn,

Der sie alle sind untertan,

Weil sie mit ihres lichtes glanz

Allein den himmel füllet ganz;

Nach der richten sie ihren gang

Für sich, zurück, kurz oder lang.

Der morgenstern und der Mercur[27]

Gehen der sonnen nach und für

In ihrem zirkel, der nicht weicht,

Sondern nahe um die sonn herstreicht,

Als die geheime kammerret,

So bei dem könig halten stet.

Der kalt Saturn und Jupiter,

Der feurig Mars mit seim gewer,

So auch in ihres zirkels mitt

Die sonn haben in dem vorritt,

Wenn sie in ihrem lauf vernommen,

Das die sonn zu ihn wil ankommen,

Treten sie gar weit aus dem weg

Und reumen ihr all weg und steg,

Folgen hernach mit zum geleit,

Nemen mit stilstand den abscheid

Und gehn zurück in ihren tron,

Bis gegenüber steht die sonn,

Der sie widrum ihr er erzeigen,

Sich untertenig für sie neigen

Und zum tiefsten sich niderlassen;

Machen sich denn auf die heerstraßen,

Da ihn die sonn entgegen kem

Und von ihnen das gleit annem,

Sich durch ihr gebiet ließ hinfüren.

Sie wollen öfnen tor und türen,

Bis sie widrum traben vornan,

Füren ihren könig hinan

In ihres gebiets losament:

Das ist ihr ewigs regiment,

Soweit das unser augen sehen.

Viel mer ist, das wir nicht verstehen.

Daneben sind die andern stern

Als bauren, bürger und jungherrn,

Als verachte oder geerte,

Als unwissend oder gelerte,

Wie denn fünfzehn sind schön und groß,

Beinah an der planeten moß,[28]

Fünf und vierzig der nechsten art,

Da immer einer kleiner ward,

Denn sonst andre sind zu besehen,

Bis sie dem gesicht gar entgehen.

Jedoch hat dies sternregiment

Damit nicht sein volkommen end,

Sondern es ist über die stern

Ein regent gsetzt hoch und fern,

Der sie und die planeten all

Herum füret zu einem mal,

Vom morgen an bis hin zum abend,

Ungeachtet ihr wider trabend,

Damit in vier und zwanzig stunden

Nicht allein das oberst kem unten,

Sondern die ganz kugel sich wend

Und bei dem anfang nem ihr end,

Und das on alle ru und stand,

Wie solchs geordnet gottes hand.

Denn got ist überall ein herr,

Got allein gebüret die er,

Das er regiere gar allein,

Ihm muß alles gehorsam sein,

Seinen ganz almechtigen willen

Müssen all creatur erfüllen.

Wie der kirchner sein uhr anstellt,

So regiert er die ganze welt:

Der himmel geht wie ers will han,

Sein wirkung ist ihm untertan,

Er tut freiwillig was er will

Und greift, so oft er will, ins spiel.

Was er erhelt, das bleibt bestehen,

Was er nicht helt, das muß vergehen."
[29]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 26-30.
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