[112] Von Bröseldiebs kleglichem abscheid.
Bröseldieb sahe mit freuden an,
Wie umherfuren so viel man,
Insonderheit nahe bei dem land,
Dahin er stets die augen wandt.
Er war ihm auch selbst solche lust,
Davon er zuvor nie gewust,
So lieblich süß, so sanft und fein,
Als wolt er davon schlafen ein,
Und kutzelt ihn der wassertanz
Vom heupt im nacken bis zum schwanz,
Gleich wie zwei kinder sich gebaren,
Wenn sie aufwippen und niderfaren,
Mit eim gleichwichtigen bauholz,
Dünken sich damit mechtig stolz. –
Als aber Bausback geschwind fortrückt
Und sich also ins wasser drückt,
Das wasser stieß an allen enden
Zusamen über seine lenden,
Das seine hosen wurden naß.
Der schwanz bezeichnet auch die straß
Und schleifet in dem see daher,
Als obs des schifmans steurholz wer.
Ja, da er kein land kont mer sehen
Unds wasser übr die körb wolt gehen,
Da kam Reuel und viel zu spete.
Er klagt, er flucht, er weint, er bete,
Er rauft in ungeduld har und bart,
Für schrecken auch sein herz erstarrt,
Das er nicht wust, wo aus noch ein
Odr was der beste rat solt sein. –[112]
Got aber er sonderlich bat,
Er wolt nicht rechnen missetat,
Ihm diese torheit nicht zumessen,
Das er gehandelt so vergessen,
Seiner eltern leib nicht bedacht,
Sie und sich in herzleid gebracht
Und in so groß gefar begeben;
Würd er daraus bringen sein leben,
Er wolt der allerfromste sein,
Ein tempel bann und opfern drein. –
Damit fur das wasser empor
Und erfüllet ihm jedes or,
Das er seinen kopf schwengt und hengt
Als ein hund, der die enten fengt,
Und schrie: "O seter, morior,
Das wasser geht mir bis ins or!
So tat nicht Marquard Rollenhagen,
Als er markgrafn Ludewig wolt tragen
Durch die Uckr bei nacht in die stat,
So von Primsla ihr namen hat,
Und der herr sprach on unterlaß,
Wie er ihm auf den achseln saß:
Stehe fest, mein man, es wird sonst arg,
Du tregst die Brandenburger Mark!
Er trug ihn sicher, leis und wol,
Wie man sein herren tragen soll,
Das es der Pommer nicht erfür,
Der belagert hat tor und tür,
Bis der markgraf die leut ermant
Und den feind abtrieb aus dem land.
So tat auch nicht derselbig schifman,
Der den Cesar solt füren an,
Als Cesar sprach: Nur mut und eil,
Du fürst des Cesars glück und heil!
So hat auch Jupiter nicht getragen
In ochsengstalt, wie man will sagen,[113]
Weit über mer in Creterland
Die jungfrau, Europa genant,
Als du untreuer frosch mich tregst
Und mich halbtot ins wasser legst." –
Der frosch ihn wider trösten wolt,
Fur oben her, gleichwie er solt.
Es wert aber der trost nicht lang,
Denn ein erschrecklich wasserschlang
Ließ sich da nahe bei ihnen sehen,
Ihr heupt und hals erhoben stehen,
Ihr augen wie feurflammen leuchten,
Ihr zung und zeen zum biß sich richten
Und wolt urplötzlich in sie faren,
Dafür sie all erstarret waren,
Als wenn blitz und donner zugleich
Erleucht und schlegt auf einen streich.
Sobald auch Bausback sie ansicht,
Wolt er des kampfs erwarten nicht
Odr zugesagte freundschaft halten,
Sie must jetzt in der not erkalten;
Sondern tat zu augen und mund
Und fur mit seinem volk zu grund,
Die auch die vier meuslein mitnamen,
So mit Bröseldieb mit ankamen. –
Da solt man erst groß elend sehen
Ueber den Bröseldieb ergehen.
Er fiel übr rück zum see hinein
Wie ein gefangen meuselein,
Streckt aus die hend, zerbiß die zeen,
Das er nicht kont das ufer sehen;
Oftmals er auch zu bodem gieng
Und kam widrum herfür gering,
Spieg das wasser und soff es wider,
Wenn er auffur oder hernider,
Das ihm der schaum lag um den mund
Und die nas all voll bleslein stund.[114]
Des tods kont er sich nicht erweren,
Die nassen hare ihn beschweren,
Hend und füß werden lam und kalt
Und die weiße sonn schwarz gestalt,
Das er kein licht mer kan ersehen.
Der atem will ihm auch entgehen
Und das herz in dem leib ersticken,
Kan nerlich ein wenig aufblicken
Wie ein licht, das der dicke schwad
Im finstern berg umgeben hat,
Das er kein freie luft kan finden,
Endlich mit zittern muß verschwinden.
Wie ist leben so lieb, o got,
Wie bitter ist der leidig tod! –
Jedoch nam er in solchem leid
Mit diesen worten sein abscheid:
"Wolan, du wirst not nicht entlaufen,
Bausback, das du mich leßt ersaufen,
Stürzest mich in die große not,
Von deinem leib in schweren tod!
Soltst du mich auf dem land bestehen,
Es solt dir an dein leben gehen,
Es wer mit fechten oder ringen,
Mit laufen oder gleich mit springen;
Nun hastu mich zu dieser frist
Ins wasser bracht durch falsche list
Und meine lieben eltern beid
Gesetzt ins eußerst herzeleid.
Got hat ein aug, das alles sicht,
Und alle bosheit ernstlich richt;
Es wird die straf dir werden schwer,
Komt über dich der meuse heer
Und bringt dich und dein leut in not!"
Mit diesen worten war er tot.
Das leben fur im zorn und grim
Mit engstlichem seufzen dahin.
[115]
Ausgewählte Ausgaben von
Froschmeuseler
|
Buchempfehlung
Das 1900 entstandene Schauspiel zeichnet das Leben der drei Schwestern Olga, Mascha und Irina nach, die nach dem Tode des Vaters gemeinsam mit ihrem Bruder Andrej in der russischen Provinz leben. Natascha, die Frau Andrejs, drängt die Schwestern nach und nach aus dem eigenen Hause.
64 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro