Das I. capitel.

[57] Die sieben fürsten können der wal nicht einig werden.


Herr Bröseldieb bestürzet saß

Und sein maul weit offen vergaß

Uebr alle diese wunderred,

Die könig Bausback also tet,

Wust nicht, was er doch sagen solt

Oder weiter nachfragen wolt.

So mancherlei wolt er behalten

Und heim nachsagen seinen alten.

Sprach doch zuletzt als in eim wunder:

"Wol mag ich nachsagen itzunder,

Das euer lieb mit großem rat

Scepter und kron erworben hat,

Und hett es glaubet nimmermer,

Das soviel zu bedenken wer

In bestallung der regiment,

Als ich gehört von ort zu end.

Das werd ich gedenken mein tag,

Das wird immer sein meine sag,[57]

Und weiß eur lieb viel er und dank!

Es ist on zweifel etwas lang,

Das sich die hendel so verlaufen

Mit euerm aufrürischen haufen,

Und also vertragen zuletzt,

Das ihr zum könig seid gesetzt?" –

König Bausback gab alsofort

Dem Bröseldieb diese antwort

Und sprach: "Davon will ich nun sagen,

Wie diese sachen sind vertragen.

Denn dies hat sich alles begeben

Bei meines herrn großvatern leben,

Dem ich erst folg ins dritte glied

Und hab also ein erbgebiet,

Wie ich von meinen eltern hort,

Auch beschrieben sind alle wort.

Als nun die morgenröt aufgieng

Und es früe zu tagen anfieng,

Samlet sich die ganze gemein,

Wolt und kont nicht zufrieden sein,

Ehe das regiment würd bestellt

Und ein könig übr all erwelt.

Und befalen den fürsten sieben,

Das sie alle beisamen blieben,

Bis sie ein solchen held erfünden,

Dem sie das reich vertrauen künten;

In allermaß der Wolgemut

Gemeint, das es wer recht und gut. –

Darauf denn auch die fürsten kamen

Und setzten sich in rat beisamen.

Und wie der wei zu sommerszeit

Herumschwebet, bald nahe, bald weit,

Im cirkel, in die quer und leng,

Beschauet alle weg und geng,

Ob er was fünd nach seim beger,

Das für sein kinder dienstlich wer:

So ward auch allerlei bedacht,[58]

Manch spitzfündiger ratschlag bracht

Und eins hie und ein anders dort

Herfür gebracht aus manchem ort.

Aber wie es Markolfen gieng,

Der kein baum fand, dran er gern hieng:

So war kein frosch so klug und from,

Dem sie wolten trauen die kron

Und über sich zum herren machen;

Der freiheit lieb verdarb die sachen.

Die freiheit war all ihre sag,

Freiheitverlust war schwere klag;

Jedoch unwandelbar bestund

In aller der ratgeber mund,

Das man ein könig haben wolt.

Wer nur verstund, wer es sein solt!

Der erst fürst wolt denselben haben,

Der mit weisheit hett schöne gaben,

Das on weisheit kein reich bestand,

Weisheit macht ein glückliche hand.

Der ander ließ ihm baß gefallen

Den volkreichesten unter allen,

Der in der not rüstig und bald

Dem feind widerstünd mit gewalt.

Der dritte den geringsten wolt,

Das er der glindeste sein solt.

Wie die Moren weiber erkieren,

Das sie nicht tyrannisch regieren.

Der vierte meint, die ganze gemein

Solt sagen, wer könig solt sein;

Der fünft, es solt das los ergehen,

Zwischen den sieben fürsten stehen,

So hett sich keiner zu beklagen,

Ließ die kron gern ein andern tragen.

Der sechste hielt auf das warsagen:[59]

Man solt die geister darum fragen.

Der siebente den kampf ausbot:

Wer leben blieb, den welet got.

Also wankt alles hin und her

Wie ein schiflein im weiten mer,

Das ledig on ein herren schwimt,

Das wassr und wind zum spiel aufnimt. –

Endlich ward nach vielem gezenk,

Das sich zog in die quer und leng,

Die glock von allen so gegossen

Und mit gemeinem rat beschlossen:

Man solt sich nicht mer damit quelen,

Sondern got schlecht die wal befelen,

Das er schick in den see hinein

Wen er wolt, der solt könig sein;

Und darum solt man bitten auch

Nach der weisen mantiere brauch,

Die nichts in allen sachen teten,

Sie fiengen denn vor an zu beten;

Darum ihr reich in dieser welt

Zum allerbesten wer bestellt.

Denn wie got selbst zu aller zeit

Seim gschöpf barmherzigkeit erzeigt,

So wiß er allein was ist gut;

Bei allem er das beste tut. –

Das ward also in der gemein

Abgerufen für groß und klein:

Das jeder solt fasten und beten,

Drei ganzer tag für got hintreten

Und tag und nacht ihn rufen an,

Er wolt ihn setzen einen man,

Der ihn ein nützer könig wer.

Got solt allein haben die er,

Und wo sie den verachten würden,

Den sie von got erwelet spürten,

Wolten sie hiemit sich erwegen

Des zorns mit blitzn und donnerschlegen[60]

Und was got je für straf erkent

Dem, der sich vom könig abwend.

Jedoch solt der könig für allen

Ihnen von herzen wolgefallen,

Der sie bei ihrer freiheit ließ

Und ihnen nichts tet zum verdrieß,

Die schlangen aber gar vertrieb,

Das der keine im wasser blieb.

Es ward auch noch weiter gemeldt:

Der solt sein als von got erwelt,

Der stracks vom himmel brecht ein fall,

Mitten im see sich setzt mit schall. –

Hiemit machten die fürsten sieben,

Das sie jeder must billig lieben,

Als die nicht suchten ihre er,

Sondern gottes willen vielmer

Und des gemeinen bestes nutz

Und ihrer lieben freiheit schutz."
[61]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 57-62.
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