Das IV. capitel.

Der bloch wird bei den fröschen verbeten.


"Es waren aber etlich alten,

So viel historien behalten,

Das es nicht wol geraten war,

Wenn man gots gab verachtet gar;

Die besahen fleißig den bloch,

Was sein holz war, wie raum das loch,

Funden, es war ein eschenholz,

Darum sie auch der jugend stolz[67]

Wolten mit guten worten brechen,

Sie, wo müglich, zufrieden sprechen.

Zu der behuf ward Marx, dem alten,

Auch befolen das wort zu halten;

Denn dieser war in seiner jugend

Ein priester, erwürdig von tugend,

Dem Elbmarxen gar nahe verwandt,

Und schrieb viel brief in fremde land,

Braucht aber im alter der erzenei,

Die er auch het gelernt dabei.

Der sprach: Ihr lieben jungen held,

Ehemals noch in der alten welt

In meiner jugend war mein wort

Bein altvetern ser wol gehort.

So hört nun auch etwas bescheid,

Nun ich alt bin und ihr jung seid.

Denn wenn die alten hunde bellen

Billig die jungn aufmerken söllen.

Von got soll man nicht bitten eben,

Das er uns wolt dasselbig geben,

Was wir bedacht in unserm mut,

Sondern was uns nütz ist und gut.

Denn got weiß; auch nur gar allein,

Was uns werde zum besten sein.

Dieweil wir denn auf diese weis

Auch gebeten mit allem fleiß,

Got wolt uns einen könig geben,

Darunter wir im frieden leben,

Und er aus seiner rechten hand

Uns den bloch zum könig gesandt,

So wollen wir ihn nicht verachten,

Sondern den nutz zuvor betrachten. –

Ich bin von den alten gelart,

Der eschenbaum hab diese art,[68]

Das keine schlang unter ihm bleib,

Der schatten sie auch hinweg treib,

Ja die schlang ehe ins feur hinleuft,

Ehe denn sie durch seinen schatten schleuft.

Ihr wisset auch, das wir im kalten

Von dein leben wenig behalten,

Müssen mit verschlossenem mund

Den winter tot liegen im grund,

Und wenn aldann der mantier fleiß

Mit netzen fischet unterm eis

Und uns halb tot mit zeucht herfür,

Wie uns das lachen wird so teur,

Insonderheit wo knaben fischen

Und unser eim beim bein erwischen,

Werfen ihn widers eis mit macht,

Das eim das herz im leibe kracht.

Wenn der könig, unsr widerpart,

So uns plaget so lang und hart,

So uns bringet in not und tod,

Die beißig giftig schlangenrott

On unsern beistand und gefar

Aus dem see kan vertreiben gar,

Ja wenn wir in seim holen bauch

Den sommer können schlafen auch,

Des winters sicher warten ab

Als in eim marmelsteinen grab:

Warum wollen wir ihn verkieren,

Mit undank gottes gunst verlieren?

Was mangels finden wir daran

On das er uns nicht schaden kan?

Frommen kan er uns mannigfalt,

Es sei beim feind, sei warm odr kalt;

Werden wir got und ihn nicht eren,

Uns über den könig beschweren,

So wird die straf erfolgen bald!

Undanks wolfart ward selten alt. –[69]

Der esl klagt auch got früe und spet,

Das er kein eigen herren hett;

Und da ihn got zum ersten mal

Einr alten gertnerin befal,

Gieng er teglich mit ihr in garten,

Weidet, dieweil er muß aufwarten,

Bis sie ihr blumen, wurzeln, kraut

Gesamlet und ihm aufgebaut;

Darnach trug ers am markt zu kauf.

Denn ward von kindern ein zulauf,

Die mit dem esel wolten schwatzen,

Ihn füren, reiten, striegeln, fatzen,

Und brachten ihm habern und pammel,

Das er sich mestet wie ein hammel,

Die kinder abwarf mit unfug,

In einem sprung umlief und schlug

Und rart denn sein hika mit macht,

Das sein der ganze markt wol lacht.

Und wenn er kam vom markt her wider,

Legt er sich sanft in die streu nider,

Da gab ihm das weib bsonder futter,

Ja auch geröstet brot mit butter,

Trug ihm für einen frischen brunn

Und nant ihn ihren lieben sun.

Es geschach aber nach etlichen tagen,

Das der esl widr anfieng zu klagen,

Wie er so ein losen herrn hette,

Dem sonst kein tier die ere tete,

Ein altes heßlichs scheuslichs weib,

Die nichts schöns hett am ganzen leib:

Wie kuschwenz so hiengen die har,

Die augen weren gar unklar,

Die oren hörten auch nicht eben,

Der kopf hört nimmer auf mit beben,

Die rotzig aug und nasen rinten,

Die zeen kein rindlein beißen künten[70]

Und röchen von zimmet so süß

Als des mistbauren faule füß.

Sie wer auch bleich, gelb, reuchrig, rustig,

Schwarz, grau, fal, blau und gar unlustig,

Gerunzelt, verschrumpelt und verdart,

Den rücken krum, die hand verhart,

Die zitzen lumpten wie die fleck,

Die achsen stünken wie ein dreck,

Der bauch voll falten und eingelunken,

Sein untertan wer gar versunken,

Die bein von knie bis auf die sol

Gleich rund und dick wie ein brückpfal,

Wackelnd, hinkend, als ob sie tanz

Oder fechten wolt um einen kranz,

Dazu bekleckt und so verschissen,

Leinsamen könt darauf ersprießen;

In summ, sie wer so ungestalt

Wie man den Krodenteufel malt,

Trug auch garstig kleider und kragen,

Kont nichts denn farzen, husten, klagen

Ueber die junge böse welt,

Das sie einlöset wenig geld,

Wenig schlief, das die flö sie quelten,

Sie seicht und schiß in töpf und gelten,

Daraus sie nachmals söff und kocht.

Das wer, die ihn regiert und pocht,

Die ihm auflegt was sie nur wolt,

Das er ihr denn heimtragen solt,

Und must auch leiden, das der sand,

Der sich oftmals an rüben fand,

Ihm blieb an seinem har bekleben,

Odr das die mücken um ihn schweben

Und füren ihm an seinen mund,

Wenn er müßig im garten stund.[71]

Das weib geb ihm nichts für den spot,

Denn kol, habern, gersten und brot,

Frisch roggenstro und teglich heu,

Das wer sein speis, lager und streu.

Das kont er hinfort nimmer leiden,

Got wolt ihn von dem weib abscheiden,

Einen man zum herren bescheren,

Der würdig wer des diensts und eren. –

Darauf kam aus gottes anregen

Ein ziegelstreicher unterwegen.

Den sahe der esel frölich an,

Gedacht: das ist ein tapfer man,

Wenn er dein herr und treiber wer,

So kemst du erst zu glück und er!

Bald fragt er das weib, ob sie wolt,

Das er den esel haben solt,

Er wolt ihn bar bezalen gern,

Sein tochter dient ihr on beschwern

Mit graben, wieten, kreuter tragen,

Solt alles tun, was sie würd sagen.

Das weib sprach: Ich laß wol geschehen,

Er wil nach meiner hand nicht gehen,

Er wird zu mutwillig und wild,

Er muß ein haben, der ihn stillt.

Der ziegler antwort: Als ich sag,

Er hat bei euch zu saule tag,

Der kan ich ihm bei mir nicht pflegen,

Der fürwitz sol sich gar bald legen.

Der esel hört das on verdrieß,

Was man gern ißt, das schmecket süß.

Und kriegt also einen Herman,

Der hieng ihm zween seitkörbe an,

Ließ ihn tragen leim, stein und sand,

Ziegel, kalk, kolen, asch und brand.

Die riebn und branten ihm sein haut,

Davon er sich dann scheurt und kraut,[72]

Das man sein jammer daran sahe,

Wie das gederm im leibe lage.

Er aß auch diestl und stro allein,

Schlief selten und auf kalk und stein,

Trank aus einer stinkenden pfütz,

Die war so weiß vom kalk als grütz;

Dazu er nichts denn fluchen hort:

Du fauler schelm, wilst du nicht fort,

Das dich die hund und raben fressen!

Soll ich dich mit eim knüttel messen?

Darauf ward er übel geschlagen.

Da fieng er an noch mer zu klagen

Und got zu bitten um verzeien,

Um einen andern herrn zu schreien.

Got ließ dies auch also geschehen

Und, wie er gebeten, ergehen,

Der ziegelstreicher bot ihn feil,

Das er eim gerber ward zu teil,

Liederlich um den halben wert

Wie ein alt abgetrieben pferd.

Als er nun ward ein gerbrgesell,

Und hin zum wasser trug die fell,

Und denn zum gerbhaus in den kalk,

In die beißlaug und in die walk,

Und sahe mit zu, wie man ihm tate,

Wie man sie schabet, pocht und trate.

Das heißt, sprach er, sein witz verlieren,

Ein herren hassn, den andern kieren,

Das heist verbessern seinen stand,

Das glück versuchen über land!

Wenn dem esel das futter sticht,

Tanzt er aufm eis, ein bein zerbricht.

O hett ich meine alte behalten,

Oder den ziegler lassen walten!

Nun wird mir hie also gelont,

Das man der haut auch nicht verschont,

Sondern plagt die auch nach dem tod

Mit schlegen. Des erbarm sich got! –[73]

Seht nun wol zu, sprach Marx, der alt,

Das uns auch nicht [geh] dergestalt,

Das wir den könig loben müssen,

Wenn uns der ander tritt mit füßen,

Oder der dritt uns gar auffrißt;

Der wechsel ser geferlich ist.

Als der alt Marx dieß hat gesagt,

Waren ihr mer, auch wol betagt,

Als Coard, Morz und herr Marquard,

Amor, Quadroquor und Mohrard,

Die sprachen: Was Marx hat vermant,

Ist unser meinung insgesamt."
[74]

Quelle:
Georg Rollenhagen: Froschmeuseler. Zwei Theile, Teil 2, Leipzig 1876, S. 67-75.
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