Wandergut

[36] Wer ein Herz treueigen hält,

Fest und mit Vertrauen,

Darf getrost die weite Welt

Wandernd sich beschauen.

Wär die Ferne noch so weit,

Wär der Tag voll Widerstreit,

In ihm lebt, was allbereit

Glättet Stirn und Brauen.


Laß die Andern nicht so bald

Was du liebst erkennen,

Die sich flüchtig leer und kalt

Einen oder trennen!

Bös ergreift ein höhnisch Wort;

Eigne Brust nur ist der Ort,

Wo du deiner Seele Hort

Darfst bei Namen nennen.


So, Herzliebste, schafft das Glück

Trennung nicht zum Leide,

Bleib' ich ganz dir doch zurück,

Wenn ich von dir scheide.

Ich, in deines Herzens Hut,

Du, mein bestes Wandergut,

Und so sind wir frohgemuth

Gottgesegnet beide!


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 36-37.
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