3. Im Stübchen

[148] Es waren drei Könige im Morgenland,

Das Wort war ihnen ergangen,

Und wo der Stern am Himmel stand,

Da sollten sie Heil empfangen.


Es waren Hirten auf freier Wacht,

Die hatten den Stern gesehen,

Er leuchtete hell durch die ganze Nacht,

Die andern mußten vergehen.


Die Hirten, die Könige, zogen ihm nach,

So weit das Land sich breitet,

Bis daß sie standen am niedren Dach,

Dahin der Stern sie geleitet. –


In die Welt hinaus

Ist Mancher gegangen,

Kehrte spät nach Haus

Mit gebräunten Wangen.
[149]

Steht ihm Leben und Muth

Im Antlitz geschrieben,

Ach, wär er auch gut

Im Herzen geblieben! –


Reite, reite, Rößlein!

Zu Basel steht ein Schlößlein,

Zu Köln da steht ein Glockenhaus,

Daneben schau'n drei Jungfern aus.


Die eine die spinnt Seide,

Die andre spinnt das klare Gold,

Die dritte, ja, die dritte,

Ist unsrem Büblein hold! –


Wer die Fremde gesehn,

Hat viel wohl erfahren!

Wird er die noch verstehn,

Die so weit nicht waren?


Daheim ist's nur still,

Und eng sind die Kreise.

Ach, hielt' ihn sein Will'

In der heimischen Weise! –


Die heilgen drei Könige zogen nach Haus,

Die Hirten zu ihren Heerden,

Das Heil ging von dem Kindlein aus,

Wohl über den Kreis der Erden.
[150]

Und als die heilgen drei Könige todt,

Da wurden sie begraben,

Bis daß der Kaiser viel Schätze bot,

Am Rhein wollt' er sie haben.


Die heilgen drei Könige kamen zum Rhein,

In Köln der Stadt zu liegen,

Da schlafen sie still in ihrem Schrein,

Wie's Kindlein in der Wiegen.


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 148-151.
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