22.

[197] Wie mit ungehemmtem Schritt

Wechseln Tag und Leben,

Nimmt der Wechsel dich auch mit,

Wandelt sich dein Streben.


Holde Züge, Melodie'n

Zaubrisch einst ergreifend,

Läßt du kühl vorüber ziehn,

Kaum die Seele streifend.


Was dein Wesen einst berückt,

Was dein Herz bereute,

Blüthen sind's, im Lenz gepflückt,

Die der Wind zerstreute.


Wenn zu lächeln dir gelang

Dem, was du verloren,

Weißt du, welchem Wandelgang

Dich die Zeit erkoren?


Quelle:
Otto Roquette: Gedichte, Stuttgart 31880, S. 197-198.
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