Sechster Auftritt

[44] Würth. Diener.


WÜRTH.

Sag ist wohl alles aller orthen

Zum abentmahl bereitet worden?

DIENER.

Herr! alles steht nach dein begehrn,

Wan nur die gäst zugegen wärn!

WÜRTH.

Ich warthe selbsten mit verlangen,

Und bin darum hieher gegangen.

Zu sehn, ob ich den werthen mann

Nicht baldt allhier begrüßen kan.[44]

Ich ehr ihn über alle maßen,

Drum must du auch nichts unterlassen,

Was ihn an disen freydentag

In meinem haus erquiken mag.

DIENER.

An meinen dienst soll nichts erwünden,

Er wird mich treü, und hurtig finden.

Ich werde thun was er begehrt,

Weil er mir selbsten lieb, und werth.

WÜRTH.

So eyl ein wenig um zu sehen,

Ob er nicht baldt anher wird gehen,

Dan ich erwarthe allzu harth

Sein mir so liebe gegenwarth.

DIENER.

Ich diene eylends deinem willen

Umb mein begird auch zu erfillen.


Ab.


WÜRTH.

O das er in Jerusalem,

Doch allen wär so angenehm!

So bald ich ihn nur hab erbliket,

Fand ich das er von gott geschiket.

Sein ganzes weesen gab mir ein,

Das er mehr als ein mensch müeß sein.

Ich kan in wahrheit gar nicht fassen,

Wie unser Rhat ihn könne hassen.

Da doch sein leben diser zeit

Ein muster aller heyligkeit.

Er strafft das laster, preißt die Tugendt,

Er schüzt das alter, liebt die Jugendt,

Wo war wohl irgendts jener mann,

Der allen so vill guts gethan?

DIENER.

Herr! ich hab schon die gäst gesehen,

Auf diser strasß anhero gehen.

WÜRTH.

Ich bin getrost, so geh, und lauf,

Trag also gleich die speisen auf.


Diener ab.


Mein haus kan sich wohl glückhlich nennen,

Das es ein solchen gast hab können[45]

Bewürthen, der sich selbsten dingt,

Und reichen seegen mit sich bringt.

Und wahrlich, sie seind schon zu gegen,

Ich will mich ihm zu fießen legen.

Dan sucht man ihn gleich zu den todt.

Glaub ich, das er sey mensch, und gott.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 44-46.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Schnitzler, Arthur

Frau Beate und ihr Sohn

Frau Beate und ihr Sohn

Beate Heinold lebt seit dem Tode ihres Mannes allein mit ihrem Sohn Hugo in einer Villa am See und versucht, ihn vor möglichen erotischen Abenteuern abzuschirmen. Indes gibt sie selbst dem Werben des jungen Fritz, einem Schulfreund von Hugo, nach und verliert sich zwischen erotischen Wunschvorstellungen, Schuld- und Schamgefühlen.

64 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon