Anderter auftritt

[197] Die Verstorbene aus denen gräberen.


Wie? geht die weldt zu grund?

Ein große trauer aller orthen

Ist auf einmahl verspiret worden.

Trang durch die finster erd hinab,

Heißt uns verlassen Ruh, und grab.

In diser trieben stundt

Wie? geht die weldt zu grund?


Wie? leydet gott gewalt?

Mus wohl der schöpfer sein verlezet,

Das sich die ganz Natur entsezet?

Es scheint ja selbst das firmament,

Als wan schon wär ihr leztes endt.

Wo alls zusammen fallt:

Wie? leydet gott gewalt?


Was mag wohl ursach sein?

Das sonn, und mondt ob eurer erden,

Zu gleicher zeit verfinstert werden,

Ist diser, der am Creuz hier todt,

So ist er ohne zweifl gott.

Bildt euch nur kräfftig ein,

Das mus die Ursach sein.


Ein jedes Element.

Gibt ihre trauer zu erkennen,

Und weiset euch zur reu, und thrännen,[197]

Dan weill ihr disen mordt verüebt,

Und doch euch darum nicht betrüebt

So klagt zu disem endt

Ein jedes Element.


Glaubt nur, er war gerecht.

Dan wasser, feuer, lufft, und erden

Die mießen ihm zu zeigen werden,

Das er unschuldig, und durch lüst,

Von euch ans Creuz gehefftet ist,

Ob ihr gleich widersprecht,

So war er doch gerecht.


Weh euch! gott ist ergrimmt.

Nun ist erfüllt die maß der sinden,

Wür gehen dises zu verkinden.

Weh jenem so verstockten herz,

Das härter bleibt als stein und Erz,

Die straff ist schon bestimmt,

Weh euch! gott ist ergrimmt.


Gehen ab.


SAMUEL.

O herr! du weist, wie ich gesinnet,

Du weist, was meine brust beginnet,

Du weißt ich hab kein schuld daran,

Das man dir so vill leyds gethan.

Ich gehe nun, und will in thrennen,

Die Bosheit jeder sind erkennen,

Weill du den allzu schwären last

Destwegn auf dich genommen hast.


Gehet ab.


SIMON LEPROSUS.

Ihr könnt euch was ihr wollt gedenken,

Ich will mich in das leyd versencken,

Weill gottes sohn durch euer list

So unverdient mißhandlet ist.

Ich will im glauben, und im lieben

Mich führohin beständig üeben

Damit ich dir, o herr! getrey

Und vor dein wohlthatt dankhbar sey.


Gehet ab.


HAUBTMANN.

Ihr seydt verstockt, von gott verlassen,

Könnt in der blindtheit euch nicht fassen,[198]

Seydt zu bereuen nicht im standt

Was doch der ganzen weldt bekant.

CAYPHAS.

Warum hat er dan stätts geschwigen,

Und last die klagen auf sich ligen?

Wan er, wie ihr vermeint so gar

Unschuldig ohn Verbrechen war.

ANNAS.

Glaub mir durch dise blendereyen,

Wird uns gewis sein todt nicht reuen,

Weill öffters ihm mit Rhat, und thatt,

Der Belzebub geholffen hat.

AMOS.

Er will nach seinen todt auf erden

Vor den noch angesehen werden,

Den er in leben hat gespillt,

Weill er nach unsren reich gezihlt.

ACHALÄUS.

Hier ist kein worth streiit lang zu fihren,

Weill keine zeit mehr zu verlihren,

Dan morgen geht der festag ein,

An dem kein leich am Creuz darff sein.

CAYPHAS.

Diß mues nach recht Pilatus wissen,

Sey also du der sach beflissen.

Und sag, das er befehlen woll

Das man sie baldt begraben soll.

HAUBTMANN.

Vor Jesum darfft ihr euch nicht kränken,

Und dise sorg den freinden schenken,

Weill ihnen dise ehr begürdt

Pilatus nicht versagen wird.


Zu denen Henkersknechten.


Ihr fahret forth in euren pflichten

Die mörder vollendts hinzurichten,

Indessen wird man schon Verstehn

Was mit den Cörpern soll geschehn.

MOMUS zu dem rechten schächer.

Du wirst ja wohl mit fluch und schelten

Mir meine arbeith nicht vergelten,[199]

Dieweill ich dir die straßen weis

In das versprochne Paradeys.

JANUS zerschlagt ihm die glider.

Heb nur frisch auf, und schlag starckh nider!

Zerquetsche ihm nur alle glider.

Schlag zu! schlag alle pein entzwey

So weißt er was das morden sey.

CACUS zum linkhen schächer.

An dir ist aber gar kein zweifl,

Es werd der matt, und arme teuffl,

Sich auf das osterfest zu labn

Ein gut, und fetten brathen habn.


Zerschlagt ihm gleich fahls die glider.


COSMUS.

Nur tapfer zu bey disen krachen,

Tun all ermordte seelen lachen,

Schlag zu, und sparr keine stärkh,

Gedenckh du thuest ein guttes werkh.


Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 197-200.
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