Beschlus

[265] SCHUZGEIST.

Nun seind die wolcken hin, und scheint die heitre sonnen,

Die uns ihr angesicht mit vollen glanz thuet gonnen,

So ist es schon bestimmt: es folget auf das leyd

Das man gedultig tragt ein unverhoffte freydt

Man reizte bis anher dich sinder! nur zum weinen,

Da dein Erlöser dir in seiner pein erscheinen,

Mit hin zum mitleyd dich nur stätts bewegen wollt,

Damit dich deine sindt noch mehrer schmerzen sollt.

Du hast sie (wie man hofft) von herzen auch bereuet,

Und nur aus lieb zu gott in dir vermaledeyet:

So leg die trauer ab, die überflissig ist,

Weill du nunmehr mit ihm auch auferstanden bist!

Diß ist die wahre freyd, die man in dem genüßet,

Das man hinfihro sich in gott zu lebn entschlüßet.

Das man in freyheit ist, weill man mit seiner gnad

Die schwähre Sclaven bandt der holl zerrissen hat.

In diser freyd sodan o sinder! dich erfreye,

Und den erstandnen Gott von herzen Benedeye

Doch, wan du weinen willst, halt keine thränen ein,

Sie können ja nunmehr auch freyden zäher sein.

Leb wohl! doch zum Beschlus nur etwas noch verweile,

Und uns dein gegenwarth nur so lang noch ertheile[265]

Bis dir das göttlich lamm nach so vill bittren leyd

Nunmehr werdt vorgestellt in seiner herrlichkeit.

Sech nun die Dankhbahrkeit zu uns anhero tretten,

Mit dienst, und lobgesang das selbe anzubetten.

Was sie mit reinen Mundt allhier anstimmen wirdt,

Das mach, das auch dein herz in den gedanken führt.


Es stehet ein schöner Altar zu bereithet auf welchen ein postament: auf disen ligt ein schönes Buech, von welchem die 7 Sigell herabhangen, auf dem Buech stehet das lebendige osterlamm mit einen schein umb das haubt, und mit den Osterfähnlein versehen. Die sach mehrer Theatralisch vorzustellen, kunte das lamb auch einen lorber Cranz auf haben. Item auf beyden seithen große mit goldt ausgeblikte Palmzweig hinauswerths in die hoche stehen.

Vor dem Altar ligen der todt, die sindt, und der teuffl in feßlen zu boden, wie auch umb und umb die alte auf ihren angesichteren. Und bleibt alles in diser positur, so lang die Arien, und der Chor dauret, und bis sodan zu geschlossen wird. Item kunten die alte auch stehen, und lorberzweig in denen händen halten.

Die instrumenta Passionis, so die genii halten, müssen alle glorioso, folglich vergoldet sein. Item halt der haubt genius anstatt des weißen tüechls einen schönen lorber Cranz in die höche.


Amen


DANCKHBARKEIT.

O göttliches lamm!

Geheyligt, geehret

Wie du uns gelehret,

Sey allzeit dein Nahm.

Der todt ist besiget,

Die höll unterliget,

Die sindt ist bestritten,

Vor die du gelitten.

Der sinder versöhnt:

Dein Vatter gerochen,

Die sigs Palm gebrochen,

Der siger gecrönt.

O göttliches lamm!

Geheyligt geehret,

Wie du uns gelehret

Sey allzeit dein Nahm.[266]

REIHE.

Alleluja. Alleluja!

Es seye erhoben,

Durch dankhbares loben

Der sigreich vom todt

Erstandene Gott

Alleluja! Alleluja!


Unter diser Arie thuen einige aus denen, so mit der dankhbarkeit kommen das göttliche lamm an rauchen, andere werffen ihme schöne blumen zu.


Gelobt sey Jesus Christus

unser göttlicher Erlöser! Amen
[267]

Quelle:
Bitteres Leiden, Oberammergauer Passionspiel, Verfasst von Pater Ferdinand Rosner O.S.B., Leipzig 1934, S. 265-268.
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