Actus 3.

[346] Der trach fürt die jungfraw auff. Sie sitzt, waint, windt ihr hendt und spricht.


Gott, dir sey es im himel klagt,

Das ich, ein künigliche magdt,

Sol nun all mein junge tagen

Mein junges lebn mit wain und klagen

Alhie auff dem gebirg verzern,

An alle wolust, frewd und ern

Mit dem vergifften trachen schnöd,

In dieser trawrigen einnöd,

Da ich sie weder viech noch leut!

Ach weh mir immer und auch heudt!

Westen mich denn die brüder mein,

Ein ieder wagt das leben sein

Und macht mich ledig von dem trachen;

Ich red von unmöglichen sachen.

Das ich nit bin mit todt verschieden!

So leg ich in meim grab mit frieden.

Muß so in forcht und sorgen sein

All augenblick des lebens mein.

DER TRACH spricht.

Edle jungfraw, gehabt euch wol,

Kein leidt euch widerfaren sol,

Denn das ir müst gefangen sein

Ein kurtze zeit auff diesem stein.

Doch wil ich euch vor allen dingen

Gnug zu essen und trincken bringen.

Biß das verloffen sindt fünff jar

Und ein tag. Als denn ich fürwar

Wirt wider zu eim jüngeling

Verwandelt werden gar jehling,[347]

Wie ich auch vorhin war mit nam

Geborn von königlichem stam

In Griechen-landt, und bin durch zorn

Von einr bulschafft verzaubert worn,

Verflucht mit teuffelischen gspenst

Zumb trachen, wie du mich itzt kenst.

Drumb, mein Crimhildt, laß dein unmut,

Biß diese zeit verlauffen thut,

Als denn wil ich dichs als ergetzen,

In gwalt und könglich herrschafft setzen.

CRIMHILDT, DES KÖNIGS TOCHTER spricht.

Ach, so bit ich durch gott allein,

Für mich heim zu dem vatter mein,

Biß dein bestimbte zeit verlauff.

Als denn wil ich wider herauff

Zu dir, das schwer ich dir ein aidt.

DER TRACH antwort.

Nain, nain, von dir ich mich nit schaidt;

Du solt kein mensch auff erden sehen,

Biß das sich die fünff jar hernehen;

So wirt ich sein der erste man,

Den du auff erdt wirst schawen an.

Darumb schleuff in die höl hienein;

Wann du must mein gefangner sein.


Der trach fürt sie ab.


DER HÖRNEN SEWFRIEDT kumbt gewapnet unnd redt mit ihm selb, und spricht.

Nun bin ich ie vier nacht und tag

Gangen, das ich nie ruens pflag,

Hab auch nit gessen noch getruncken;

In meinem sinn laß ich mich duncken,

Wie sich der trach darein war schwingen

Auff das gebirg durch diese klingen

Mit des königes tochter zart.[348]

Gott wöl mir bey-stahn auff der fart!

Das birg ist gar unmenschlich hoch,

Und sich hienauff kein wege doch.

Dort kummet her ein kleiner zwerg,

Der muß mich weissen auff den berg,

Er treget auff ein reiche kron

Und hat köstliche kleidung on

Mit goldt, thut viel der kleinat tragen.

Ich wil zu im, den weg in fragen.

EWGELEIN der zwerg, kumbt unnd spricht.

Sey gottwilkumb, hörner Sewfriedt,

Der all sein tag viel unrahts liedt.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Sag, weil du mich bey namen nenst,

Von wannen her du mich erkenst?

EWGELEIN der zwerg, spricht.

Sewfriedt, du bist mir wol bekandt,

Ains königs son auß Niderlandt;

Dein vatter heist könig Sigmundt,

Deinr mutter nam ist mir auch kundt,

Siglinga heist dein mutter schan.

Du, mein Sewfriedt, sag mir doch an,

Was suchst du hie in dieser wildt,

Darinn ich vor nie menschenbildt

In dreyssig jaren hab gesehen?

Ich raht, thu dem gebirg nit nehen,

Wilt du nit leiden ungemach;

Wann darauff wont ein grosser trach;

Du bist des todts, baldt er dich spürt.

Er hat ein jungfraw hingefürt,

Ains königs tochter an dem Rein,

Die wont hoch oben auff dem stein.

Der hüt er tag und nacht so sehr,

Die wirt erlöset nimmermehr,

Von hertzen so erbarmbt mich die.[349]

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Von irent wegen bin ich hie;

Die jungfraw ich erlösen wil.

DER ZWERG spricht.

Du werder heldt, der wort schweig stil!

Fleuch, du bist sunst des todtes eigen.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Ich bit, du mir den weg anzeigen,

Der auff den trachenstein thut gan,

Ob ich der jungfraw hölff darvan.

DER ZWERG spricht.

O küner heldt, das ist umbsunst

Dein küner muht und fechtens kunst;

Der jungfraw auff dem trachen-stain

Kan niemandt helffn, den gott allein.

Darumb waich baldt, raht ich in trewen,

Es müst dein junger leib mich rewen,

Dein kempffen wehr ein kinderspiel.

SEWFRIEDT ergreifft den zwerg beim bart, greifft ins schwert unnd spricht.

Zaig mir den weg, oder ich wil

Dir abhawen das haubet dein,

Das sol dir zugesaget sein.

DER ZWERG spricht.

Mein herr Sewfriedt, stil deinen zorn,

Du küner helde ausserkorn,

Ich wil dich weissen auff das spor,

Doch must den schlüssel holen for

Bey eim risen, haist Kuperon,

Ein grosser, ungefüger mon.

Mit dem aber must du auch kempffen,[350]

Sein krafft und macht im vorhin dempffen,

Eh er den schlüssel gibet dir.

In trewen raht ich, volg du mir,

Ker umb und rett dein junges leben.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Den schlüssel muß er mir wol geben,

Er sey so unfüg, als er wöll,

Mit straichen ich in nöten söll,

Das er sich mir auff gnad muß geben.

DER ZWERG spricht.

Ob du gesigst dem risen oben,

Must du erst kempffen mit dem trachen,

Der verschlindt dich in seinen rachen.

Ich sah nie kein erschröcklichern wurm,

Geflügelt mit grawsamen furm,

Sein zeen, die sindt eyseren gantz,

Mit einem gifftig, langen schwantz;

Auch thut er hellisch fewer speyen,

Vor im so magstu dich nit freyen,

Du müssest vor im ligen todt.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Zu hilff so wil ich nemen gott,

Zu überwinden diesen trachen,

Die schön jungfraw ledig zu machen;

Wann ich hab vor bey jungen tagen

Auch einen trachen todt geschlagen,

Hab auch zwen lebendig gefangen

Bein schwentzen ubert mawer ghangen.

Derhalb weiß mich nur zu dem risen,

Da wil mein leben ich verliesen

Oder erlangen sieg und heil.

Wirt die zart jungfraw mir zu theil,

So sol sie mein gemahel sein,

Dieweil ich hab das leben mein.[351]

DER ZWERG spricht.

Sewfriedt, du helt und junger man,

Das selbig wil ich geren than,

Doch wöllest mir verargen nit,

Das ich dir sollichs widerriet;

Wann ich thet es in gantzen trewen.

DER HÖRNEN SEWFRIEDT spricht.

Ich hoff, es sol mich nit gerewen,

Für mich nur zu des riesen hol,

Ich wil in darzu bringen wol

Das er mir thür auffschliessen sol.


Sie gehen alle baidt ab.


Quelle:
Hans Sachs. Band 13, Tübingen 1870–1908, S. 346-352.
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