Cupido mit dem hönig

[192] In dem süßen ton Regenbogens.


23. februar 1546.


1.

Als Cupido, der sune

der göttin Veneris,

in einen binstock brache,

das süß hönig versucht,[192]

Darvon er freut gewune.

ein bin in aus verdrieß

mit irem angel stache;

do schrei die edel frucht

Und gab die flucht

und seiner muter klaget,

wie schmerzlich we und iniklich

im tet der stich,

das er schier wer verzaget,

sprach: »muter, heil und tröste mich.«


2.

Venus die lacht von herzen

sprach: »wer das hönig süß

der lieb sich tut gewenen

in freuden iemerzu,

Der selbig muß den schmerzen

auch leiden, das er büß,

eifern, meiden und senen,

sorg, angst, we und unru.

Wan welchen du

mit der lieb tust verwunden,

entpfint der süßen freut gar schmal,

doch ane zal

ist er mit schmerzen bunden

an sel und leibe überal.«


3.

Darum wer solchen schaden

alhie vermeiden wol,

der sol die lieb verachten

und abwenden sein herz;

Sol sie zu haus nicht laden,

sunder sie weislich sol

ausjagen und betrachten

der liebe kurzen scherz

Und langen schmerz;[193]

nachreu, schmach, schant und spote,

schaden an sel, leib, er und gut,

an sin und mut,

armut, krankheit und tote

der süßen lieb nachfolgen tut.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 192-194.
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