Das bös weib mit dem wolf

[205] In frau Eren ton des Erenboten.


14. mai 1546.


1.

Es hieß ein burger Thalamo,

der het ein zornig weibe,

zenkisch und boshaftig, also

vor irem gron und murren

der gute man kein guten tag nie het.

Das war dem guten man gar schwer,

wie sie peinigt sein leibe,

so kunt doch das nit wenden er.

ir üppiklich anschnurren

er mit gedult ganz überwinden tet.

Eins nachts traumt im, wie sein frau in dem walde

ein großer wolf erhaschet het mit gwalde

bei irem hals und wolt sie auch hintragen,

die schrei um hilf, das es erkracht,

in dem der gut man auferwacht

und tet den traum seim bösen weib ansagen.


2.

Und sprach: »geheut nit in den walt,

das rat ich dir in treuen!«

sie aber schrier hinwider balt[205]

»potz leichnam, der prophete

die ding in seinem bruch erlesen het!«

Er sprach: »in treuen warn ich dich,

es möcht dich sunst gereuen.«

sie sprach: »wie sorgst so hart um mich?

zu herzen mirs nit gete.«

balt nun der man für sich gieng in die stat,

Sprach sie: »ich merk, das mein man in dem holze

heut hat gezilet einer bübin stolze,

nun wil ich gen im walde mich verstecken,

was mein man für kaufmanschaft treib.«

darmit gieng das boshaftig weib

und kruch im walde in ein dorenhecken.


3.

Als sie da lag verborgen lang,

aus einer dicken stauden

ein großer wolf her auf sie sprang,

ergriff sie bei der kelen,

trug sie dahin, das sie nit schreien kunt;

Das sahen die hirten darbei,

die loffen zu mit schnauden,

machten im holz ein groß geschrei,

teten des wolfs nit felen,

schlugen und stachen in totlichen wunt.

Die frau wart von den hirten heimgetragen,

tet ir bosheit halb selber in sich schlagen,

war irem man nicht mer so widerwertig.

o, das der selb wolf wider kem,

die weiber bös beim kragen nem,

das sie auch würden frum, geschlacht und ertig.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 205-206.
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