Der alten frauen gebet für Dionysium

[148] In der blutweis Stollen.


20. april 1544.


1.

Als Dionysius mit tiranneie,

spricht Plutarchus, vergoß vil blutes rot,

Das iederman feint was der wütereie

und wünschten im teglich den gehen tot,

Bis an ein alts weib, bat für in all morgen

ganz offenbar vor dem altar,

das die götter versorgen

solten des küngs leben vor aller not.


2.

Der tirann schicket nach der alten frauen

sprach: »warum bittstu für das leben mein?[148]

Weil sonst iederman hat ab mir ein grauen,

begeren auch all meins todes allein.«

Die frau sprach: »in meinen kintlichen tagen

regirt gar stark ein tirann ark,

und als er wurd erschlagen,

kam vil ein ergerer tirann herein.


3.

Und als der selbig auch mit tot abschide,

dein tirannei auch angefangen hat;

Bist erger, dan vor die zwen, mit unfride,

wie man teglich spürt an deiner untat;

Darum tu ich um frist deins lebens werben

mit bit fürwar der götter schar;

ich fürcht, so du tust sterben,

möcht noch ein ergrer kumen an dein stat.«

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 148-149.
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