Der bock mit dem wolf

[105] In dem schwarzen ton Klingsors.


4. decemb. 1537.


1.

Groß wunder tu ich euch bekant,

geschehen zu Rordorf in dem windischen lant,[105]

da man das heu leßt über jar zu felde;

zu dem schlegt man des vieches hert

den winter lang, schaf, geiß und bock, rinder und pfert,

wie man die seu hie schlegt in die eichwelde.

Nun begab sich, das ein geißbock

auf eim heuschober fraße,

darunter stunt ein pfert, das auch

mit heu begeret aufzuschoppen seinen bauch;

in dem kam ein wolf aus des waldes straße.


2.

Der wolf auf den heuschober sprung,

der bock mit seinem horen auf den wolf hindrung

und in mit herten stößen wol entpfinge;

Der wolf im nach dem halse schnappt,

der bock von unten aufwerts mit den horen gnappt,

den wolf beim kopf in seine horner finge.

Der bock zog auf, der wolf zog ab,

umrankten mit geferde;

zu letzt trat der geisbock zu kurz,

das er samt dem wolf nam hinab ein übersturz

und fielen vom heuschober übers pferde.


3.

Auf der ein seiten hieng der bock,

auf der andren der wolf; hin über stein und stock

loff das pfert heim zu haus mit großem prangen.

Sein bauer wolt den wolf nur han,

das wolt des bockes bauer nicht geschehen lan,

sprach: »der wolf ist mein, mein bock hat in gefangen«;

Und gaben sich beid in ein recht;

es waren haderkatzen,

verrechten beide mer, dan wert

sie alle drei waren, wolf, geißbock und das pfert.

wer das nit glauben wöl, der geb ein batzen.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 105-106.
Lizenz:
Kategorien: