Der künig Eckhart

[88] In dem hohen ton des Stollen.


1. april 1536.


1.

Künig Eckhart aus Frankenreiche

sein leben lang nie lachen tet,

war alzeit ernstikleiche,

was man kurzweil anfieng auf diser erden.

Eins tags wurt in sein bruder fragen,

warum er nie gelachet het?

der künig gunt im sagen:

»morgen soltu der ursach innen werden.«

Der künig hieß, das man aufblies

fru vor seins bruders haus, und ließ

in nemen an als einen man,

den man solt richten und abtan.

man füret in gen hof hinein,

der künig im in zornes schein

auf setzet balt die krone sein,

schmückt in, sam er der künig wer,


2.

Und ließ in auf sein trone sitzen,

der stunt ob einem tiefen loch,

darinnen sach er glitzen

von kolen rot ein glut, wart auf sein falle.

Ob seinem haubt hieng, zu erschrecken,

ein schwert an einem faden hoch;

für im stunt auf vier ecken

zwelf man mit lanzen, zilten auf in alle.[89]

Der künig vil der freuden spil

zurichten ließ, kurzweil on zil

mit cantorei und mancherlei

saitenspil, süßer melodei,

als was zu freuden dienen was.

des künigs bruder traurig saß

in sorgen groß on unterlaß,

all frolikeit war im unmer.


3.

Der künig sprach zu diesen sachen:

»bruder, wie das du traurig bist?

magstu der freud nit lachen?«

er sprach: »die sorg hat mir mein herz beschloßen.«

Erst sprach der künig unverborgen:

»also mein herz umfangen ist

alzeit in großen sorgen,

weil die welt ist mit untreu übergoßen.

Das regiment in meiner hent

hat vil anstöß an manchem ent,

derhalb ist mein freud alzeit klein.

darum laß ich mein lachen.«

hiebei gedenk ein weiser man,

was unfals im wol zu mag stan,

so wirt ims lachen wol vergan.

vil lachens ziert ein narren baß.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 88-90.
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