Der schneider mit der katze

[310] In der silberweis Hans Sachsen.


10. juni 1554.


1.

Ein schneider het ein katzen,

die tet freidig anplatzen

die meus und auch die ratzen,

hielt im sauber das haus

Sein; ein kürschner saß neben

im, der het tauben eben,

die bracht ser um das leben

des schneiders katz on graus;

Darab het der kürschner ein klag.

eins nachts es sich zutrug,

das er griffe im taubenschlag

die katzen, sie erschlug.

darum geschach dem schneider leid;

doch waren sie gut gsellen beid,

das er drum nichts tet jehen

zu kürschner; ließ es gschehen;

nun begab sich in nehen,

von Leipzig bracht zu haus


2.

Der kürschner seiner frauen

ein schamlot schwarz; auf trauen!

war lieblich anzuschauen;

den schneider fordert hin,

Er solt die schauben schneiden.

der schneider mit dem kreiden

entwarfs vor inen beiden

und schnitt sie auch vor in.

Den zeug trug heim der schneider klug

und macht die schauben aus;[311]

über acht tag er sie heim trug

hin in des kürschners haus.

als die frau die schauben antet,

sie allein einen erbel het.

die frau saget mit sitten:

»zwen erbel habt ir gschnitten,

was hat der ein erlitten,

das ich sein mangeln bin?«


3.

»Beit!« tet der schneider sagen:

»meus haben in vertragen;

weil euer man erschlagen

mir hat mein katzen glat,

Seit samlen sich mit haufen

die meus und tun umlaufen

im ganzen haus, umzaufen

beides frü und auch spat.

Im zoren wirf ich dan nach in

seiden und samet gut;

was ich eilend ergreifen bin,

sich dan verlieren tut,

ziehens in die meuslöcher ein;

so mag dem erbel gschehen sein.«

draus ist das sprichwort woren,

wer seins tuchs hat verloren:

der schneider es in zoren

nach der maus gworfen hat.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 310-312.
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