Die getreu e

[151] In dem hohen ton Fritz Katners.


14. mai 1544.


1.

Uns schreibt von hoher liebe

der geschichtschreiber Xenophon,

nachdem und gar vertriebe

künig Cyrus aus seinem tron

Tigranem aus Armeniam,

Nachdem er het verloren

mit seinem here ein feltschlacht,

ist er gefangen woren

und für den künig Cyrum bracht

mit seim gemahel wunnesam.

Tigranes Cyro fiel zu fuß,

erbot sein leben im zu buß,

das er in richten wolt,

doch das er darnach solt
[151]

2.

Sein gmahel ledig laßen

wider heim in ir königreich.

Cyrus abschlugs; der maßen

behielt sie beide gefenkleich.

und als nun Cyrus von im kert,

Dem iederman gab preise

seiner person mit überfluß,

Tigranes fragt mit fleiße

sein gmahel, wie ir gfiel Cyrus,

die schönest person hoch geert;

Sie antwort: »herzenlieber man,

Cyrum hab ich nit gsehen an,

weiß nit, ob sein gestalt

sei schön, jung oder alt.«


3.

Er sprach: »hast in nit gsehen?

was hastu dan gesehen an? «

die frau tet wider jehen:

»ich hab gesehen an den man,

der sein leib geben wolt für mich,

Auf das ich ledig were,

nicht dienen dorft mein leben lang.«

secht an, wie wunderbere

die lieb der lieb ist ein anfang;

lieb gebirt lieb inbrünstiklich.

Also ein man sol seinen leib

in treu setzen für sein frum weib;

billich hat in auf ert

sein weib auch lieb und wert.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 151-152.
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