Die wunderbare geburt Augusti

[257] Im abgeschidnen ton Nachtigals.


13. april 1548.


1.

Als Accia, die fraue

Octavi, schlief in einer nacht

im tempel mit großer andacht

Apollinis in traue,

da daucht sie in dem traume,

Wie ein drach zu ir kroche

und sie umfieng freuntlicher weis

und sie beschlief, darnach er leis

wider kroch in das loche.

vom traum erwachet kaume,

so wart schwanger das weibe

und badet, sich widerum rein zu machen,[257]

doch blieb an irem leibe

ein zeichen auch gleich eim gemalten drachen,

das sie nicht mer abwaschen kunt;

des schämt sie sich; darnach allstunt

fort ungebadet bleibe.


2.

Als sie nun solt geberen,

da traumet ir on unterscheid,

wie aufflüg all ir ingeweid

zu dem mon und den steren,

hoch zu der götter trone,

Und an dem firmamente

würd ir ingweid austeilt geleich

über das ganze ertereich;

darnach sie an dem ende

gebar ein kneblein schone,

Hieß Augustus mit name,

der wurd ein weiser man, klug und vernünftig,

zu großen eren kame,

wan er zu Rom ein keiser wart zukünftig

der ander – Suetonius melt –

het unter im die ganze welt,

doch regiert er zu Rome.


3.

Ein traum hat auch gewonnen

Octavius, der vatter sein,

wie aus seines weibs leib allein

aufging die helle sonnen,

im schien frei hinterrücke;

Das selbig wurd auch ware,

dan er der scheinbarst keiser wur,

ganz fritsam, gütig von natur,

auf sechs und funfzig jare

regiert in höchstem glücke.

So ist offenbar woren

des keisers zukunft durch die treum allsamen.[258]

wer von got ist erkoren,

dem machet er auch scheinbar seinen namen.

weil regiert diser Augustus,

ist der heilant Cristus Jesus

auf erd ein mensch geboren.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 257-259.
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