Schwank: die hasen fangen und braten den jeger

[97] Eins morgens gieng ich durch ein walt,

es het geschneit und war grim kalt;

neben der straßen hört ich vispern,

etwas hinder eim gstreuß laut zispern;

ich guckt hindurch, sach, das da sasen

etwas in die zweihundert hasen,

heten sam da iren reichstag.

ein alter has erzelt die klag

über ein gar uralten jeger,

der sie teglich in irem leger

überfiel mit lauschen und hetzen,

mit gschoß, falken, hunden und netzen,

darmit sie vilfaltig verstricket

und sie on alle barmung knicket,

darnach er sie denn schunt und brit,

ir etlich gar zu stücken schnit,[97]

und bickt sie ein zu eim fürheß,

nachdem mit zenen zriß und freß;

das müstens leiden und ir kinder

und würden ir ie lenger minder,

wiewol sie teglich junge trügen

und die ausheckten und aufzügen,

und wo die leng sie noch da blieben,

würdens all von im aufgeriben;

derhalb wer not, das sie allsant

dem jeger teten widerstant,

wenn er zu nechst mit seim weidwerk

widerumb züg auf disen berk,

das sie im soltn mit gmeinem haufen

in einem sturm entgegen laufen,

grad zu auf in, on alle krümb,

den alten jeger stoßen ümb,

in denn mit sein hetzstricken binden,

dergleich seine leithund und winden.

wenn sie denn also wern gefangen,

als übel, vor an in begangen,

möcht man volkömlich an in rechen.

darzu waren all hasen sprechen,

sie wolten ir belg all dran wagen

und stracks nachkommen seim ansagen,

ob sie möchten den jeger fellen.

in dem hört ich ein horen schellen

und auch jauchzen der hunde haufen;

anfiengen die hasen zu laufen

hinab gen tal dem jeger zu;

ich stunt ein weil, und in eim nu

kamen die hasen in ir leger

und brachten mit den alten jeger,

mit weidstricken gfangen und bunden,

mit all sein winden und leithunden,

sein spieß und weidmeßer sie trugen,

den jeger an eim strick aufzugen[98]

an eim baum zu der strengen frag,

wie vil er hasen all sein tag

het umbbracht mit seinem weidwerk

alhie an dem waldigen berk.

da bekent er auf drithalb hundert,

ieden mit namen ausgesundert.

mit fleiß beschribens sein urgicht;

nach dem saßen sie zu gericht,

teten sein jegerhoren schellen

und über in ein urteil fellen,

das man zu straf umb sein untaten

in solt an einem spieße braten,

wie er den hasen auch het tan,

wo ers gfenglich het kummen an.

auch feltens ein urteil den hunden,

das sie all solten werden gschunden,

zerhauen und gesalzen ein

und darnach aufgehangen sein.

nach dem schürtens ein großes feuer,

namen den jeger ungeheuer

und bunden in an ein bratspieß;

der einen tiefen seufzen ließ

und sprach: erst ich erkennen kan,

das ich im hab zu vil getan,

drumb gschicht mir iezt auch nit unrecht;

ich hab euch gar zu hart durchecht

on schult wider all billichkeit,

wan ich gedacht zu jener zeit,

ich wolt euch drucken, wie ich wolt,

das ir mich allzeit fliehen solt

nach aller hasn natur und art;

iezt, so ir haltet widerpart

und ir mein meister worden seit,

erkenn ich erst mein groß torheit.

nach dem die hasen ungeheuer

teten den jeger zu dem feuer[99]

und dreten in umb an dem spieß;

mannichen lauten schrei er ließ,

zu helfen ich im oft gedacht,

doch sorg und forcht mich darvon bracht,

das sie mir nicht gleich wie im taten,

ließ gleich den alten jeger braten,

all hund erschlagen, darnach schinden,

in stück zerhauen; ich stunt hinden,

sach, wies ein teil einsalzten auch,

darnach aufhiengen in den rauch,

eins teils sie in eim keßel suden,

all wölf und füchs sie darzu luden,

mit in zu halten das frümal.

nach dem gieng ich mein straß zu tal

und gedacht mir bei der geschicht:

war ist es, wie Seneca spricht:

welch herr treibet groß tyrannei,

macht vil aufsetz und schinderei,

meint zu drucken sein underton,

auf das sie fürchten sein person,

derselb muß ir auch förchten vil;

wenn ers gar übermachen wil,

wirt es etwan mit ungstüm grochen,

und hart gespanter bogen brochen,

wie keiser Julio geschach,

auch andern mer vor und hernach;

wer aber senftmütig regiert,

von den seinen geliebet wirt,

tun im freiwillig alles gut

und setzen zu im leib und blut,

darmit sein reich grün, blü und wachs.

senftmut bringt gut, so spricht Hans Sachs.


Anno salutis 1550. am 25. tag Aprilis.


Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Zweiter Theil: Spruchgedichte, Leipzig 1885, S. 97-100.
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