Vierter Band.


Die ausschweifende Gesellschaft unterhielt sich den nächsten Tag an neuen Niederträchtigkeiten, als wenn die schrecklichste aller Grausamkeiten am vergangenen Tage nicht begangen worden wäre.

Rosa und Lilly mußten an diesem Tage und an den beiden nächsten alle Einfälle dieser Ungeheuer über sich ergehen lassen. Blos Gernande, der in seiner Schwester Marcelline vernarrt war, tauchte sie mindestens zehnmal, während dieser beiden Tage in Blut und ergötzte sieh daran, die rote Flüssigkeit mit seinem Munde aufzufangen. »Es scheint mir,« sprach Bréssac, »mein Onkel, daß das seine Reize für sich hat, wenn man das Blut liebt, muß man sich daran sättigen.« Jeder begann nun diese Behauptung zu erproben und selbst Dorothé verschluckte das Blut massenhaft. Diese Greueltaten wurden durch Spaziergänge unterbrochen, während dieser Bréssac ein schönes, vierzehnjähriges Mädchen entdeckte und es alsbald entführte.

Dieses Geschenk wurde von der Gesellschaft freudig aufgenommen und es gab keine Qual die man nicht an dieser Unglücklichen erprobte. Man sprach gerade eines Abends über den hübschen Zufall dieser Entdeckung, als Mme. de Gernande sich äußerte: »Glauben Sie, meine Herren, daß, wenn die Verwandten dieser Unglücklichen ebenso mächtig wären wie Sie, sie die Vergehen nicht verfolgen würden, die sie an dem Mädchen begingen. Nun wenn aber das Elend in dem sie sich befinden, der einzige Grund ist, daß sie Sie in Ruhe lassen, sind Sie nicht Verbrecher, wenn Sie damit Mißbrauch treiben?«

»Mein Freund,« sprach Verneuil zu seinen Bruder, »wenn meine Frau gewagt hatte, solchen Unsinn zu schwätzen, hätte ich sie niederknieen und von einem Lakaien auspeitschen lassen, aber da Mme. nicht mir gehört, will ich mich begnügen, ihren Einwurf in nichts zu zermalmen.«

»Das ist vorzüglich,« erwiederte der Schloßherr, »aber da ich nicht solider sein will wie mein Bruder, wird es sich die Gesellschaft gefallen lassen müssen, daß Mme. de Gernande die an sie gerichtete Rede in einer schmerzlichen Stellung anhört. Ich verdamme sie also dazu, sch auf alle Viere zu stützen und den Hintern in die Luft zu[369] strecken. Zwei Kerzen sollen ihr die Haut an diesem empfindlichen Körperteil verbrennen.«

Von allen Seiten erscholl Beifall, Mme. de Gernande nahm ihre Stellung ein und Verneuil begann: »Nehmen wir vorerst an, als unerschütterliche Grundlage aller Systeme, daß es in den Absichten der Natur liegt, daß eine Menschenklasse der anderen durch ihre Schwäche und Minderwertigkeit unterworfen sei. Wenn also das Opfer dieser schwächlichen Klasse an gehört, so tat der Opfernde nichts Schlimmeres, wie der Besitzer eines Bauern Gutes, der sein Schwein tötet. Wollten Sie aber an meinem obersten Grundsatz zweifeln, so bitte ich Sie die Weltgeschichte zu durchlaufen, um zu sehen, daß jedes Volk seine verachtete Kaste besaß. Die Juden bildeten die der Aegypter, die Heloten die der Griechen, die Parias die der Brahmanen und die Neger die Europas. Nur ein Mysantrop wie Rousseau konnte behaupten, daß alle Menschen von Geburt aus an Kraft und Rechten gleich sei. Aber wie könnte der Zwerg, der vier Fuß und zwei Zoll hoch ist, sich mit einen Mustermenschen vergleichen, der den Wuchs eines Herkules hat? Könnte man nicht ebenso gut sagen, daß die Mücke dem Elephanten ähnelt.

Kraft, Schönheit, Wuchs und Beredsamkeit waren die Tugenden, die in der Kindheit der Menschheit Einfluß verschafften. Eine Familie, ein Flecken der sich verteidigen mußte, wählte bald aus seiner Mitte das Wesen, daß die meisten oben beschrieben Fähigkeiten besaß. Dieses erwählte Oberhaupt suchte sich unter den Schwächeren Sklaven aus und opferte sie mitleidslos seinen Interessen und Leidenschaften hin. Wer zweifelt daran, daß, als die Gesellschaften entstanden, die Nachkommen dieser Oberhäupter, obwohl ihre Kraft oder ihre moralischen Eigenschaften, nicht mehr denen ihrer Vater ähnelten, die Macht den noch weiter besaßen. Das ist der Ursprung des Adels, der schließlich einsah, daß es nötig sei, die ursprünglichen Eigenschaften weiter vorzutäuschen und schließlich notwendigerweise oder aus Ehrgeiz grausam wurde. So war es unter einem Nero, einem Tiberius, einem Helliogabale, einem Wenzelslaus, einem Ludwig XI. u.s.f. Sie erbten eine ihren Vorfahren übertragene Macht und mißbrauchten sie für ihre Leidenschaft. Hatte jedoch dieser Mißbrauch schließlich Folgen? Zweifellos weniger wie wenn die Macht eingeschränkt worden wäre, denn der Mißbrauch hielt die Herrschaft aufrecht, während durch die Verminderung der Gewalt, die Völker in einen Anarchiezustand gefallen wären.

Nun gut, sprechen die Dummköpfe die eine unmögliche Gleichheit vertreten. Wir können die physische und moralische Ueberlegenheit einiger Wesen über andere nicht[370] leugnen. Aber geben Sie wenigstens zu, daß alle Geschöpfe vor dem Gesetz gleich sind. Das werde ich wohl bleiben lassen. Wie wollen Sie das ein Wesen, daß von der Natur die Veranlagung zum Verbrechen und gleichzeitig die Fähigkeiten dazu erhalten hat. Wie wollen Sie, daß diese Wesen nach demselben Gesetze abgeurteilt werden, wie dasjenige, daß sich nur zur Tugend hingezogen fühlt, wäre dieses Gesetz gerecht, das die beiden Menschen mit derselben Strafe belegen würde? Nein, nein, meine Freunde, das Gesetz ist nur für das Volk da, das gleichzeitig schwach und in der Mehrheit ist. Unter der Adelsherrschaft ist Frankreich groß geworden und Rom war nie mächtiger als in der Zeit da der Despotismus seine Blüte hatte. Derjenige, der also seine Kräfte nicht gebrauchen will, ist ein Dummkopf, der dieses Geschenk der Natur nicht verdient. Wir tun also kein Unrecht, meine Freunde,« fuhr Verneuil fort und kam damit auf den Gegenstand seiner Rede zurück, »wenn wir dieses Geschöpf allen Launen der Geilheit unterwerfen. Wir haben es entführt und können mit ihm machen was wir wollen, da wir die Stärkeren sind.«

Unsere Leser können sich leicht vorstellen, daß derartige Redensarten, bei den in diesem Buche vorgeführten Leuten wirken mußten.

Mme. de Gernande wurde trotz ihrer Schmerzen verurteilt, in derselben Stellung zu verbleiben und an ihr, sowie an dem neuen Opfer wurden alle möglichen Versuche, das Blut hervorquellen zu lassen, angestellt. D'Estoroul behauptete nun, daß es genußreich sein müsse, währenddessen zu ficken und er machte auch den Versuch. Die anderen ahmten seine neue Leidenschaft nach und bald war Mme. de Gernande mit Wunden bedeckt. Man tat schließlich soviel mit dem unglücklichen Kind, daß es mit Cäcilie vereint werden mußte. Man begrub es neben sie und bald begannen neue Verbrechen, die Köpfe unserer Kannibalen zu erhitzen.

Nach einem Diner, an dem man die ungeheuerlichsten, geistigen und körperlichen Ausschweifungen begangen hatte, stellten Gernande und Verneuil die Behauptung auf, daß das Blut Cäciliens und des anderen hingeopferten Mädchens den unterirdischen Göttern nicht genüge und daß unbedingt noch ein Opfer erforderlich wäre. Bei diesen Worten schauderten alle Frauen. Unsere unglückliche Justine, auf die mehrere deuteten, begann sich unwohl zu fühlen, als Gernande der Gesellschaft vorschlug, daß man das Opfer nach der Vorzüglichkeit der Arschbacken aussuchen solle. Durch folgende Sophismen stützte er seinen Vorschlag: »Diejenige die den schönsten Popo, hat uns notwendigerweise am häufigsten zum Entladen gebracht. Das Geschöpf[371] aber, daß uns am häufigsten erregt hat, muß jetzt am meisten unseren Abscheu verdienen, daher müssen wir uns seiner entledigen.« »Nein,« sprach Verneuil, »das wäre parteiisch. Wir müssen das Los entscheiden lassen.« Man schrieb also die Namen Justines, der Frauen Vernande und Verneuil, dann den Marcelaines, Laurette und Rosas auf Zetteln und warf sie in eine Urne. Bressac zog neugierig einen davon heraus und las den Namen der Mme. de Gernande. »Ich hätte wetten können,« sprach kaltblütig der Mann, »der Himmel war mir gegenüber immer gerecht. Nun, meine zarte Freundin,« sprach er und näherte sich seiner unglücklichen Frau, »nun, mein Herzchen, nur Mut. Es ist ein schlimmer Augenblick, den du zu verbringen haben wirst, denn wir werden dich furchtbar quälen, aber das wird auch aufhören, Sie werden bald in den Schoß der Natur zurückkehren, die Sie so liebt. Im übrigen ist es doch für Sie besser, Sie sterben gleich, als daß Sie sich, ein langes Leben hindurch, von mir quälen lassen.« Und der grausame Gatte hätte vielleicht noch seine unglückliche Frau verspottet, wenn der blutrünstige Verneuil sich nicht rasch auf das Opfer gestürtzt hätte, um sich an den Zuckungen der Angst zu ergötzen. Der Verbrecher bestieg das Opfer von vorne und küßte den Mund, aus dem nur Klagen und Beschwörungen hervorkamen. »Warte ein wenig,« sprach Gernande zu seinem Bruder, »du mußt dich an ihr von vorne befriedigen, Bressac von hinten, ich in ihrem Mund, D'Estaral und Victor unter ihren Achseln. Bei der Arbeit wollen wir ihre Qualen ausdenken. Man gebe mir Schreibzeug, damit ich meinen Einfall niederschreibe«, und die fünf Verbrecher zeichneten ein jeder ihren Urteilsspruch auf und um das Maß der Grausamkeit vollzumachen, mußte Justine, die ihre Herrin außerordentlich liebte, das Verlesen vornehmen. Ach, kaum konnte das arme Mädchen die barbarischen Worte stammeln. Aber, da man sie mit demselben Tode bedrohte, folgte sie schließlich und begann zu lesen. Die Gernande hatte kaum ihr Todesurteil gehört, als sie sich ihren Henkern zu Füßen stürzte. Aber Mitleid war bei derartigen Seelen nicht zu finden. Man verlangte vorerst von dem Opfer, daß es mit lauter Stimme Gott und die Menschen um Verzeihung für die begangenen Verbrechen bitte. Die arme Frau tat alles, was man von ihr wollte und die Quälereien begangen.

Verneuil machte den Anfang. Justine und Dorothea halfen ihm. Er quälte das Opfer durch zwei Stunden und im Augenblick einer Krise entleerte der Wüstling in den Hintern Justines, während er von der D'Esteral gepeitscht wurde.

Nun kam Viktor an die Reihe, der von Laurette[372] und Mme, de Verneuil bedient wurde. Mme. Verneuil empfand einen Augenblick lang einen unüberwindlichen Abscheu, den ihr Sohn unglücklicherweise bemerkt. Das kleine Ungeheuer ergriff nun eine Stahlnadel, mit der er die Arschbacken seiner Tante bearbeitet hatte und stieß sie, unter Schmähungen, seiner Mutter in die Brust. Die Gesellschaft wurde aufmerksam, der Fall schien ernst zu sein und auf die Anklage ihres Sohnes hin wurde die Mutter zu vierhundert Peitschenhieben verurteilt. Alsbald wurde der Urteilsspruch auch ausgeführt und nachdem die arme Mme. de Verneuil am ganzen Körper ausgepeitscht war, setzte der kleine Verbrecher die Quälereien an seiner Tante durch drei Stunden hindurch fort.

Nun bemächtigte sich Gernande seiner Frau. Er stach sie mit einem schmalen Messer und verlor schließlich seinen Samen in den Mund eines Knabens, indem er den letzten Stoß gegen das rechte Auge der Unglücklichen ausführte.

D'Esterval übertraf alle durch seine Quälereien. Er entlud in die Scheide Justinens, indem er sie dabei heftig an den Brüsten riß. Als das Opfer in die Hände Bressacs gelangte, konnte es sich kaum noch halten, trotzdem hatte es noch die Kraft sich zu den Füssen Gernandes zu werfen und ihn vom Neuen um Gnade zu bitten. Der aber blieb unbeugsam und ergötzte sich höchstens an den Zuckungen der Angst. »Komm Justine,« sprach er, »kitzle mich an dem Gesicht deiner Herrin.« »Mein Freund,« sprach nun Verneuil, »man müßte es peitschen.« »Darauf Kot entleeren,« entgegnete Viktor. »Es ohrfeigen,« sprach D'Esterval. »Es mit Honig einschmieren und Wespen darauf lassen,« fuhr Dorothea fort. »Ein wenig Geduld,« sprach Germande, »hat jeder Lust das zu tun, was er vorschlug?« »Ja.« »Nun denn, ich liefere sie euch aus, meine Freunde.« Alle diese verschiedenen Greueltaten wurden ausgeführt und nach einem elfstündigen qualvollen Leiden verschied dieser Himmelsengel, dem es nur vergönnt war, einen Augenblick lang die Erde zu zieren.

Würde man es glauben, der Körper dieser schönen Frau wurde in die Mitte der Tafel gelegt und um sie herum stellte man die Gerichte auf. »Lasset uns ficken, Freunde,« sprach Bréssac, nachdem man sich erfrischt hatte und fuhr in den schmierigen Hintern Viktors hinein. D'Esterval bemächtigte sich Mme. de Verneuil's, die ihn seit einiger Zeit stark zu beschäftigen schien, während Verneuil sich an D'Esterval's Frau für die Hörner rächte. »Einen Augenblick,« sprach Gernande, »bevor wir zu weiteren Taten schreiten, muß ich den Ueberfluß, der in meinen Gedärmen herrscht, ein wenig ableiten.« »Dazu brauchen sie nicht hinauszugehen, Onkel,« sprach Bréssac,[373] »wollen sie sich nicht vor uns die Erleichterung verschaffen?« »Wie, Sie wollen wirklich zusehen,« fragte Gernande. »Gewiß, wir wollen nichts dabei verlieren.« »Gut, dann werden Sie zufrieden gestellt werden,« fuhr Gernande fort, indem er seinen ungeheueren Hintern den Zuschauern zuwandte. Vier Lustknaben umgaben ihn alsbald, von denen ihm der eine den Nachttopf hielt, der zweite hielt eine Kerze direkt an das Loch heran, damit die nötige Helligkeit herrsche und der dritte leckte ihm das Glied und der vierte hielt ein sehr reines Handtuch in der Hand und küsste ihm den Mund, Gernande stützte sich auf zwei der Knaben und drückte halb gebeugt. Als endlich die ungeheuere Masse von Kot erschien, die Gernande von sich zu geben pflegte, mußte der Knabe, der den Topf hielt, das Exkrement lobpreisen. »Der schöne Dreck!« rief er aus, »ah mein Herr, der herrliche Kot, sie scheißen entzückend.« Als er fertig war, tritt der Lustknabe mit der Serviette heran und reinigte mit seiner Zunge den Hintern, während der, der den Topf hielt, ihn Gernande zur Prüfung unter die Nase steckte. Der Mund des Leckenden wurde inzwischen mit Urin angefüllt und nachdem die vier Lustknaben mit ihrer Beschäftigung fertig waren, stellten sie sich noch an, Zunge, Glied und Arschloch des Wüstlings zu lecken.

»Teufel,« rief Bréssac aus, der immer Viktor bearbeitete. »Ich habe noch niemals so wollüstig scheißen gesehen. Ich werde mir angewöhnen, mich dabei auf dieselbe Art zu benehmen.« Nun verließ D'Esterval den Hintern. Mme. de Verneuil's näherte sich ihrem Manne und fragte ihn: »Warum willst du nicht deine Frau dahin schicken, wo deine Schwägerin ist.« »Ah, ah,« sprach Verneuil und bestieg die Frau des Fragenden von hinten. »Bringt dich denn dieser Gedanke in Erregung.« »Du siehst es,« erwiderte D'Esterval und zeigte sein hineinstürmendes Glied, »ich versichere dich, daß der Tod dieses Lumpenweibes mich außerordentlich erregen würde.« »Nun mein Freund, dann willige ich gerne ein, stelle aber daran zwei Bedingungen. Die erste ist die, daß du mir deine Frau nach herabtreten mußt und die zweite, daß die Qual, die du meiner Gattin bereitest, ausgiebig sei.« »Abgemacht,« riefen D'Esterval und Dorothea gleichzeitig. »Aber auch ich will eine Bedingung stellen,« sprach D'Esterval, »ich verlange von dir Cäcilie als Frau. Es wird für mich ein Genuß sein, die Tochter zu heiraten, wenn meine Hände noch vom Blut der Mutter bedeckt sind.« »O Vater!« rief Cäcilie schaudernd aus, »könntest du einwilligen mich auf diese Art zu opfern?« »Warum nicht,« antwortete Verneuil, »und da du Widerstand bezeigst unterzeichne ich bereits den Ehekontrakt.[374] D'Esterval sie haben mein Wort. Ich bitte sie, bilden sie dieses junge Mädchen ein wenig aus.« »Gewiß, Potztausend« antwortete Bréssac, »wo könnte ich mich mit dem Mord besser befreunden, wie in einem Hause, in dem man täglich tötet.« »Ich verlange aber ein Trinkgeld bei dem Handel,« fuhr er fort. »Das wäre.« »Ich bitte sie, Onkel, mir ihren Sohn Viktor abzutreten. Ich liebe diesen jungen Mann närrisch. Vertrauen sie ihn mir für drei Jahre an und seine Erziehung soll eine tadellose sein.« »Er könnte nicht in besseren Händen sein,« antwortete Verneuil, »er möge dir gleich werden, das ist der beste Wunsch, den ich für ihn hegen kann. Hauptsächlich mußt du ihm seine Schwächen austreiben. Stärke ihn in deinen Grundsätzen, mache seine Seele unvergänglich und flösse ihm Haß für die Frauen ein.« »Niemand anderer könnte ihm diese Dinge besser beibringen,« sprach Justine, »das arme Kind, wie schade.« »Das will ich nicht behaupten,« unterbrach Dorothea lebhaft. »Herr de Bréssac ist der beste Erzieher, den ich kenne und wenn ich zehn Kinder hätte, würde ich sie ihm alle anvertrauen.« »Und ich gehe also leer aus?« fragte jetzt Gernande. »Nein,« antwortete Verneuil, »ich wollte die Justine entführen, lasse sie dir aber. Ich gebe alle meine Pläne bezüglich ihrer auf und du sollst nicht allein bleiben, Bruder.« »Ihr wollt mich also alle verlassen?« fragte Gernande. »Ja, morgen,« entgegnete D'Esterval. »Nun, dann muß ich mich in mein Schicksal fügen,« fuhr Gernande fort, »ich will mich aber beeilen eine neue Frau zu nehmen, damit wir bald eine Orgie begehen können.«

Man zog sich zurück. D'Esterval führte Mme. Verneuil in ein gut verschlossenes Zimmer, das neben dem Verneuil's lag. Gernande nahm Cäcilie, Rosa, Justine und zwei Lustknaben mit sich, während Verneuil Marcelline und Dorothea für sich beanspruchte.

Was nun geschah war fürchterlich. Bréssac und Viktor waren heimlich zu D'Esterval hineingeschlichen und dieser sowie sein Freund Bréssac ergötzten sich daran, die Mutter durch das Kind quälen zu lassen. Man kennt den Charakter dieses kleinen Ungeheuers zu gut, um nicht sicher zu sein, daß er bei der ihm aufgetragenen Rolle großes Vergnügen empfand. Einige Stunden blieb Verneuil in Unkenntnis über die Tätigkeit seines Sohnes und wir werden bald sehen, wie er davon erfuhr. Vorerst aber wollen wir von der sonderbaren Haube sprechen, mit der man das Opfer bekleidet hatte. Da man wußte, daß die Wollust Verneuils nur bei den Schreien seiner Frau erwachen würde, hatte man mit ihrer Mundöffnung einen Trichter in Verbindung gebracht, derart, daß jeder Schrei, dem Brüllen eines Ochsens[375] ähnelte. »Teufel, was ist das?« fragte Verneuil, als er diese Musik hörte, »was machen denn diese Leute, daß sie so gröhlt?« Schließlich nahmen die Schreie ab und statt dessen hörte man das Gestöhn des entladenden D'Esterval. »Er ist fertig,« sprach Verneuil und ergoß gleichfalls seinen Samen in den Hintern Dorotheas. »Ich hin jetzt Witwer.« »Ich glaube auch,« entgegnete die liebenswürdige Gattin D'Esterval's, »aber es bleibt uns das Bedauern nicht gesehen zu haben.« »Vielleicht hätte ich weniger Vergnügen dabei gefunden,« antwortete Verneuil, »indem ich meine Fantasie sprechen ließ, habe ich mich bedeutend mehr aufgeregt. Aber jetzt geh hinein, Dorothea, ich höre deinen Mann noch keuchen, bitte ihn, daß, er dich auf dem Leichnam meiner Frau von John besteigen läßt und wenn du dann, naß vom Samen und dem Blut meiner Frau, zurückkehren wirst, will ich dich von hinten besteigen. Einen Gefallen mußt du mir aber tun, daß du im Augenblick der Krise laut schreist: ›Verneuil, Verneuil du bist Witwer und hast Hörner aufgesetzt bekommen. Mein Mann hat eben deine Frau ermordet.‹ Nicht wahr, mein Engel, du wirst das tun und du sollst auch die Folgen dieses Ausrufes sehen.« »O Verneuil, welch eine Fantasie,« rief Dorothea aus, »welch ein Kopf.«

Wie groß war das Erstaunen Dorothées als sie sah, daß Bressac und Victor an dem eben begangenem Verbrechen mitschuldig waren.

Man winkte ihr, sie möge nichts verraten und statt John's steckte Victor sein Glied in den Hintern. Im Augenblick des Entladens begann der kleine Schuft zu schreien: »ich bin es Vater, der deine Frau getötet hat und ich habe dir Hörner aufgesetzt.« Bei diesen Worten konnte Verneuil sich nicht länger halten. Er stürzte in das Zimmer D'Estervals und angesichts des Leichnams seiner Frau, bestieg er seinen Sohn. Bressac bearbeitete seinen Onkel und hatte gleichzeitig John's Glied in sich und Marcelline peitschte und ermutigte alle Teilnehmer dieser furchtbaren Orgie, die sich bis zum Tagesanbruch hinzog.29

Man kann sich leicht vorstellen, daß man sich bloß trennte, um sich zu versprechen, bald wieder zusammen zu kommen.

Gernande verbrachte einige Tage auf dem Schlosse seiner neuen Gattin und führte sie dann in sein eigenes ein.[376]

Mme. de Volmire konnte ihre Tochter nicht begleiten, sie war zu sehr vom Rheumatismus geplagt.

Um diese Zeit dachte Justine von neuem an die Flucht und sie hätte auch sogleich ihren Gedanken ausgeführt, wenn sie nicht darauf gehofft hätte, unter der zweiten Gemahlin glücklicher zu werden, wie unter der ersten. Fräulein de Volmire war neunzehn Jahre alt, viel schöner als ihre Vorgängerin und wußte Justine derart zu fesseln, daß sie beschloß, sie um jeden Preis zu retten.

Es waren bereits sechs Monate, daß der niederträchtige Gernande sein sanftes und entzückendes Weib durch alle seine Launen quälte. Die ganze Satansbande war wieder versammelt, neue Grausamkeiten begannen und Justine zögerte nicht länger. Sie entdeckte sich ihrer Herrin und bezeugte ihr offen den Wunsch, sie zu befreien.

Es handelte sieh darum, die Mutter von allem zu unterrichten und ihr die Grausamkeit des Grafen vor Augen zu führen. Fräulein de Volmire zweifelte nicht daran, daß ihre Erzeugerin alsbald herbei eilen würde, um sie zu befreien. Aber was dann? Sie waren so sorgfältig behütet. Justine die gewohnt war Hindernisse zu nehmen, maß mit den Augen die Höhe der Terasse ab.

Sie betrug kaum dreißig Fuß. Anderweitige Hindernisse scheinen nicht da zu sein und Fräulein de Volmire, die bei Nacht angelangt war, bestätigte dies. Unsere tapfere und aufrichtige Freundin beschließt also den Sprung zu wagen. Volmire schrieb ihrer Mutter einen rührenden Brief und bat flehentlich um Hilfe. Justine steckte den Brief in ihren Busen, umarmte die teure Freundin und ließ sich hinuntergleiten. Wie aber wurde ihr, als sie bemerkte, daß sie sich nicht im Freien befand, sondern sich ringsum hohe Mauern erhoben. Was sollte nun aus ihr werden? Was sollte man von ihr denken, wenn man sie an diesem Orte treffen würde? Würde der Graf nicht alles erraten und würde sie nicht kaltblütig hingeschlachtet werden? Eine Rückkehr war unmöglich.

Volmire hatte die Leinentücher, die ihr beim Herabgleiten behilflich waren, wieder hinaufgezogen und an die Türen kennte sie nicht klopfen, um sich nicht zu verraten. Es fehlte wenig und die arme Justine hätte sich kopflos ihrer Verzweiflung überlassen. Endlich erwachte der Tag und der erste der ihr zu Gesicht kam, war der Graf selbst. Er war ausgegangen, um kleine Knaben einzufangen, denen er erlaubt hatte, in seinen Park Zweige aufzulesen. Er zerriß gerade die Arschbacken eines dieser Unglücklichen, als seine Augen auf Justine fielen. Er glaubte ein Gespenst zu sehen und zog sich hastig zurück. Jedoch Justine erhob sich zitternd und warf sich zu seinen Füßen. »Was machen[377] Sie da,« fragte der Menschenfresser »Oh, mein Herr, strafen Sie mich, ich bin schuldig,« die Unglückselige, sie hatte vergessen den Brief ihrer Herrin zu zerreißen. Gernande beargwöhnte sie, fand die verhängnisvolle Schrift, überflog sie und befahl Justine ihm nachzufolgen. Sie kehrten durch eine unterirdische Stiege in das Schloß zurück, in dem die größte Stille herrschte. Der Graf öffnete ein Verließ und warf Justine hinein. »Unverständiges Mädchen,« sprach er zu ihr, »ich hatte dir doch gesagt, daß du mit dem Tode bestraft werden würdest. Bereite dich also vor, morgen nach Tisch werde ich dich ins Jenseits befördern.« Das arme Geschöpf stürzte sich von neuem dem Barbaren zu Füßen. Der aber ergriff sie an den Haaren, zerrte sie zwei oder dreimal im Gefängnis herum und warf sie schließlich an die Mauer.

»Du würdest verdienen, daß ich dir sofort die Adern öffne,« sprach er im Hinausgehen, »und wenn ich dein Ende verzögere, geschieht es nur um es grausamer und schrecklicher zu gestalten.«

Man kann sich nicht vorstellen, wie qualvoll die folgende Nacht für Justine war. Man muß selbst unglücklich gewesen sein, um sich die Angst einer zum Tode Verurteilten vorstellen zu können. Ueber die Art ihrer Qualen in Ungewißheit gab sie sich hunderterlei Vorstellungen hin. Beim leisesten Lärm glaubte sie ihren Henker zu hören und ihr Blut erstarrte. Unsere Heldin befand sich sechsunddreißig Stunden in dieser Lage, als die Türen sich öffneten und Gernande erschien. Er war allein und in seinen Augen funkelte Wut.

»Sie kennen,« sprach er, »den Tod, der sie erwartet. Ihr Blut muß in Absätzen herausströmen und ich will ihnen dreimal im Tag zur Ader lassen.« Und das Ungeheuer ergriff einen Arm Justines, stach sie und verband die Wunde um Justine für neue Qualen aufzusparen. Kaum war er aber zu Ende, als man lautes Schreien hörte: »Mein Herr, mein Herr, kommen Sie so rasch als möglich,« rief einer der Alten, »Madame stirbt und sie will Sie noch sprechen, bevor sie ihre Seele aufgibt.«

Wie immer man auch an Verbrechen gewöhnt sein mag, im Augenblick, da es sich vollzieht, erfährt man doch einen Anfall von Schrecken. Gernande stürzte verwirrt hinaus und vergaß die Türen zu schließen. Justine zog aus diesem Umstand Nutzen und so geschwächt sie auch war, es gelang ihr aus ihren Kerker zu entfliehen und den Hof zu überschreiten. Bald befand sie sich auf der Landstraße, ohne von jemand bemerkt zu sein.

Voll von Dankbarkeit für ihren eingebildeten Gott, schritt sie tapfer weiter und bei Anbruch der Nacht kam[378] sie an eine Hütte, die bereits sechs Meilen vom Schloß entfernt war.

Da sie ihre Herrin für tot hielt und den Brief an die Mutter nicht mehr besaß, verzichtete sie auf die Hoffnung. Volmire nützlich zu sein und brach am nächsten Morgen nach Lyon auf.

Nach acht Tagen langte sie an, sie ruhte sich in der Stadt aus und beschloß nach Grénoble weiter zu reisen, wo, wie sie sich einbildete, sie zweifellos ihr Glück machen würde. Wir aber wollen einmal betrachten, was ihr inzwischen zustieß.

XVII. Kapitel.

Justine überließ sich einen Augenblick lang ihren trüben Gedanken, als ihr eine Zeitung in die Hand fiel. Sie las darin mit Erstaunen, daß Rudin, jener niederträchtige Mensch, der sie so grausam bestraft hatte, soeben von der Kaiserin von Rußland als Leibarzt erwählt worden war. »Großer Gott,« rief sie erstaunt aus, »so ist es also in meinen Schicksale geschrieben, daß ich nur Beispiele von belohntem Laster und bestrafter Tugend sehen soll. Nun denn, er möge triumphieren, der Verbrecher, da es die Vorsehung will und du Unglückliche dulde, dulde ohne dich zu beklagen. In deinem Herzen herrscht Ruhe, während in dem jener Verbrecher die Gewissensbisse ihren Sitz aufgeschlagen haben.« Die Arme sie wußte noch nicht, daß es für derartige Seelen keine Gewissensbisse gibt.

Unser interessantes Mädchen befand sich aber noch nicht am Ende ihrer Dulderjahre und sie mußte noch einige Beispiele von belohntem Laster sehen.

Sie beschäftigte sich gerade mit ihrer Abreise, als ein in Grün gekleideter Lakai ihr eines Abends folgendes Schreiben überbrachte und sie um Antwort bat:

Jemand, den Sie falsch verdächtigen, brennt danach Sie zu sehen. Beeilen Sie sich, ihn aufzusuchen. Die betreffende Person kann Ihnen vielleicht Aufklärung geben, die Sie von Ihrem Irrtum befreit.

»Woher kommen Sie mein Herr,« fragte Justine den Lakai, »ich kann Ihnen erst antworten, wenn ich weiß, wer Ihr Herr ist.«

»Er heißt Saint-Florent, Fräulein, er hat Sie früher einmal in Paris kennen gelernt und Sie haben ihm, wie er behauptet, Dienste geleistet, die er unbedingt belohnen möchte.

Jetzt steht er an der Spitze eines großen Handelsgeschäftes und ist im Besitze eines Vermögens, das ihm in die Lage versetzt, seine Pläne mit Ihnen zu verwirklichen.«

Justinens Entschluß war bald gefaßt. Wenn dieser Mann, so dachte sie, keine guten Absichten hätte, würde[379] er mir nicht auf diese Art und Weise schreiben. Zweifellos bereut er seine Niederträchtigkeiten und erinnert sich an die Bande die uns vereinigen. Oh, zweifellos, er hat Gewissensbisse und ich würde mich gegen das höchste Wesen vergehen, wenn ich sie nicht mildern wollte. Ich bin übrigens nicht in der Lage eine Hilfe, die sich mir bietet, zurückzuweisen. Dieser Mann will mich überdies in seinem eigenen Hause empfangen und er wird sich wohl hüten, sich nochmals vor seinen Leuten gegen mich zu vergehen.

Auf Grund dieser Ueberlegung beschied Justine den Lakaien, sie werde sich am nächsten Tag um 11 Uhr die Freiheit nehmen, seinen Herrn zu begrüßen. Sie legte sich ins Bett, war aber mit dem, was ihr dieser Mann zu sagen hätte, so sehr beschäftigt, daß sie kein Auge schließen konnte. Endlich am nächsten Tage machte sie sich auf den Weg. Ein prachtvolles Haus, eine Unmenge von Dienern sowie die demütige Aufforderung dieser reichen Kanaille, alles dies brachte sie eben in Verwirrung, als derselbe Lakai, der sie besucht hatte, sie in ein dunkles Kabinett führte, in dem ihr früherer Peiniger sie erwartete. Saint-Florent erhob sich nicht, sondern gab ein Zeichen, daß man ihm allein lassen möge, und lud Justine ein, sich zu setzen. »Ich habe Sie sehen wollen, meine Liebste, sprach er, mit dem frechen Ton der Ueberlegenheit, nicht, weil ich glaube gegen Sie ein großes Unrecht begangen zu haben, aber ich erinnere mich, daß Sie in der kurzen Zeit, während welcher wir beisammen waren, viel Geist gezeigt haben. Dessen werden Sie für meinen Vorschlag auch bedürfen, sollten Sie annehmen, so steht Ihnen mein Vermögen zur Verfügung, im gegenteiligen Falle erhalten Sie natürlich nichts.« Da Justine etwas erwiedern wollte, fuhr Saint-Florent fort. »Lassen wir das Geschehene ruhen. Sie waren jung und hübsch, Justine, Sie waren meine Nichte, wir befanden uns in einem Wald, Sie besaßen die Blume der Unschuld und ich habe Sie eben vergewaltigt.« »Vielleicht wollen Sie mir aber sagen, warum ließen Sie mich ohne Hilfsmittel auf einer gefährlichen Straße inmitten der Nacht zurück.« »Ah, Justine, die Gründe hiefür würde ich Ihnen vergeblich zu erklären trachten. Sie hatten mich verpflichtet Justine, Sie hatten mir geholfen meine Fessel zu lösen, mit einem Wort, Sie hatten Anrecht auf meine Dankbarkeit. Giebt es aber für eine Seele, die der meinen gleicht, einen triftigeren Grund zu allen erdenklichen Verbrechen?« »Mein Herr, welche Grausamkeit.« »Lassen wir das jetzt, mein Kind, und kommen wir auf den Gegenstand zurück, weswegen ich Sie sehen wollte.«

Die außerordentliche Neigung für Jungferschaften hat mich noch nicht verlassen. Es ist mit ihr ebenso wie mit[380] allen anderen Leidenschaften, je mehr man altert, desto stärker werden sie. Jeden Tag benötige ich zwei Kinder zur Opferung. Habe ich mich an ihnen befriedigt, so müssen diese Geschöpfe aus der Stadt verschwinden, ich könnte die Freuden des nächsten Tages nicht rein genießen, wenn ich daran denken müßte, daß mein Opfer von heute, noch dieselbe Luft mit mir atmen, das Mittel mich ihrer zu entledigen ist einfach. Würdest du es glauben, Justine, das die Langnedoc und die Provence durch mich bevölkert wird.30

Eine Stunde, nachdem diese kleinen Mädchen mir gedient haben, werden sie von meinen Handelsleuten eingeschifft und dann mit Kupplerinnen von Nîel, von Montpellier, von Toulouse, von Aix und Marseille verkauft. Dieser Handel entschädigt mich reichlich für meine Selbstkosten und befriedigt gleichzeitig meine anderen Hauptleidenschaften, die Wollust und die Geldgier. Es ist mir aber zu anstrengend, immer neue Objekte zu entdecken und zu verführen, außerdem will ich, daß sie alle aus den Asylen des Elends stammen. Ich lasse daher alle diese Zufluchtsstätten unbarmherzig durchstöbern, und man macht sich keinen Begriff davon, wie reichhaltige Ernte sie mir geben. Ich gehe aber noch weiter. Ich trachte durch meinen allmächtigen Einfluß in der Stadt, die Preise der Lebensmittel in die Höhe zu treiben, damit neue Opfer in meine Arme strömen. Trotz aller Mühe jedoch bedarf ich einer jungen intelligenten Frau, die die Pfade des Unglückes beschriften hat, und dadurch fähig ist, die Elenden besser zu verführen. Ich besaß eine derartige Frau, allein sie starb. Man kann sich nicht vorstellen, wie weit diese Frau ihre Niederträchtigkeiten trieb. Dieses Wesen sollst du ersetzen, meine Teuere. Du sollst zweitausend Taler jährliches Einkommen haben und vier Weiber sollen deinen Befehlen gehorchen. Antworte Justine, aber laß dich nicht von Hirngespinsten zurückhalten, dein Glück zu machen, wenn die Hand des Schicksals »es dir darbietet.«

»O mein Herr,« erwiederte schwankend Justine, »wie können Sie derartige Grausamkeiten erfinden und wie können Sie mir zumuten, daß ich Ihnen dabei helfe. Grausamer Mann, wären Sie nur zwei Tage unglücklich, Ihr Herz würde sich ändern. Gerechter Gott, nicht nur, daß[381] Sie mit dem Elend Mißbrauch treiben, Sie wollen es noch vermehren, und um ihre Begierde zu befriedigen, welche Grausamkeit. Die wildesten Tiere sind nicht herzloser.« »Du täuschest dich, Justine, es giebt nichts, was der Wolf nicht anwenden würde, um das Lamm in seine Falle zu locken. Diese Listen werden uns von der Natur eingegeben, die Woltätigkeit aber nicht. Ich frage Sie also nochmals, wollen Sie meinen Vorschlag annehmen oder nicht?« »Ich weise ihn natürlich zurück,« erwiederte Justine, und erhob sich, »o ich bin arm mein Herr, trotzdem fühle ich mich reich, weil mich die Gefühle meines Herzens entschädigen.« »Hinaus,« sprach kaltblütig der abscheuliche Mann, »und daß Sie mir nicht schwatzen, ich würde Sie sonst an einen Ort bringen, wo Ihnen das unmöglich fallen würde.«

Nichts ermutigt die Tugend so, wie wenn das Laster sie fürchtet. Mutvoller, als sie selbst es gedacht hätte, versprach Justine Verschwiegenheit zu bewahren, wenn man ihr das geraubte Geld zurückgeben würde. »Sie müssen daran denken, mein Herr, daß das Geld mir gerade jetzt unentbehrlich ist,« sprach sie. Allein das Ungeheuer erwiederte, daß es an ihr läge, wenn sie etwas verdienen wolle, und daß er nicht im geringsten die Verpflichtung in sich fühle, ihr zu helfen. »Nein, mein Herr, erwiederte sie mit Festigkeit, ich möchte tausendmal eher zugrunde gehen, als mein Leben um diesen Preis zu verkaufen.« »Und ich,« entgegnete Florent, »ich gebe nicht gern mein Geld jemanden, der es nicht verdient. Trotzdem Sie mir mit großer Frechheit geantwortet haben, will ich Ihnen noch eine Viertelstunde Bedenkzeit geben.« »Ich werde auf keinen Fall ihren niederträchtigen Leidenschaften dienen,« entgegnete Justine frostig, »übrigens verlange ich von Ihnen kein Almosen, sondern daß, was Sie mir schulden, und daß Sie mir auf die schandloseste Weise gestohlen haben. Behalte es, grausamer Mann, aber denke daran, daß ich dadurch das Recht erwerbe, dich zu verraten.«

Nur hätte Justine daran denken müssen, daß die Tugend auch dann nicht glücklich ist, wenn sie eine derartige Sprache führt. Saint Florent klingelte, der Kammerdiener erschien, und »hier ist ein kleines Geschöpf,« sprach er, daß mich ehemals bestohlen hat, ich müßte Sie hängen lassen, wenn ich meine Pflicht erfüllen wollte, trotzdem jedoch will ich ihr das Leben retten und nur um die Gesellschaft von ihr zu befreien, will ich sie zehn Jahre lang in unserem Zimmer gefangen halten.

Lafleur bemächtigte sich alsbald Justinens, die durchdringende Schreie ausstieß. Saint-Florent sprang wütend auf, verband ihr den Kopf, und fesselte ihre Hände, dann half er seinem Diener, und die beiden stießen nun die Unglückliche[382] in ein vollkommen abseits gelegenes Zimmer, in dem ihre Klagen ungehört verhallten.

Sie befand sich noch keine Stunde darin, als Saint-Florent mit Lafleur wieder erschien. »Nun,« fragte dieses Ungeheuer an Geilheit, »wollen Sie es noch wagen, sich meinen Begierden zu entziehen.« – »Der Wunsch ist der gleiche geblieben, und meine Kräfte haben sich nicht geändert.« – »Desto besser,« erwiderte Saint-Florent, »so werde ich also gegen ihren Willen handeln und das wird mein Vergnügen erhöhen. Ziehen Sie diese Hure aus. Ah, ah,« sprach Saint-Florent, als er das verhängnisvolle Zeichen bemerkte, »es scheint, als ob meine teure Nichte nicht immer zu tugendhaft gewesen ist, wie sie uns einreden will und diese verräterischen Spuren klären uns vollkommen über ihr Betragen auf.« – »In der Tat, mein Herr,« setzte Lafleur fort, »diese Bestie kann sie entehren, ich rate Ihnen also, wenn Sie sich an ihr befriedigt haben, sie in einen Kerker zu werfen.« – »Hören Sie mich an, mein Herr,« rief jetzt Justine, »bevor Sie mich verdammen.« Und das arme Mädchen erklärte ihr ganzes Mißgeschick. Jedoch ein so unschuldiges Gesicht Justine immer machte, Saint-Florent spielte doch den Ungläubigen und wiederholte seine höhnischen Bemerkungen. Justine stand nackt da und wurde nun von den beiden Männern in roher Weise zugerichtet. Jedoch alle ihre Bitten, alle ihre Kämpfe waren umsonst, sie war wehrlos und mußte nachgeben. »Weißt du,« fragte der Herr seinen Vertrauensmann, »ob für mich ein kleines Mädchen vorbereitet ist?« – »Gewiß, mein Herr, die Stunde hat bereits geschlagen und Sie wissen, wie pünktlich man Sie bedient.« – »Hole sie mir,« sprach er, und während der Diener hinausging, vollführte der Wüstling Dinge, die man kaum beschreiben kann. Das Ekel spuckte in die Mitte des Zimmers und zwang Justine, seinen Speichel aufzulecken. Sie weigerte sich, jedoch Saint-Florent faßte sie, drückte ihr den Kopf hinab und rief aus: »Verfluchtes Geschöpf, warum kommst du mir nicht mehr entgegen, du wirst noch ganz andere Dinge begehen, sobald mein Opfer da ist.« Und alsbald erschien das angekündigte Mädchen. Es war ein achtjähriges Kind, das sich in einem derartigen Zustand befand, daß bei seinem Anblick nur das Gefühl des Mitleids rege wurde. »Entkleide dieses Mädchen,« sprach Saint-Florent zu Justine, »aus deinen Händen will ich sie empfangen. Du, Lafleur, kitzle mein Glied,« und der Schamlose betastete die Arschbacken seines Vertrauten, indem er sich von ihm wichsen ließ. »Ebne den Weg,« fuhr er jetzt zu Justine gewandt fort, »befeuchte die Scheide dieses kleinen Mädchens mit deiner Zunge und trachte das Speichel drin bleibt.« Die nun folgenden Schreie, Tränen und Klagen konnten unseren Wüstling nicht zurückhalten, das Opfer zu begehen. Lafleur legte sich aufs Bett, zog Justine an sich und[383] begann sie von vorne zu bearbeiten, indem er auf diese Art und Weise ihren Hintern den Angriffen Saint-Florents preisgab. Mit einer langen Stahlnadel bewaffnet, ergötzte sich der Barbar daran, die schönen Arschbacken unserer Abenteurerin zu stechen. Bei jedem Stich spritzte das Blut hervor. »Nun wollen wir von hinten ficken,« sprach er nach einiger Zeit, »du drehe Justine um, ich will meine Kleine umdrehen,« Der Befehl wurde ausgeführt und auf diese Weise die Scham Justines den Nadelstichen preisgegeben. »Teufel,« rief Saint-Florent, »welch ein Vergnügen, in eine Scham zu stechen, während man einen Arsch fickt. Was sagst du dazu, Lafleur?« – »Ich würde sie spicken wie eine Gans,« und alsbald wurden sämtliche Körperteile Justines dieser Peinigung unterworfen. »In dem Zustand, in dem sie sich jetzt befindet, will ich ihr die Ehre antun, sie nochmals zu ficken,« sprach Saint-Florent und verließ den Hintern seiner Jungfrau, um in die Scheide Justines hineinzufahren. »Ah,« sprach er und preßte sich auf sein Opfer, »ich liebe es, mich auf diese Art und Weise an einer Frau zu befriedigen,« und nun wurden die Arschbacken des kleinen Mädchens dem eigenartigen Vergnügen mit der Nadel unterzogen. »Eh, eh,« rief er aus, »man gebe mir Messer, Dolche, Pistolen, ich will töten, ich will massakrieren, ich will meine ganze Umgebung ermorden,« und erst nachdem sich die Hoden des Rasenden entleert hatten, gewannen die Opfer einige Ruhe, um sich ein wenig zu erholen.

»Justine,« sprach Saint-Florent nach einigen Augenblicken, »ich habe Ihnen schon gesagt, wie wichtig es zu meiner Befriedigung gehört, daß die Opfer meiner Wollust verschwinden, sobald ich mich an ihnen befriedigt habe. Wollen Sie mir schwören, Lyon sofort zu verlassen. Nur unter dieser Bedingung gebe ich Ihnen die Freiheit zurück. Sollten Sie um sieben Uhr noch in der Stadt sein, so können Sie auf ewiges Gefängnis rechnen.«

»Herr, seinen Sie versichert, öffnen Sie die Tür, Sie werden mich in Ihrem Leben nie wiedersehen,« und das arme Mädchen verließ eiligst ein Haus, in dem man es so grausam behandelt hatte, lief nach der Herberge und verließ in einigen Stunden die Stadt. »Oh Himmel,« rief sie dabei aus, »welche Verderbtheit das Ungeheuer begeilt sich an den Tränen der Unglücklichen.«

Justine war bald außerhalb der Stadt, aber es schien, als ob jeder ihrer Schritte von einem unglücklichen Abenteuer gefolgt sein müsse, und als ob alle tugendhaften Empfindungen ihrer schönen Seele schlecht belohnt werden müssen.

Kaum hatte sie zwei Meilen zu Fuß zurückgelegt, als eine alte Frau mit schmerzvollem Gesicht an sie herantrat, und sie um ein Almosen bat. Weit entfernt, so hart zu sein, wie sie es eben gesehen hatte, zog sie sogleich ihre Börse heraus, um der[384] Frau einen Taler zu geben; allein das geschickte Wesen hatte di Maske des Alters nur vorgetäuscht, um Justine in die Falle zu locken und griff nunmehr hastig nach der Börse, faßte sie, gab Justine einen Faustschlag in den Magen und verschwand im Gehölz. Justine eilte der Diebin nach, erreichte sie und fiel mit ihr in eine Fallgrube, die durch Blätterwerk versteckt war.

Sie fiel beträchtlich tief und fand ein weites unterirdisches Gewölbe, das schön und bequem möbliert war. »Wer ist dies, Seraphine,« fragte ein dicker starker Mann, der vor einem Feuer saß. – »Ein kleines betrogenes Ding,« antwortete die Diebin, »sie ist mir nachgelaufen, weil ich ihr Geld gestohlen habe und wir sind gleichzeitig herabgefallen. Dieses Mädchen kann uns nützlich sein, Kapitän, und es tut mir nicht leid, daß ich ihr begegnet bin.« – »In der Tat, sie sieht nicht übel aus,« erwiderte der Anführer und ließ Justine herantreten, »und sollte sie selbst nur den Vergnügungen unserer Truppe dienen, so wäre dies immerhin etwas.« Und Justine wurde alsbald von Männern, Frauen und Kindern jeden Alters umgeben. Bald sah sie ein, daß sie sich in ziemlich schlechter Gesellschaft befand.

»Ist es nicht indiskret, mein Herr,« fragte sie zitternd den Anführer, »wenn ich Sie bitte, mich über diese Persönlichkeiten hier aufzuklären. Ich höre Sie über mich verfügen, herrschen denn die Gesetze, die Regeln der Schicklichkeit hier nicht ebenso wie auf der Oberfläche der Erde?« – »Iß vorerst von diesem Kuchen, Herzchen,« antwortete der Anführer, »und trinke ein Glas Wein, dann wirst du erfahren, wer die Leute sind, bei denen du bist und welche Aufgabe du zu erfüllen haben wirst.« Unsere Heldin war durch diese nette Anrede ein wenig beruhigt und setzte sich mit aufmerksamer Gespanntheit hin.

»Die Leute, in deren Mitte dein Stern dich führt,« sprach der Hauptmann, nachdem er zwei Prisen Tabak genommen hatte, »sind das, was man Bettler nennt. Wir verstehen es so gut, das Mitleid der Leute zu erwecken, daß wir dadurch das ganze Jahr hindurch in Luxus und Wohlhabenheit leben können. Wenn es kein Mitleid gibt, gibt es auch keine Lüge, die man leichter im Menschen erregen kann. Einige Klagen, einige Wunden, ein abstoßendes Kleid, alles das führt die Seele dem Mitleid zu. Sieh einmal diese Verkleidungen an, diese Kräuter, die uns entstellen31, diese Kinder, deren wir uns bedienen, um Mütter zu rühren. Unser Vorgehen ist jedoch manchmal durch die Umstände verschieden bedingt; wenn wir uns als Schwächere fühlen, sind wir demütig und kriechend, sind wir die[385] Stärkeren, benehmen wir uns frech.« – »Aber Sie töten wenigstens nicht, meine Herren,« unterbrach teilnahmsvoll Justine. – »Gewiß, meine Teure,« erwiderte der Anführer, »wenn man uns Widerstand leistet, machen wir nicht viel Geschichten, häufig werden Sie auf dem Wege, auf dem sie hergekommen sind, Leute ihr Leben verlieren sehen; sollen wir Ihnen vielleicht die Möglichkeit lassen, sich zu beklagen und uns zu verderben? Trotzdem jedoch sind wir weder Diebe noch Mörder von Beruf, unser einziges Handwerk ist die Bettelei. Es ist sicher, mein teures Mädchen, daß Ihr hübsches Aussehen, meine Kameraden verleiten wird, alle ihre Begierden an Ihnen zu befriedigen. Wenn das erste Feuer erloschen ist, wollen wir Ihnen eine Stellung anweisen, sollten Sie sich geschickt benehmen, werden Sie in die erste Reihe vorrücken, gefällt Ihnen aber unser Handwerk nicht, werden wi Sie allein zu jenem Dienst verwenden.«

Die ganze Truppe klatschte dieser Rede Beifall und man befahl Fräulein Justine, sich sofort zu entkleiden, um vorerst dem Oberhaupt und dann der übrigen Truppe zur Befriedigung zu dienen. Kaum hatte die unglückliche Justine diesen Befehl aussprechen hören, als sie sich weinend vor die Füße der Sprechenden warf und sie anflehte, sie von diesen Niederträchtigkeiten zu verschonen. Allein ein kräftiges Gelächter war die einzige Antwort, die sie erhielt.

»Schamvolles Kind,« sprach der Anführer, »wie konntest du glauben, daß diejenigen, die sich damit spielen, das Mitleid anderer zu erregen, die Schwäche haben, selbst solchen Empfindungen zugänglich zu sein? Merke dir, daß unsere Herzen hart sind wie die Felsen, die uns als Dach dienen. Gehorche, Schurkin, dein Widerstand könnte mit Gefahren für dich verbunden sein.« Justine fand keine Antwort mehr und bald wurde sie in nacktem Zustand von allen Anwesenden liebkost. Plötzlich bemerkte der Sohn des Anführers das verhängnisvolle Zeichen. »Was ist dies, Jungfrau?« fragte eines der Glieder des Senats. »Da du durch dieses Mal mit uns auf der gleichen Stufe stehst, scheint es mir, als ob es nicht recht gewesen wäre, die Spröde zu spielen.«

Justine erzählte nun ihre Geschichte, aber man glaubte sie ihr ebensowenig wie bei Saint-Florent und verscherte ihr, daß ihr dies kleine Unglück im Ansehen in der Truppe nicht schaden werde. »Mein Kind,« sprach der Anführer und entblößte eine seiner Schulter, auf der ein ähnliches Zeichen sichtbar wurde, »du siehst, wir ähneln uns und ich will noch bemerken, daß derartige Zeichen in unserem Stand Auszeichnungen sind. Wir haben noch dreißig hier, die ebenso bevorzugt wurden. Vorwärts, folge uns, schöner Engel,« fuhr das[386] Oberhaupt fort und zog Justine in eine abgesonderte Höhle. »Ich und diese Greise hier, wir wollen das Terrain sondieren.«

Die Sechzigjährigen, an der Zahl sechs, führten Justine in einen Raum, in dem ewige Lampen brannten, und dessen Boden mit weichen Matratzen belegt war. Es war das Boudoir dieser Herren. »Justine,« sprach einer der Greise, »geben Sie sich vorerst unserem Anführer hin, wir wollen dann der Reihe nach ihn ablösen.«

Gaspard ergriff Justine, allein er war zusehr abgenützt, um sich an ihr befriedigen zu können und er entlud ihr zwischen die Brüste.

Raymond, der folgte, hatte in der großen Welt gelebt, es war ein alter Pariser Ladendieb. Er leckte den Samen seines Mitbruders auf, ließ sich von Justine den Hintern lecken und entlud schließlich in ihren Mund.

Gareau war Priester gewesen und hatte sich die jesuitischen Neigungen bewahrt. So fickte er also Justine im Hintern und schrie wie ein Teufel, als er fertig wurde.

Ribert. verlangte, daß Justine ihn kitzle, während er sie ohrfeigen wollte.

Vernol war ebenso bösartig wie sein Kamerad, nur hatte er die Leidenschaft, an den Ohren zu reißen.

Mangin leckte den Hintern, indem er onanierte. Als er aber Gareau nachahmen wollte, verlor er unter Wehklagen seine Kräfte.

»Vorwärts, Kinder,« sprach das Oberhaupt, als er mit seinen Adjutanten zurückkehrte, »sie taugt etwas, aber laßt ein wenig Ordnung walten, jeder möge der Reihe nach antreten.«

Da acht bis zehn Männer anwesend waren, die sich nur an Knaben ergötzten, und fünf oder sechs Frauen, die nur Sappho huldigten, hatte unsere Heldin mit ungefähr dreißig Personen beiderlei Geschlechts zu tun. Obwohl ziemliche Ordnung herrschte, hatte die Unglückliche doch ungemein viel zu erdulden, jedoch Justine blieb immer gefällig, immer Sklavin, immer unglücklich und gab sich zu allem her, obwohl ihr Herz dagegen stimmte. Nach genossenem Vergnügen führte man sie zu einem Waschbecken, wo sie sich reinigte. Dann setzte man sich zu Tisch und die Konversation bewegte sich über die eben genossenen Freuden. Man trank viel und die Gesellschaft benahm sich ziemlich solid. Der Exjesuit Gareau näherte sich Justine: »Sie haben,« sprach er leise, »den schönsten Popo der Welt. Ich habe kaum Zeit gehabt, ihm genügend zu huldigen, folgen Sie mir nach; wenn alle schlafen, wollen wir in einem Winkel plaudern.«

Verlassen, wie Justine war, fühlte sie sich glücklich, daß ein Wesen für sie Interesse bezeugte. Sie blickte den Mann an, der zu ihr sprach und da er anständig aussah, stieß sie ihn[387] nicht zurück. Der neue Liebhaber unserer Heldin führte sie in eine kleine Zelle, nachdem sich beide gesetzt hatten, begann folgendes Gespräch:

»Im Augenblick, da ich Sie gesehen habe,« sprach Gareau, »haben Sie mir sofort Interesse eingeflößt, Ihre entzückende Gestalt, kündet mir Geist an, Ihre Reden eine gute Abstammung und ich bin für mich überzeugt, daß das Mal, das Sie tragen, nur durch unglücklichen Zufall Sie getroffen hat. Ich verberge Ihnen nicht, mein Engel, daß ich Sie mit Kummer in unserer Gesellschaft gesehen habe; wenn Sie den Beruf dieser Leute nicht ebenfalls ausüben, fürchte ich, daß sie Sie töten könnten, wenn sie Ihrer satt sind. In dieser peinlichen Lage sehe ich für Sie nur ein Mittel, und das besteht darin, sich mit mir gut zu verhalten, damit ich Ihnen eines Tages den Weg zur Freiheit weisen kann.« – »Aber, mein Herr,« fragte Justine, »da Sie Interesse an mir nehmen, werden Sie mir doch nicht zur Flucht verhelfen.« – »Ich werde Ihnen nachfolgen, Justine, glauben Sie denn, daß ich für diesen Beruf hier geboren bin? Geldgier, Faulheit und Wollust sind die Ketten, die mich fesseln. Ich gewinne gerne Geld, ohne mich weiter darum bemühen zu müssen, aber ich hoffe, daß Sie einen Unterschied zwischen mir und diesen Leuten herausfinden, denn ich werde sie früher oder später doch verlassen und wir wollen dann ein gemeinsames Leben führen. Im übrigen, wenn Sie öffentlich erklären, daß Sie mit mir leben wollen, werden Sie davor bewahrt bleiben, sich jedem dieser Schufte täglich hinzugeben.« – »Nun denn, mein Herr, ich willige ein. Ich liefere mich Ihnen aus, wenn Sie mir feierlich versprechen, daß ich nicht gezwungen werden soll.« – »Ich schwöre es Ihnen,« sprach Gareau, »und will das Gelübde mit Ihrem Hintern besiegeln.« Seufzend gab sich Justine hin und der geschickte Jesuit fuhr so sanft hinein, wie es nur einem Jünger des Ignatius möglich ist.

»Jetzt aber wollen wir zurückkehren,« sprach er, nachdem er sich befriedigt hatte, »eine längere Abwesenheit könnte Argwohn auf uns werfen.«

Unsere Wüstlinge erzählten sich gerade Geschichten. Justine und Gareau setzten sich an das Feuer und beim Abendessen erklärte unsere Heldin, daß von allen Anwesenden Gareau allein ihr Vertrauen zu gewinnen gewußt habe. Der Anführer fragte Gareau, ob ihm dies passe, und nachdem dieser bejaht hatte, betrachtete man Justine allgemein als seine Frau.

Allein Gareau hatte, als er Justine seine Hand und seinen Schutz anbot, nicht aufrichtig gesprochen und die erste Nacht, die sie zusammen verbrachten, überzeugte Justine bald, daß sie nicht allein seine Gunst genoß. Einer der jungen Männer legte sich in der Nacht zwischen die Beiden. »Wer ist dies,« fragte Justine, »ist das Ihr Versprechen?« – »Ich sehe, es ist mein[388] Unglück,« antwortete Gareau, »von meiner liebenswürdigen Gattin nicht verstanden zu werden. Ich habe Ihnen gesagt, daß Sie Unterstützung, Ratschläge und liebevolle Aufnahme finden werden, nicht aber, daß ich enthaltsam bin. Sie müssen sich schon damit abfinden, daß wir häufig zu Dritt sein werden.« Während nun der Erzjesuit den Mann von hinten vornahm, verlangte er von Justine, daß sie das Glied des jungen Mannes lecke; so wurde ihr Entgegenkommen auf die Probe gestellt.

Einige Tage vergingen ohne weitere Ereignisse und Justine schien immer mehr das Vertrauen ihres Mannes zu gewinnen. Trotzdem war es ihr nicht möglich, ihn zu leiten, sondern sie mußte sich von ihm lenken lassen.

»Bald,« sprach eines Tages ihr Beschützer, »bald wird ein Dritteil unserer Leute, die sich auf dem Lande befinden, zurückkehren. Eine neue Abteilung wird ausgesandt werden, ich werde mich melden und Sie müssen mir nachfolgen; wenn wir einmal erst aus diesem schrecklichen Loch heraus sind, wollen wir nie mehr einen Fuß dahin zurücksetzen. Wir wollen uns in ein entlegenes Dorf flüchten und dort ruhig leben.«

»Oh, wie sehr gefällt mir dieser Plan,« rief Justine entzückt aus, »bringen Sie mich aus diesem Schlund weg, mein Herr, und ich schwöre Ihnen, daß ich Sie in meinem Leben nicht verlassen will.« – »Ich verspreche Ihnen, Sie herauszubringen, Justine, aber ich knüpfe daran eine Bedingung.« – »Und die ist?« – »Daß Sie die Kasse dieser Verbrecher mitstehlen und sie dann anzeigen.« – »Gut, die Kasse stehlen, das geht noch, aber sie bestrafen lassen, oh Gott, dazu werde ich niemals meine Einwilligung geben.« – »Nun denn, dann bestehlen wir sie einfach, dann soll aus ihnen werden, was da will.«

Wir haben den lebhaften Wunsch, den Lesern immer den Charakter unserer Heldin so klar zu zeigen, wie er war. Wir müssen also berichten, daß der Grund, weshalb sie in den Plan einstimmte, der war, daß sie dem Anführer der Truppe ein Geständnis machen wollte, um dann die Gnade des Schuldigen und ihre eigene Freiheit zu erwirken. Nach einigen Tagen kam eines der Mitglieder der abwesenden Abteilung an und berichtete, daß seine Kameraden zurückkehrten. Sofort versammelte sich das nächste Detachement und Gareau erhielt einstimmig den Oberbefehl über die kleine Armee.

Justine bat nun den Anführer um eine geheime Audienz, und als sie allein mit Gaspard war, entdeckte sie ihm ihre Geschichten, die jener viel besser wußte, wie sie selbst. »Vertrauensseliges Mädchen,« sprach der Hauptmann, »Gareau hat sich über Sie lustig gemacht und Sie sind in eine Falle geraten. Ihr Mitbruder hat Ihnen drei Dinge vorgeschlagen, uns zu bestehlen, uns anzuzeigen und zu flüchten, Sie gestehen nur den Diebstahl zu, Sie haben die Anzeige zurückgewiesen, die Flucht[389] aber in Ausführung bringen wollen. Das ist mehr als genug, Sie ordentlich bewachen zu lassen. Sie lieben unser Handwerk nicht und wir sind sicher, daß Sie es niemals beherrschen werden. So müssen wir Sie bloß als unsere Hure und Sklavin hier behalten und in beiden Fällen müssen Sie mit Eisenketten angeschmiedet werden.« – »Oh, mein Herr,« rief Justine aus, »wie, dieses Ungeheuer ...« – »Er hat Sie verraten und seine Pflicht dabei getan.« – »Aber er sprach doch von Liebe und zärtlichen Gefühlen.« – »Wie haben Sie glauben können, daß in einem Mitglied unserer Bande derartige Gefühle entstehen können? Gareau hat sich über Sie lustig gemacht, meine Tochter, er hat Ihnen Ihr Geheimnis entreißen wollen. Das möge Ihnen als Lehre für ein andermal dienen, für diesesmal unterwerfen Sie sich dem Schicksal, das Ihnen Ihre tugendhafte Unschuld bereitet hatte.«

Alsbald wurde Seraphine gerufen und Justine ihr übergeben. »Sie werden sie nicht einsperren,« sprach das Oberhaupt, »dürfen sie aber nicht aus dem Auge verlieren und haften mir mit Ihrem Kopfe für sie.«

Diese Seraphine, von der wir unseren Lesern endlich ein Bild geben müssen, war eine sehr hübsche dreißigjährige Frau, die mit einer ganz ungemeinen Geschicklichkeit begabt war. (Man erinnert sich noch an die Art und Weise, wie sie Justine täuschte.) Sie war von einer derartigen Sittenverderbtheit, wie man sie selten findet.

Gareau brach ein helles Gelächter aus, als er Justine mit ihrer Wächterin zurückkehren sah. »Was hältst du von diesem Gänschen?« fragte er Seraphine. – »Sie ist noch ein Neuling,« antwortete diese, »man muß es ihrem guten Glauben zugute halten.« – »Wie,« fragte Gareau, »wird sie nicht mit dem Tode bestraft werden?« – »Ah, Verbrecher, das wolltest du,« sprach Justine, »deshalb täuschtest du mir Gefühle von Liebe vor.« – »Liebe, Liebe, Seraphine, was sagst du zu dieser Jungfrau, die sich einbildet, daß man ihr Liebe schuldet, weil man sie im Hintern gefickt hat.« – »Sie ist jetzt in meiner Obhut,« sprach Seraphine, »und ich verspreche dir, daß sie mir nicht auskommen wird.« – »Ich hätte es lieber, wenn sie bei den Toten läge,« antwortete das Ungeheuer, indem es sein Glied in den Hintern eines Knaben steckte.

Nunmehr wurde Justine mit den niedrigsten Aufträgen betraut. Mit einem Wort, sie wurde die Sklavin der Seraphine. Man kündigte in den unterirdischen Gewölben durch einen Zettel an, daß Justine nicht mehr die Geliebte Gareaus sei und sich infolgedessen jedem, der nach ihr begehrte, hingeben müsse. Das Hübsche an der Sache war, daß als erster Gareau selbst erschien. »Komm, Schurkin,« sprach er, »wenn ich dich[390] auch irregeführt habe, liebe ich doch deinen Hintern, komm, bevor ich weggehe, will ich ihn noch einmal bearbeiten.«

Schließlich brach Gareau mit seinen Kumpanen auf und die zurückkommende Abteilung zog ein. Justine hatte also bald eine ganze Anzahl neuer Personen über sich und besonders das Oberhaupt dieser Truppe quälte Justine aufs Aeußerste. Roger, einer der größten Verbrecher, besaß im geschlechtlichen Verkehr Eigenschaften, die nicht ganz geeignet waren, Sympathien einzuflößen. Das Ekel pflegte in die Mitte eines Zimmers zu scheißen und das betreffende Weib mußte eine Stunde lang in diesem Kot herumlaufen. Er selbst war mit einem ungeheuren Hammer bewaffnete und peitschte während der Zeit den ganzen Körper des Weibes. Wenn er aber die Worte: »Friß Hure« aussprach, mußte das arme Opfer den Kot verschlucken und dabei selbst in seinen Mund scheißen. In diesem Augenblick begann sein Samen sich zu entladen. Sein Taumel wurde aber erst vollständig, wenn er Blut fließen sah oder einige Glieder zerbrechen konnte.

Inzwischen hatte man Bilanz gemacht und gefunden, daß die neue Truppe an Almosen nahezu siebenmalhunderttausend Pfund mitgebracht hatte. »Oh, Teufel,« rief Gaspard aus, »es lebe die christliche Barmherzigkeit. Wie geistvoll war derjenige, der diese erhabene Tätigkeit als Tugend bezeichnete, ohne ihn könnten wir heute nicht leben. Fahren wir fort, Freunde, den Priestern Unterstützungen zu zahlen, um die menschlichen Herzen aneifern zu lassen. Niemals noch werden wir unser Geld angelegt haben wie auf diese Weise.«32

Plötzlich öffnete sich die Falltüre und spie einen vierzigjährigen, gut gekleideten Mann herab, der vorerst wortlos, nach einem Augenblick der Ruhe aber fähig war, sein Mißgeschick zu erzählen. Der Wanderer hatte, um ein natürliches Bedürfnis zu befriedigen, sich in ein Gesträuch zurückgezogen und die Erde war unter seinen Füßen gewichen, sein mit Gold beladenes Pferd mußte einige Schritte weit von dem Erdloch entfernt sein und so sprach er: »Hat mich mein Schicksal in die Hände von Räubern fallen lassen, dann müßt Ihr euch beeilen, den Schatz in Sicherheit zu bringen. Habt Ihr aber keine bösen Absichten mit mir, dann bringet mich rasch wieder auf die Erde.« – »Dich auf die Erde bringen?« fragte Roger und hielt eine Pistole gegen den Mann gerichtet. »Ah, Verbrecher, deine Augen werden niemals wieder die Sonne sehen.« – »Was sehe ich, großer Gott,« rief der Reisende aus, »bist du es, Roger, du, mein Bruder, den ich sozusagen an meinem[391] Busen ernährt habe, du, mein Freund, dem ich zweimal das Leben gerettet habe, du, der mir mit einem Wort alles schuldet? Oh, wie danke ich dem Himmel, dich an diesem düsteren Ort zu finden. Wer immer diese Leute sind, wenn du mir als Beschützer dienst, werden sie mir nichts antun.« – »Der Schlag soll mich treffen,« rief Roger aus, »wenn es etwas gibt, das mich milder stimmen könnte und hättest du mir tausend Leben gerettet, Verbrecher, ich würde dir nicht dankbar sein. Wisse, Kindrich, daß in unseren Seelen jedes andere Gefühl als das des Interesses erstickt ist, und daß, solltest du mir selbst tausendmal größere Dienste geleistet haben, ich dich nicht schonen würde.« Zwei Pistolenschüsse streckten alsbald den Bruder nieder. Kaum war dies geschehen, als Seraphine mit dem Gepäcke des Reiters ankam. »Das ist ein entzückendes Abenteuer,« sprach Gaspard, der bereits die Beute zählte und mehr als hunderttausend Franks vorfand. Der Brudermord Rogers fand viel Beifall in der Truppe, aber gar keinen Widerspruch. Die unglückselige Justine wurde beauftragt, den Leichnam zu verscharren und wir überlassen es den Lesern, sich auszudenken, wie sehr die genannten Vorfälle geeignet waren, ihren ohnehin starken Haß gegen die Truppe noch zu vermehren. Die Freude, die man über den glücklichen Fang hatte, bewirkte, daß man den ganzen Abend nur daran dachte, sich zu erfreuen. Eine Orgie wurde veranstaltet, bei der alle Frauen und Knaben nackt erscheinen mußten. Justine war beauftragt, zu servieren.

Kapitel XVIII.

Trotz des Zustandes der Demütigung, in dem die unglückliche Justine gehalten wurde, fand sie doch in Seraphine eine Schützerin, die, da sie sie ihren Freuden zuzog, der Unglücklichen einige Milde zuteil werden ließ. »Mein Engel,« sprach sie eines Tages, »ich fürchte, daß ich dir nicht genug Vertrauen einflöße, da du bereits von einem meiner Kameraden hintergangen worden bist. Ich schwöre dir aber, daß ich dich nicht täusche, und daß mein Mund die lauterste Wahrheit spricht. Man verlangt von mir in Lyon für einen Kaufmann ein junges Mädchen, seine Neigungen sind allerdings seltsam, aber er bezahlt sie dafür reichlich. Der Mann, von dem ich spreche, ist gottlos, er wird dich, während man die Messe vor ihm liest, bearbeiten, und zwar mit einer Hostie, während der messelesende Priester dich gleichfalls mit einer Hostie besteigen wird.« – »Wie furchtbar!« rief Justine aus. – »Ja, ich habe mir wohl gedacht, daß bei deinen Grundsätzen ein solcher Vorschlag Widerstand finden würde, aber ist es nicht besser, als hier zu bleiben?« – »Gewiß.« – »Nun denn, dann entscheide[392] dich.« – »Ich bin's bereits,« antwortete Justine mit ein wenig Gewissensbissen, »mache mit mir, was du willst.« Seraphine eilte nun zu Gaspard, hielt ihm vor, daß die Strafe Justines schon genug lang dauere und daß man die Truppe nicht länger der Dienste eines Mädchens berauben dürfe, daß Justine draußen mehr taugen würde wie im Innern der Erde. Die Gnade wurde gewährt. Man gab Justine noch gute Lehren und nach einem fünfmonatlichen Aufenthalt in dieser scheußlichen Höhle erhielt sie endlich die Erlaubnis, ihrer Beschützerin nach Lyon zu folgen. »Großer Gott,« rief Justine aus, als sie die Sonne wiedersah, »ein Werk der Barmherzigkeit, und ich werde durch fünf Monate lebend begraben; weil ich versprochen habe, ein Verbrechen zu begehen, löst man mir meine Ketten. O Vorsehung, erkläre mir doch deine unfaßbaren Wege, sonst müßte sich mein Herz aufbäumen.«

Unsere zwei Reisenden machten in einem Gasthaus halt, um zu frühstücken. Justine sprach kein Wort, dachte aber trotzdem immer an ihre Befreiung. »Madame,« rief sie aus und wandte sich an die Wirtin, eine ziemlich hübsche, gutmütige Frau, »oh, Madame, ich beschwöre Sie, mir Ihre Hilfe angedeihen zu lassen. Das Geschöpf, mit dem Sie mich sehen, zwingt mich, ein Haus aufzusuchen, in dem meine Ehre verletzt wird. Ich habe ihr das Versprechen gegeben, um einer Bande von Schuften zu entgehen, die mich gefangen hielten. Ich bitte Sie, ihr beizubringen, sie möge keine Ansprüche an mich stellen und dann behalten Sie mich bis morgen bei sich, damit ich meinen Weg für mich einschlagen kann.« »Verbrecherin,« rief Seraphine wütend aus, »bezahle mich wenigstens.« – »Ich schwöre beim Himmel, daß ich nichts schulde, zwingen Sie mich nicht, Seraphine, mich deutlicher auszudrücken.« Seraphine erschrak und verschwand fluchend. Justine verbrachte achtundvierzig Stunden bei der liebenswürdigen Wirtin und am Morgen des dritten Tages brach sie reich beschenkt auf, indem sie die Richtung nach Vienne einschlug, um darüber hinaus nach Grenoble zu gelangen.

Justine wanderte traurig vor sich hin, als sie in einem Feld rechts von ihrem Wege zwei Reiter sah, die einen Mann mit ihren Pferden zerstampften, um dann mit verhängten Zügeln davonzureiten. Dieses furchtbare Schauspiel rührte sie zu Tränen. »Ach!« sprach sie, »der Mann ist noch mehr zu beklagen als ich. Ich bin mindestens gesund und kräftig, aber wenn dieser Unglückliche nicht reich ist, was soll aus ihm werden?« So sehr auch Justine mit ihrem Mitleid Unglück gehabt hatte, sie konnte doch dem heftigen Wunsch nicht widerstehen, näher zu treten und dem Manne zu Hilfe zu eilen. Sie lief auf ihn zu, ließ ihn ein wenig Weingeist einatmen, zerriß dann ihr einziges Gepäckstück, ein Hemd, um das Blut des[393] Unglücklichen zu stillen, und schließlich sah sie ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt. Obwohl der Mann zu Fuß reiste und mäßig gut gekleidet war, schien er ihr doch ziemlich vornehm zu sein. Er besaß Ringe, eine Uhr, Dosen, die allerdings durch sein Abenteuer stark mitgenommen waren. »Wer ist,« sprach er, als er wieder zu sich gekommen war, »der Engel, der mir hilft? Und was kann ich tun, um ihm meine Dankbarkeit zu beweisen?« Die unschuldige Justine, die noch immer glaubte, daß man sich durch Wohltaten eine Seele verpflichten könne, begann nun ihre Unglücksfälle zu erzählen. Er hörte mit großem Interesse zu, und als sie mit ihrem letzten Abenteuer zu Ende war, rief der sonderbare Mensch aus: »Wie bin ich glücklich, mich für alles dankbar erweisen zu können was Sie mir angetan. Hören Sie, Fräulein, vielleicht bin ich in der Lage, Ihnen behilflich zu sein.«

»Man nennt mich Roland, ich besitze ein sehr schönes Schloß, das fünfzehn Meilen von hier in den Bergen liegt. Ich lade Sie ein, mir zu folgen, und damit dieser Vorschlag Ihr Zartgefühl nicht verletze, will ich Ihnen gleich mitteilen, wieso Sie mir nützlich sein können. Ich bin Junggeselle, habe aber eine Schwester, die ich leidenschaftlich liebe und die bei mir in der Einöde wohnt. Ich bedarf jemandes, der sie bedient. Diejenige, die bisher diesen Stelle innehatte, verloren wir und ich biete Ihnen nunmehr diesen Posten an.« – Unsere Heldin dankte vorerst ihrem Schützer und fragte ihn dann, wieso es käme, daß er ohne Bedienung reise, und warum er von den Spitzbuben so behandelt worden sei. »Ich habe seit einigen Jahren die Gewohnheit, so wie Sie mich hier sehen, nach Vienne zu reisen. Ich tue dies für meine Gesundheit und aus Ersparnis. Nicht daß ich arm wäre, im Gegenteil, aber Sparsamkeit schadet nie. Was die beiden Männer betrifft, die mich verletzten, so sind es zwei Kerle, denen ich vergangene Woche hundert Louis in Vienne abgewann. Sie gaben mir ihr Wort, mich zu bezahlen und da ich sie heute daran erinnerte, haben mich die Verbrecher derart zugerichtet.« Unsere teilnahmsvolle Reisende gab ihrem Bedauern nochmals Ausdruck, als Roland ihr vorschlug, aufzubrechen. »Dank Ihrer Sorgfalt fühle ich mich ein wenig besser und in zwei Meilen Entfernung liegt ein Haus, wo wir Pferde finden können.«

Justine war vollkommen entschlossen, die Hilfe, die ihr der Himmel bot, anzunehmen. Sie stützte Roland während des Gehens und tatsächlich langten beide nach einem Marsch von zwei Meilen bei einer Herberge an, in der sie ehrsam zusammen zu Abend aßen. Roland empfahl sie nachher der Wirtin und am nächsten Tage erreichten unsere Reisenden auf zwei Mauleseln die Grenze der Dauphiné. Da die Reisenden noch ein großes Stück vor sich hatten, übernachteten sie in Virieux und[394] am nächsten Tage setzten sie ihren Marsch in derselben Richtung fort. Gegen vier Uhr nachmittags langten sie am Fuß des Gebirges an. Da die Wege fast ungangbar waren, empfahl Roland dem Mauleseltreiber, Justine nicht zu verlassen, und alle drei drangen in die Schluchten ein. Unsere Heldin, die keine Spur eines Weges mehr fand, konnte sich einer Unruhe nicht erwehren. Roland sprach kein Wort. Dieses Schweigen erschreckte unser unglückliches Mädchen noch mehr, als sie endlich am Rande eines furchtbaren Abgrundes ein Schloß liegen sah. Kein Weg schien dahin zu führen. Der, den unsere Wanderer gingen, langte trotzdem nach vielen Windungen bei dieser furchtbaren Behausung an, die mehr einer Zufluchtsstätte von Dieben, als dem Aufenthaltsorte von ehrlichen Leuten ähnelte.

»Hier ist mein Haus,« sprach Roland, und da Justine Erstaunen merken ließ, daß er in solcher Einsamkeit wohne, antwortete er ihr rauh: »So paßt es mir!« Diese Antwort verdoppelte die Befürchtungen unserer Unglücklichen, aber da sie nicht mehr zurück konnte, hielt sie sich still. Roland stieg von seinem Maultier herab und befahl Justine, das Gleiche zu tun. Dann bezahlte er den Maultiertreiber und verabschiedete ihn. Da dieses Vorgehen Justine von neuem beunruhigte, fragte Roland sie in sanftem Tone: »Was haben Sie, Justine? Dieses Haus ist an der Grenze der Dauphiné gelegen, es gehört noch zu Grénoble.« – »Schön, mein Herr, aber wie ist es Ihnen eingefallen, sich in einer so verlassenen Schlucht festzusetzen?« – »Das kommt daher, daß die Bewohner nicht sehr ehrliche Leute sind,« sprach Roland; »es wäre sehr leicht möglich, daß Sie von ihrer Beschäftigung nicht sehr erbaut wären.« – »Ah, mein Herr, Sie machen mich schaudern, wohin führen Sie mich?« – »Ich führe dich zur Falschmünze, deren Oberhaupt ich bin,« sprach Roland und erfaßte den Arm Justinens, um sie über eine kleine Fallbrücke zu führen. »Siehst du diesen Brunnen?« sprach er, als sie im Hofe angelangt waren, »diese vier nackten, angeketteten Frauen, die das Rad drehen, sind deine Genossinnen; wenn du täglich zehn Stunden dieses Rad gedreht und alle meine Launen befriedigt haben wirst, erhältst du sechs Unzen Schwarzbrot und eine Schüssel Linsen. Auf deine Freiheit mußt du verzichten, die wirst du nie wieder erlangen; wenn du sterben solltest, wird man dich in das Loch, das du neben diesem Brunnen siehst, werfen und du wirst damit das Los vom zweihundert anderen Schurkinnen teilen, die bereits darin liegen.« – »Oh, großer Gott,« rief Justine aus und warf sich Roland zu Füßen, »erinnern Sie sich doch, daß ich Ihnen das Leben gerettet habe und daß Sie mir Dankbarkeit versprochen haben und mich zu belohnen. Ist das, was Sie tun, gerecht?« – »Was verstehst du unter dem Gefühl der Dankbarkeit, mit dem du mich zu fesseln glaubst,« fragte Roland, »was tatest du, als du mir zu Hilfe eiltest? Zwischen der Möglichkeit,[395] deinen Weg fortzusetzen, und der, zu uns zu kommen, hast du die letztere gewählt, weil dein Herz dich so geleitet hat. Du empfandest also dabei eine Befriedigung. Woher, zum Teufel, nimmst du also die Verpflichtung, daß ich dir dankbar sein soll? Zur Arbeit, Sklavin, zur Arbeit!« Bei diesen Worten wurde Justine auf Befehl Rolands von zwei Knechten erfaßt, unsanft entkleidet und an ihre Arbeit geführt. Roland trat nochmals an sie heran. Er betastete sie überall und, verhöhnte sie grausam, als er das demütigende Zeichen des grausamen Rombeau bemerkte. Dann bewaffnete er sich mit einem Ochsenziemer und versetzte ihr sechzig Schläge auf den Hintern. »So wirst du immer behandelt werden, Schurkin, wenn du deine Pflicht vernachlässigst,« sprach der Niederträchtige und rieb sein Glied an den Blutstropfen, die aus den Wunden floßen. »Du bist noch nicht am Ende deiner Leiden und ich will, daß du hier alle raffinierten Arten der Grausamkeit kennen lernen, wirst!« Dann ließ er sie allein.

Sechs finstere Höhlen dienten den Unglücklichen während der Nacht als Schlafraum. Man band also Justine und ihre Genossinnen los und sperrte sie in diese Löcher ein, nachdem man ihnen ihr karges Abendessen aufgetragen hatte.

Unsere Heldin war kaum allein, als sie sich den Gedanken über ihre furchtbare Lage hingab. »Ist es möglich,« sprach sie zu sich, »daß es Menschen sind, die so hart sind, daß sie das Gefühl der Dankbarkeit in sich ersticken?« Sie hing eben diesen Gedanken weiter nach, als plötzlich die Türe ihres Kerkers sich öffnete und Roland hereintrat, um an ihr alle seine Launen zu befriedigen, und welche Launen waren das, gerechter Gott! Aber wir wollen die Geduld unserer Leser nicht mißbrauchen und einen Schleier über diese neuen Grausamkeiten ziehen; haben wir ihren Geist nicht schon genug durch niederträchtige Schilderungen beschmutzt?

Am nächsten Tage prüfte Justine genauer ihre Umgebung. Ihre vier Genossinnen waren Mädchen von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren und obwohl sie durch das Elend und die Arbeit entstellt waren, zeigten sie dennoch Spuren von großer Schönheit; die jüngste namens Suzanne war sogar noch schön zu nennen. Roland hatte sie in Lyon ihrer Familie durch ein Heiratsversprechen entführt und sie in dieses furchtbare Haus gebracht. Sie war seit drei Jahren der Gegenstand, auf den sich alle Grausamkeit des Ungeheuers richtete. Durch die Schläge mit dem Ochsenziemer war ihre Haut runzelig und hart wie die einer alten Kuh geworden. An ihrer linken Hüfte hatte sie einen Schanker und in ihrem Muttermund befand sich ein Abszeß; alles das war das Werk des niederträchtigen Roland. Von ihr erfuhr Justine, daß sich der Schuft in nächster Zeit nach Venedig begeben wollte, um dort sein falsches Geld anzubringen. Alles sollte von diesem großen Streich, den er dort ausführen wollte, abhängen. »Ach!« sprach Justine, als sie von diesem Unternehmen erfuhr, »ich hoffe, daß die Vorsehung einmal gerecht sein wird. Sie wird ein derartiges[396] Ungeheuer nicht mit Erfolg krönen und wir werden alle gerächt werden.«

Mittags ließ man den Unglücklichen zwei Stunden Ruhe, die gleichzeitig zum Speisen benutzt wurden. Nach Verlauf dieser Zeit band man sie von neuem an und ließ sie bis in die Nacht arbeiten. Ihre Nacktheit diente dazu, Roland bessere Gelegenheit zum Schlagen zu geben. Im Winter erhielten sie eine Weste und eine Hose, die rückwärts derart geöffnet war, daß ihre Körper nicht minder allen Angriffen Rolands ausgeliefert waren. Acht Tage vergingen, ohne daß Roland erschien. Am neunten Tage kam er, um nach der Arbeit zu sehen, und da er fand, daß Justine und Suzanne das Rad zu wenig kräftig drehten, gab er einer jeden fünfzig Schläge mit dem Ochsenziemer.

In der darauffolgenden Nacht trat der Niederträchtige bei Justine ein, um ihre Wunden besser betrachten zu können. Der Schuft küßte sie zuerst, und da ihn diese Vorarbeiten sehr erregten, steckt er ihr bald sein Glied in den Hintern, dazwischen stach er ihr in den Busen und richtete Worte an sie, die die Natur zum Schaudern gebracht hätten. Als er endlich entladen hatte, benutzte Justine den Augenblick, ihn um Gnade zu bitten. »Mit welchem Recht,« antwortete Roland, »forderst du, daß ich deine Ketten lösen soll; vielleicht deshalb, weil ich mich eben an dir befriedigt habe? In dem, was ich tat, war von Liebe keine Rede. Sieh mein Glied an, Justine, ich habe die feste Absicht, dich zu ermorden, und daher ragt es steif in die Luft; nur das Verbrechen bringt einen Wüstling, wie ich es bin, in Geilheit, und alles, was nicht verbrecherisch ist, ist langweilig.« – »Was Sie da sagen ist schauderhaft,« erwiderte Justine, »aber unglücklicherweise habe ich bereits Beispiele davon erlebt.« – »Ich könnte dir noch tausende aufzählen, wenn dies einen Sinn hätte.« Bei diesen Worten schlang Roland einen Strick um den Hals Justinens, und während er sie von hinten bearbeitete, zog er den Strick so fest zusammen, daß sie das Bewußtsein verlor. Und das Ekel zog sich, ohne sich um die Folgen zu bekümmern, ruhig zurück.

So verging ein Jahr, während dessen drei Mädchen hingeopfert wurden. Stets fand sich Ersatz, aber wie erstaunt war Justine, als sie diejenige sah, welche die Stelle einnahm? Es war Madame Delisle, die interessante Wirtin, bei der sie sich von dem niederträchtigen Weibe getrennt hatte, das sie in Lyon prostituieren wollte. »Oh, Madame,« rief Justine aus, als sie sie sah, »Sie, die die Natur so sanft und so gut geschaffen hat, Sie hat nun auch dieses grausame Schicksal ereilt! Oh, belohnt der Himmel so die Keuschheit, die Gastfreundlichkeit, die Wohltätigkeit und alle die anderen Tugenden der Menschen.«

Die Reize Madame Delisles erhitzten Roland derart, daß er sie noch am selben Abend besuchte. Man kann sich leicht vorstellen, daß er sie nicht mehr schonte, als Justine, und so wurden[397] die beiden durch das gemeinsame Unglück noch fester aneinander gekettet. »Oh, liebenswürdige Frau,« sprach Justine, als die Delisle ihr die ausgestandenen Greuel schilderte, »was gäbe ich darum, wenn ich Ihnen die Wohltaten, die Sie an mir begangen haben, erwidern könnte; aber ach, in bin selbst unglücklich und kann Ihnen zu nichts nützen. Wie würde ich mich beeilen, Ihre Ketten zu brechen, wenn ich selbst frei wäre, aber ich glaube, jede Hoffnung ist unnütz und wir werden diesen Ort niemals mehr verlassen.« – »Der Niederträchtige,« sprach die Delisle, »er hat mich blos so behandelt, weil er mir Geld schuldet; seit drei Jahren macht er in meinem Hause ungeheure Zechen ohne mich jemals zu bezahlen. Letzthin lud er mich zu einem Spaziergang ein, im Walde lauerten uns zwei seiner Leute auf, sie banden mich und schleppten mich auf einem Maulesel hieher.« – »Und ihre Familie?« – »Ich habe nur ein Kind, das noch in jungen Jahren ist. Mein Gatte starb vergangenes Jahr und überdies bin ich Waise. Das Ungeheuer wußte alle diese Dinge wohl, sonst hätte er den Streich nicht gewagt. Ah, was wird aus meinem unglücklichen Kinde werden? Ich habe diesen Schuft gebeten, mich wenigstens schreiben zu lassen, aber auch das hat er mir nicht gestattet!« Und Tränen rannen aus den schönen Augen dieses interessanten Geschöpfes. – »Und hat er sich an Ihnen ebenso befriedigt, wie an allen anderen Opfern?« forschte Justine weiter, und statt aller Antwort zeigte das verschämte Geschöpf Justine ihren Hintern. – »Ah, ich bin noch ganz zerrissen,« sprach sie, »oh, mit welchen Lastern ist dieses Scheusal begabt!«

So lagen die Dinge, als in dem Schlosse bekannt wurde, daß der Streich Rolands gelungen sei. Das war das neue Beispiel, das die Vorsehung Justine vorführte. Nochmals besuchte Roland Justine. »Beruhige dich,« sprach er diesmal, »du hast nichts zu befürchten.« Und als sich die Türen geschlossen hatten, fuhr er fort: »Teures Mädchen, nur dir allein im Hause wage ich mich anzuvertrauen. Ich habe wohl an die Delisle gedacht, aber so anständig sie scheint, ich halte sie für rachsüchtig und meiner Schwester hingegen ziehe ich dich vor.« Voll Ueberraschung bat Justine Roland, sich näher zu erklären. »Höre,« sprach der Wüstling, »mein Glück ist gemacht, allein ich könnte bei der Ueberführung meines Geldes überfallen werden, und wenn das der Fall ist, dann habe ich den Strick zu erwarten. Ich bin überzeugt, daß dieser Tod sehr süß ist, aber da die Frauen, an denen ich die ersten Todesängste auf diese Weise erprobte, mir niemals die Wahrheit gesagt haben, so möchte ich an meiner eigenen Person das Experiment machen. Ich möchte wissen, ob bei dieser Todesstrafe tatsächlich eine Ejakulation eintritt; wenn ich mich einmal überzeugt haben werde, daß dieser Tod nur eine Spielerei ist, werde ich nur umso kühner dem Schicksal trotzen, denn nicht das Ende meines Lebens erschreckt mich, ich fürchte die Qualen eines grausamen Todes und möchte nicht beim Sterben leiden.«[398] – »Oh, mein Herr,« sprach Justine, »trotzdem lieben Sie es, die anderen zu quälen.« – »Nicht trotzdem, sondern gerade eben deswegen. Stellen wir also einen Versuch an. Du sollst alles an mir tun, womit ich dich gequält habe. Ich werde auf diesen Schemel steigen, mich nackt ausziehen, du wirst das Seil um meinen Hals schlingen, während ich mich dabei kitzle, dann, sobald du an mir einen Ständer siehst, wirst du den Schemel zurückziehen und ich werde aufgehenkt bleiben. Du wirst mich solange daran hängen lassen, bis du entweder Schmerzensäußerungen sehen wirst, oder einen Wollusterguß. Im ersteren Falle wirst du das Seil sofort abschneiden, im zweiten Falle wirst du die Natur handeln lassen und mich erst ablösen, wenn ich entladen habe. Nun, Justine, ich lege mein Leben in deine Hände, deine Freiheit und dein Glück sollen der Preis deines guten Betragens sein.« – »Oh, mein Herr,« erwiderte Justine, »dieser Vorschlag ist seltsam.« – »Nein, nein, ich will es,« erwiderte Roland und legte seine Kleider ab, »aber führe dich gut auf.« Wozu hätte Justine noch zögern sollen, war Roland nicht Herr über sie? Und wie immer seine Absichten waren, die Justinens waren rein.

Roland begann mit der einleitenden Handlung und das Gespräch fiel auf die Delisle. »Diese Person ist nicht so viel wert wie du,« sprach er, »sie ist nicht so interessant, wenn sie weint, und ich quäle sie weniger gerne wie dich. Sie wird daran glauben müssen, Justine, sicher.« – »So zahlen Sie also Ihre Schulden, mein Herr; ist es so nicht am besten?« – »Vorwärts, laß mich deine Arschbacken küssen, Justine und sei sicher, daß ich die Delisle töten werde!« Und bei diesen Worten schwang sich Roland auf den Schemel Justine band nun seine Hände und schlug das Seil um den Kopf. Bald bedrohte das Glied Rolands den Himmel und er gab Zeichen, daß Justine die Unterlage fortziehen möge. Würde man es glauben, auf dem Gesichte Rolands zeigten sich blos Zeichen von Wonne und bald spritzten Fluten von Samen gegen die Decke. Als alles vorbei war, eilte Justine hinzu, um das Seil zu lösen. Roland fiel ohnmächtig herab, aber dank Justinens Pflege kam er bald wieder zu sich. »Oh, Justine,« sprach er, als er die Augen öffnete, »man kann sich diese Wonne nicht vorstellen. Jetzt trotze ich dem Schwerte der Themis. Du wirst mich für sehr undankbar finden,« sprach er zu Justine dann und band ihr die Hände am Rücken fest, »aber was willst du, mein Engel, in meinem Alter bessert man sich nicht mehr. Du hast mir das Leben geschenkt, teures Wesen, und ich will jetzt das deine haben. Du hast das Los Suzannes beklagt, nun denn, du sollst es teilen.« Justine weinte, stöhnte, aber Roland hörte nicht auf sie. Er öffnete das verhängnisvolle Verließ, schlug ihr ein Seil um die Arme und ließ sie dann zwanzig Fuß tief in diese Gruft hinab. Man kann sich die Schmerzen Justinens nicht vorstellen. Was sah sie! Berge von Leichen, deren Geruch allein schon töten konnte. Roland ließ nun Justine an einem Stab hängen, der[399] durch die Höhlung quer durchlief, und währenddessen kitzelte er sich sein Glied. »Vorwärts,« rief er aus, »befiehl deine Seele Gott, Hure! Im Moment meiner Entladung wirst du in den Abgrund stürzen! Ah, ah, es kommt mir schon!« Und Justine fühlte sich von einer Sintflut überschwemmt, ohne daß das Ungeheuer das Seil durchschnitten hätte. Er zog sie wieder hinauf. »Nun, hast du Furcht gehabt?« fragte er sie. »Ich habe mich blos an deinen Tod gewöhnen wollen. Sei sicher, daß du auf diese Art sterben wirst.« Man ging nun wieder hinauf. »Großer Gott,« dachte sich Justine, »ist dies die Belohnung für alles was ich diesem Scheusal getan habe?«

In der nächsten Nacht suchte Roland Justine auf. Die Unglückliche warf sich ihm zu Füßen. Sie beschwor ihn lebhaft, ihr die Freiheit wiederzugeben, damit sie nach Grénoble kommen könnte. »Nach Grénoble gewiß nicht, du würdest uns dort verraten.« – »Nun denn, mein Herr,« sprach Justine und begoß die Knie des Verbrechers mit Tränen, »dann gelobe ich Ihnen, niemals hinzugehen, und um Sie davon zu überzeugen, flehe ich Sie an, mich nach Venedig mitzunehmen. Vielleicht finde ich dort mildere Herzen wie in meinem Vaterlande.« – »Du sollst nicht einen Groschen von mir als Hilfe erhalten. Alles was Mitleid und Dankbarkeit betrifft, ist meiner Seele so fremd, und wenn ich dreimal so reich wäre, als ich es bin, würde ich einem Armen keinen Thaler geben; das sind meine Grundsätze, Justine, von denen ich niemals abweichen werde.« – »Oh, mein Herr, diese Grundsätze sind hart; würden Sie ebenso sprechen, wenn Sie niemals reich gewesen wären?« – »Gewiß, Justine.« Bei diesen Worten warf sich der grausame Roland auf Justine, unterzog sie noch einmal seinen Scheußlichkeiten, die sie mit Recht verabscheute. Diesmal glaubte sie, erwürgt zu werden. Jedoch plötzlich hielt die Bestie inne, was in Justine einen Schauder hervorrief. »Ich bin ein Tor, daß ich mich zurückhalten lasse,« sprach er, »ist es nicht Zeit, daß die Hure an die Reihe kommt?« – Bei diesen Worten ging er hinaus und versperrte den Kerker. Man kann sich die Unruhe nicht vorstellen, in der die Unglückliche zurückblieb. Nach einer Viertelstunde öffnete sich der Kerker wieder; es war Roland mit seiner Schwester. »Folget mir,« sprach Roland aufgeregt. Im tiefsten Schweigen ging man zum verhängnisvollen Verließ. »Mit Euch ists vorbei,« sprach dann der Menschenfresser, »Ihr werdet das Tageslicht nicht mehr sehen.« Bei diesen Worten ergriff er ein Rutenbündel und peitschte seine Schwester, während einer vollen Viertelstunde am ganzen Körper und hauptsächlich am Bauch. »Im wievielten Monat der Schwangerschaft bist du?« rief der Barbar. – »Im sechsten; ah, mein teurer Roland, warte wenigstens bis meine unglückliche Frucht das Licht der Welt erblickt hat.« – »Nein, nein, ich will, daß du mit deiner Frucht zusammen umkommst; aber beunruhige dich nicht,« fuhr der Verbrecher fort und band seine Schwester mit ausgespreizten Schenkeln auf eine[400] Holzbank. »Ich will den Balg ausreissen und sofort einen neuen einpflanzen.« – Oh, großer Gott, der Niederträchtige, das scheußliche Ungeheuer öffnete mit einem Skalpel den Bauch seiner Schwester, riß ihr die Frucht heraus und spritzte dann seinen glühenden Samen in die Oeffnung. »Nun kommst du daran,« sprach er zu Justine, »allein ich will deine Schmerzen noch größer machen. Ich will dich an die blutenden Ueberreste meiner Schwester anbinden und dich mit ihr in die Gruft der Toten hinablassen. Dort sollst du von den Ratten, der verpesteten Luft und dem Hunger umgebracht werden. Aber wie, welche Vergeßlichkeit, eine deiner Freundinnen atmet noch! Warte, warte, ich will sie holen gehen!« Das Ungeheuer eilte hinaus und ließ sein trauriges Opfer allein mit der sterbenden Frau. Die gefühlvolle Justine trachtete vergeblich, Hilfe zu bringen, es war schon zu spät. Bald erschien auch Roland mit der Delisle.

Tausende Liebkosungen gingen den Grausamkeiten voraus und dann fuhr er bald in den zerrissenen Bauch des einen Weibes und in den Mund des anderen und in den Hintern der dritten, schließlich ergriff er die Delisle, hing sie auf, stieg ihr dann auf die Schulter und versetzte ihr Fußtritte auf den Kopf, um das Seil fester anzuspannen. Dann nahm er den Leichnam ab, band ihn mit Justine und dem seiner Schwester zusammen, öffnete die Gruft und schickte sich an, die drei Körper hinabzulassen. »Vorwärts, Justine,« sprach er, »es ist Zeit, daß wir uns für immer trennen. Verblendetes Mädchen, hier hast du die Frucht deiner Tugend! Wäre es für dich nicht besser gewesen, mir nicht zu Hilfe zu eilen? Jetzt aber wollen wir Abschied nehmen auf immer, wir werden uns niemals wiedersehen.« Bei diesen Worten ließ er die Körper hinabgleiten, entlud noch einmal und der Stein schloß sich.

Oh, unglückliche Justine, da warst du nun, die einzig Lebende inmitten von Toten! »Großer Gott,« rief sie aus, indem sie ihre furchtbare Lage übersah, »gibt es in der Natur ein Wesen, das mehr zu beklagen wäre als ich? Verlasse mich nicht, mein Gott, und gib mir die Kraft, meine Verzweiflung zu ertragen. Nichts, was du tust, ist ohne Zweck, nur ist dieser für mich nicht faßbar. Ich übergebe dir, mein Gott, diesen leidendurchwühlten Körper, aber nimm meine Seele zu dir, die noch ebenso rein ist, wie damals, als ich sie von dir empfing!«

Im ganzen weiten Raum war blos eine kleine Lampe angebracht. Sie benützte das schwache Licht dazu, sich der Toten zu entledigen. Schließlich gelang ihr das auch, dann warf sie einen Blick auf ihre Umgebung. Zahllose Leichen lagen um sie herum, darunter eine, die den gleichen Tod gestorben zu sein schien, wie er Justine erwartete. Sie stand fast aufrecht, gegen die Mauer gelehnt, und auf ihrem Gesicht sah man noch die Todeszuckungen und die Qualen des Hungers.[401]

Justine befand sich nun bereits fünfzehn Stunden an diesem ekelhaften Ort, die Lampe brannte schon lange nicht mehr und die Unglückliche wartete schweigend, bis es dem Ewigen gefallen würde, sie zu sich zu rufen. Da plötzlich hörte sie Lärm. Sie horchte auf. Es war keine Täuschung. Der Stein hob sich. »Es ist nichts,« sprachen Männer- und Frauenstimmen durcheinander, – »Sie täuschen sich,« schrie Justine mit allen ihren Kräften, »ein unglückliches Opfer atmet an diesem Schreckensort! Erbarmet Euch ihrer und helfet mir!« – »Wie, Justine?« sprach eine Frauenstimme. – »Sie selbst; befreien Sie sie aus ihrer grausamen Lage, in die sie unser gemeinsamer Herr gebracht hat!« – »Es ist nicht mehr unser Herr,« sprach die Stimme einer Frau, in der Justine ihre frühere Genossin erkannt hatte, »der Himmel hat uns von ihm befreit.« – Alsbald wurde eine Leiter hinabgelassen und bald befand sich Justine in dem entsetzlichen Gemach Rolands. Ihre Kameradin umarmte sie, während die beiden Männer ihr hastig erzählten, daß Roland endlich aufgebrochen sei und daß der neue Herr des Hauses jetzt Delville sei, ein sanftmütiger, anständiger Mensch, dessen erste Arbeit darin bestand, alle Winkel zu durchstöbern, um die Grausamkeiten seines Vorgängers wieder gut zu machen.

Voll Freude und Hoffnung kehrte Justine in das Schloß zurück. Man pflegte sie, stärkte sie und verlangte von ihr ihr letztes Abenteuer zu hören. Sie erzählte es und noch am selben Abend schlief sie wie ihre Genossinnen in wunderschönen Zimmern.

Nach zwei Monaten teilte Delville, der Nachfolger Rolands, dem Hause die glückliche Ankunft seines Genossen in Venedig mit. Er genoß also trotz aller seiner Verbrechen vollkommene Freuden.

Eines Tages, als alles im Hause still war (unter der Herrschaft dieses guten Herrn geschahen selbst die verbrecherischen Handlungen des Falschmünzens in anständiger Weise) und die unglückliche Justine daran dachte, wie sie das Haus verlassen könnte, wurden die Türen plötzlich eingeschlagen, und ehe noch die Bewohner an ihre Verteidigung denken konnten, war das Haus mit sechzig berittenen Leuten besetzt. Es blieb nichts übrig, die Bewohner mußten sich ergeben. Man band die Aermsten an die Pferde und brachte sie nach Grénoble. »So erwartet mich also das Schaffott in dieser Stadt, in der ich mein Glück zu machen hoffte,« sprach Justine zu sich, »oh ihr Ahnungen, wie habt ihr mich betrogen.«

Mit den Falschmünzern wurde kurzer Prozeß gemacht und alle zum Tode durch Erhängen verurteilt. Als man das Zeichen an Justinens Körper sah, fragte man sie gar nicht weiter aus und sie sollte eben wie die anderen behandelt werden, als sie sich noch zuletzt an einen berühmten Richter, an einen aufgeklärten Philosophen wendete, dessen Weisheit und Wohlhabenheit seinen Namen in goldenen Lettern in den Tempeln der Themis leuchten[402] lassen werden. Er hörte sie an, und da er von der Aufrichtigkeit der Unglückseligen überzeugt war, würdigte er ihr ein wenig mehr Aufmerksamkeit, wie seine Kollegen taten. Herr S ... wurde selbst der Anwalt Justinens. Die Klagen des armen Mädchens wurden erhört und unsere interessante Heldin wurde von der Anklage vollkommen freigesprochen. Endlich glaubte Justine das Morgenrot des Glückes aufleuchten zu sehen. Sie glaubte am Ende ihrer Leiden zu sein, der Himmel schien ihr zu lächeln, als es der Vorsehung gefiel, ihr zu beweisen, daß sie noch immer dieselben Absichten mit ihr habe.

Kapitel XIX.

Beim Verlassen des Gefängnisses mietete sich Justine in einem ziemlich netten Gasthofe ein. Ihre Absicht war es, dem Rate des Herrn S. zu folgen und einige Zeit in Grénoble zu verbringen, um hier Stellung zu finden. In diesem Gasthofe aß sie an der Table d'hôte und am zweiten Tage nach ihrer Ankunft bemerkte sie, daß sie von einer sehr kräftigen Dame, die man Baronin nannte, besonders aufmerksam beobachtet wurde. Justine glaubte sie wiederzuerkennen und bald traten die Beiden auf einander zu wie zwei Personen, die sich kennen, aber nicht wissen woher. »Täusche ich mich, mein Fräulein,« sprach die Baronin, »oder sind sie nicht das Mädchen, das ich vor zehn Jahren aus der Conciergerie rettete und erkennen Sie nicht in mir die Dubois?« Wenig angenehm berührt von dieser Entdeckung, antwortete Justine doch mit großer Höflichkeit. Da sie aber mit der geschicktesten Schurkin Frankreichs zu tun hatte, war es ihr unmöglich, zu entschlüpfen. Schwach, wie gewöhnlich, ließ sich Justine verlocken, mit dieser Frau in ihr Zimmer zu gehen, um ihr ihre Erlebnisse zu berichten. »Meine teure Freundin,« erwiderte die Dubois, nachdem sie sie angehört hatte, »ich muß dir schon mitteilen, daß meine Laufbahn ganz verschieden war von der, die du einschlugst; mein Glück ist gemacht und alles, was ich besitze, steht dir zu Diensten. Sieh,« sagte sie und öffnete eine Kassette voll mit Gold und Diamanten, »das sind die Früchte meines Fleißes; wenn ich der Tugend so ergeben gewesen wäre, wie du, wäre ich bereits eingesperrt oder aufgehängt.« – »Oh, Madame, wenn Sie dies alles nur Verbrechen verdanken,« erwiderte Justine, »so werden Sie es nicht lange genießen, denn die Vorsehung ist immer gerecht.« – »Ein Irrtum,« erwiderte die Dubois, »glaube ja nicht, daß deine fantastische Vorsehung jemals deine Tugend beschützt; aber ich sehe, deinen Verstand werde ich niemals erobern können, so laß mich wenigstens dein Herz besitzen, ich bedarf deiner, verweigere mir nicht deine Hilfe. Hier sind tausend Louis, sie sollen dir gehören, wenn der Streich gelungen!« Die kluge Justine, die nur ihrem Wunsche. Gutes zu tun, gehorchte, fragte sofort, worum es sich handle.[403] »Ich will es dir sagen,« antwortete die Dubois, »hast du den jungen Kaufmann aus Lyon bemerkt, der seit vier oder fünf Tagen neben uns speist?« – »Dubreuil?« – »Gewiß! Nun, er ist in dich verliebt, er hat es mir anvertraut, dein bescheidenes, sanftes Aussehen, sowie deine Tugend halben ihn entzückt. Dieser romantische Liebhaber besitzt achtmalhunderttausend Francs in Gold und in Papieren, und bewahrt es in einer Kassette unter seinem Bett. Ich werde ihm mitteilen, daß du mit ihm außerhalb der Stadt zusammenkommen willst, du wirst ihn eine zeitlang vom Hause entfernt halten und ich werde ihn während dieser Zeit bestehlen, werde aber nicht flüchten. Die Beute soll bereits in Lyon sein, wenn ich noch in Grénoble bin. Trotzdem werde ich bald abreisen, du wirst mir nachfolgen und die tausend Louis erhältst du an der Grenze.« – »Ich willige ein,« erwiderte Justine, entschlossen, den jungen Mann zu warnen. »Aber bedenken Sie,« fuhr sie fort, um die Verbrecherin zu täuschen, »daß wenn Dubreuil in mich verliebt ist, ich aus ihm viel mehr Nutzen ziehen kann, wenn ich mich ihm hingebe.« – »Vorzüglich.« erwiderte die Dubois, »das nenne ich eine gute Schülerin; nun denn, da hast du das Doppelte,« sprach sie und stellte Justine ein Billet aus. – »Gut,« erwiderte Justine, »aber ich bitte, es nur meiner Schwäche und Armut gutzuschreiben, wenn ich mich von Ihren Verlockungen verführen lasse.« – »Wie du willst, nur bediene mich gut und du sollst auch mit mir zufrieden sein.«

Justine, in ihren Plan vertieft, begann noch am selben Abend Entgegenkommen zu zeigen. Bald erriet sie die Gefühle, die der junge Mann für sie besaß. Sie war in einer verzweifelten Lage; einerseits war sie fest entschlossen, das verlangte Verbrechen nicht zu begehen, andererseits wieder widerstrebte es ihr, die Dubois zu verraten, denn sie war ihr noch für die mutige Lebensrettung dankbar.

An dem dem Spaziergang vorhergehenden Tage lud die Dubois Dubreuil und Justine ein, in ihrem Zimmer zu speisen. Nachdem das Mahl vorüber war, stiegen, die beiden jungen Leute hinab, um den Kutscher, der den Wagen bespannte, anzutreiben. Da die Dubois nicht mitgegangen war, befand sich Justine allein mit ihrem Liebhaber. »Mein Herr,« sprach sie hastig zu ihm, »besitzen Sie in diesem Gasthofe jemand, dem Sie Vertrauen schenken können?« – »Jawohl, einen jungen Geschäftsfreund, auf den ich mich wie auf mich selbst verlassen kann« – »Nun denn, mein Herr, dann sagen Sie ihm, er möge Ihr Zimmer nicht einen Augenblick lang verlassen, während Sie mit mir spazieren fahren.« – »Aber ich habe doch den Schlüssel zu diesem Zimmer! Was bedeuten diese Vorsichtsmaßregeln?« – »Sie sind nötiger als Sie denken, mein Herr; ich beschwöre Sie, handeln Sie so, wie ich Ihnen sage, oder ich gehe nicht mit Ihnen aus. Die Frau, bei der wir speisten, ist eine Schurkin, sie hat unsere gemeinsame Ausfahrt nur arrangiert, um Sie besser bestehlen zu können; beeilen[404] Sie sich, sie beobachtet uns, sie ist gefährlich. Bis wir im Wagen sind, will ich Ihnen alles weitere erklären.« Dubreuil befolgte den Ratschlag Justinens. Er drückte ihr die Hand, um sich bei ihr zu bedanken, gab seine Befehle und man fuhr ab. Unterwegs erzählte Justine das ganze Abenteuer, belehrte auch ihren jungen Liebhaber über das unglückliche Erlebnis, durch das sie mit der Dubois zusammengetroffen war. Der ehrliche und zartfühlende Dubreuil bezeigte die lebhafteste Dankbarkeit für den erwiesenen Dienst, er erkundigte sich teilnahmsvoll nach der Lage Justinens und machte ihr den Antrag, ihr so gut als es ihm möglich sei, zu helfen, »Ich bin glücklich, das Unrecht gutmachen zu können, das Ihnen durch das Schicksal zugefügt wurde, mein Fräulein,« sprach er. »Ich bin mein eigener Herr und hänge von niemandem ab. Ich befinde mich auf der Reise nach Genf, um dort die Summen anzulegen, die Ihr guter Ratschlag mir gerettet hat. Sie folgen mir dorthin nach und wir wollen nach Lyon als Brautleute zurückehren.«

Ein derartiges Anerbieten war Justine zu angenehm, als daß sie es ausschlagen hätte können; trotzdem glaubte sie es nicht annehmen zu dürfen, ohne Dubreuil von allem zu erzählen, was ihn diese Tat bereuen lassen hätte können. So plauderten die Beiden und befanden sich fast zwei Meilen weit von der Stadt entfernt, als plötzlich Dubreuil ein Unwohlsein empfand. Er übergab sich mehreremale und mußte schließlich nach Grénoble zurückkehren. Man trug ihn in sein Zimmer und ein Arzt wurde geholt. Gerechter Gott, der unglückliche junge Mann war vergiftet Justine eilte erschreckt in die Gemächer der Dubois. Die Niederträchtige war abgereist. Unsere Heldin flog in ihr eigenes Zimmer, der Schrank war aufgesprengt und ihr geringes Besitztum gestohlen. Kein Zweifel, die Dubois war die Urheberin all dieser Verbrochen. Sie war bei Dubreuil eingetreten und, ärgerlich darüber, dort jemanden zu finden, hatte sie sich an Justine gerächt. Schon beim Speisen hatte sie den jungen Mann vergiftet, damit sich der Unglückliche mehr mit seinem Leben als mit seinem Schatze befaßte. Ueberdies rechnete die Verbrecherin darauf, daß Justine der Tat verdächtigt werde. Unser armes Waisenkind kehrte zu Dubreuil zurück, der sich nur mehr mit Gott beschäftigte und im Begriff stand, seine Seele auszuhauchen. Er bat noch, Justine nicht zu verfolgen und starb. Kaum hatte er die Augen geschlossen, als sein junger Geschäftsfreund Justine zu beruhigen trachtete, indem er von diesem letzten Vermächtnis erzählte. Justine ihrerseits erzählte alles, was ihr zugestoßen war, Valbois. Er beklagte sie, riet ihr aber dringend, um sich jedem Verdachte zu entziehen, zu flüchten. »Das Unglück, das Sie bei dieser Hilfeleistung empfunden haben, würde mich ermuntern, etwas für Sie zu tun, aber ich beginne erst Handel zu treiben; ich bin noch jung und bin verpflichtet, der Familie Dubreuil Rechnung über sein Vermögen abzulegen. Gestatten Sie mir also,[405] daß ich mich auf einen kleinen Dienst beschränke, den anzunehmen ich Sie bitte. Hier sind fünf Louis, ferner führe ich Sie einer ehrlichen Geschäftsfrau aus Chalons-sur-Saons, meiner Vaterstadt, zu. Sie kehrt dorthin zurück, wenn sie von Lyon kommt und ich übergebe Sie ihrer Obhut. Madame Bertrand,« fuhr Valbois fort, und stellte Justine vor. »Hier ist das ganz junge Mädchen, von dem ich mit Ihnen gesprochen habe. Sie wünscht eine Stellung zu finden und ich bitte Sie, sich ihrer anzunehmen, wie wenn es meine Schwester wäre. Adieu, mein Fräulein,« fuhr Valbois fort und bat Justine, sie umarmen zu dürfen. »Madame Bertrand bricht morgen auf, lassen Sie es sich gut gehen und hoffentlich werde ich Sie in meiner Heimatstadt sehen.«

Die vornehme Handlungsweise des jungen Mannes entlockte Justine Tränen. Sie stimmte allem zu und zog sich dann zurück.

Es war noch nicht spät, das Bedürfnis, frische Luft zu atmen, hatte Justine an das Ufer des Iseri geführt, und wie gewöhnlich führten ihre Gedanken sie weit fort. Ein kleines Wäldchen fesselte ihren Blick und sie setzte sich ein wenig nieder, um zu träumen. Plötzlich wurde sie von drei Männern erfaßt. Der eine legte ihr die Hand auf den Mund und die beiden anderen warfen sie in einen Wagen, der sogleich davonfuhr. Drei Stunden vergingen in rasender Fahrt, ohne daß einer der Briganten Antwort auf die zahlreichen Fragen Justinens gegeben hätte. Obgleich es Nacht war, hatte man doch die Vorhänge herabgelassen und Justine konnte nichts sehen.

Endlich langte der Wagen vor einem Hause an. Die Tore öffneten und schlossen sich alsbald wieder. Ihre Führer stießen sie durch mehrere dunkle Gemächer und ließen sie schließlich in einem schwach erleuchteten Zimmer allein. »Hier bleibe,« sprach einer der Briganten mit rauher Stimme, »du wirst bald Bekanntschaft wieder finden.« Und die Schufte verschwanden, indem sie die Tür sorgfältig verschlossen. Im selben Augenblick öffnete sich eine andere und Himmel! wer trat ein? Es war die Dubois, die Dubois selbst, dieses abscheuliche Ungeheuer, das nach Rache dürstete. »Kommen Sie, entzückendes Mädchen,« sprach sie, »empfangen Sie den Preis der Tugend, der Sie sich auf meine Unkosten ergeben haben. Ah, Schurkin, ich will dich lehren, mich zu verraten!« – »Ich habe Sie niemals verraten,« erwiderte hastig Justine, »nein, niemals, erkundigen Sie sich nur.« – »Hast du dich nicht dem Verbrechen, das ich plante, widersetzt, hast du es nicht verhindert, unwürdiges Geschöpf! Du mußt bestraft werden, Hure, du mußt es!« Und bei diesen Worten preßte sie ihr die Hand so heftig, daß die Finger krachten. Man trat in ein prunkvolles, hell erleuchtetes Gemach ein. Auf einer Ottomane lag halb ausgestreckt der Bischof von Grénoble, der Besitzer des Hauses, in einem Kleid von violettem Taft. »Gnädiger Herr,« sprach die Dubois und führte ihm Justine vor, »hier ist das junge[406] Mädchen, das sie begehrten, das junge Mädchen, von dem ganz Grénoble sprach, mit einem Wort die berühmte Justine, die mit der Falschmünzerbande gehenkt werden sollte und wegen ihrer Unschuld, ihrer Tugend freigesprochen wurde. Wenn sie gehenkt werden soll,« sprach er zu mir, »so zahle ich tausend Louis dafür, wenn ich mich vorher an ihr befriedigen kann.« – »Sie ist gerettet, hat sie nun weniger Wert?« – »Viel weniger,« sprach der Prälat und rieb sein Glied unter dem Hemd. »Der Hauptgenuß bestand darin, daß sie nachher gehenkt werden soll.« – »Ich habe mein Möglichstes dazu beigetragen, aber dieser verfluchte S. mit seiner altväterischen Gerechtigkeit hat alle meine Pläne zerstört.« – »Was liegt daran, jetzt ist sie hier und jetzt sind Sie Herr über sie.« – »Ja! Das ist nicht dasselbe. Es ist so wonnevoll, sich des Schwertes des Gesetzes zu bedienen, um derartige Schurkinnen zu opfern. Aber sie ist hübsch, deine Justine.« Dann wandte er sich an sie selbst. »Wie alt sind Sie, mein Kind?« – »Sechsundzwanzig Jahre, gnädiger Herr, und ich bin sehr unglücklich.« – »Du bist unglücklich, wie mein Engel, dem wollen wir ein Ende machen. In vierundzwanzig Stunden sollst du nicht mehr unglücklich sein, nicht wahr, Dubois?« Und aus dem unheilverkündenden Gelächter entnahm Justine, daß sie sich nochmals bei einem Wüstling befand, dem es grausame Freude bereitete, anderen Schmerzen zu erzeugen. In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, die Dubois ging hinaus und brachte ein junges Mädchen aus Lyon herein, das wir nun beschreiben werden.

Eulalia war kaum sechzehn Jahre alt und besaß das Gesicht einer Jungfrau. Bleich, mit großen, schwarzen Augen, wohlgeblidetem Busen, war sie ein Meisterwerk der Natur. Ihr Hinterer war der schönste, den man sehen konnte. Ihr Vorderteil war durch einen leichten Flaum beschattet.

»Oh, gnädiger Herr,« rief das schöne Mädchen aus, als sie ihren Verfolger erkannte, »so haben Sie mich also getäuscht! Sie versicherten mir, ich soll in den Besitz aller meiner Güter gelangen und nun führen mich Verbrecher in dieses Haus, damit ich hier entehrt werde.« – »Hm, ja, das ist schauderhaft, nicht wahr, mein Engel,« und bei diesen Worten zog der Verräter Eulalia fest an sich, und in diesem Augenblick konnte Justine die furchtbaren Folgen der Geilheit dieses Mannes bemerken. Sein Glied wuchs derart, daß unsere Waise es mit beiden Händen nicht mehr umfassen konnte. Die beiden Opfer mit der Dubois und dem Bischof gingen nun in ein Nebengemach, um sich dort zu entkleiden; beim Eintreten gewahrten sie einen dicken, fünfundvierzigjährigen Abbé mit aufgeschwollenem Aeußern. Er lag auf einem Kanapee und las die »Philosophie im Boudoir«. – »Sieh,« sprach der Bischof, »welche schöne Opfer heute abend die Dubois gebracht hat, sieh diese erhabenen Arschbacken, Abbé!«

Justine und Eulalia mußten ihre Hintern vom Abbé prüfen lassen, der sie betastete und dabei nachlässig sagte: »Ja, sie sind[407] nicht einmal so schlecht, sie sind wohl der Mühe wert, ausgepeitscht zu werden.«

Nun wurde Eulalia kniend auf das Schaffott gebunden, der scheußliche Bischof fing an, ihr Gesicht zu peitschen, zu ohrfeigen, ihr auf die Nase zu spucken, daß ihr Gesicht schließlich so aussah, wie wenn ein Bienenschwarm sie gestochen hätte. Damit nicht genug, begannen sie, auf ihren regungslosen Körper Kot zu entleeren, bis ihr Kopf fast unter der angehäuften Masse verschwand. »Vorwärts,« fuhr er darauf fort, »beichten Sie, kleines Mädchen, und bereiten Sie sich auf den Tod vor!« Die Unglückliche näherte sich dem Abbé, der mit einem Kruzifix in der Hand aufmerksam die unschuldigen Geständnisse anhörte, während die Dubois ihn kitzeln mußte. »Oh, ehrwürdiger Vater,« beendigte das arme Mädchen ihre Beichte, »Sie sehn, wie rein mein Gewissen ist, ich habe nicht den Tod verdient.« Allein diese Worte, so rührend sie anzuhören waren so sehr entflammten sie unseren Bischof. Der Beichtvater trug Eulalia auf das schreckliche Schaffott, langsam, um die Todesangst zu verlängern, senkte sich das Beil und unter Blutbächen fiel der Kopf hinten in den bereitstehenden Kübel.

Oh, Gipfel der Grausamkeit und des Schreckens, der blutdürstige Bischof fuhr fort, sich an dem leblosen Körper aufzuregen und bearbeitete den blutenden Körper von hinten. »Vorwärts,« sprach er, »weil wir jetzt gerade dabei sind, möge Justine daran kommen« – »Oh, gnädiger Herr,« unterbrach ihn hier die Dubois, »diese Todesqual ist für sie zu mild; wissen Sie keine furchtbarere?« – »Beruhigen Sie sich. Dubois, Sie werden zufrieden sein.« Nun fuhr der Prälat fort: »Dann müssen Sie jene teuflische Maschine aufstellen, Abbé, die brennt, schneidet und gleichzeitig die Knochen zerbricht. Wir bedienten uns ihrer vor acht Tagen, als wir jenes wunderschöne Mädchen hatten.« – »Ich weiß, was Euer Ehrwürden meint,« »antwortete der Abbé,« »aber die Vorbereitungen dazu dauern etwas lange.« – »Nun denn, dann werden wir währenddessen zu Abend speisen. Ist es dir recht so, Dubois?« – »Gewiß, gnädiger Herr.« Und während der Abbé die neuen Folterinstrumente vorbereitete, ging man in den Speisesaal. Welche Schwelgereien folgten nun, aber hätte sich Justine darüber beklagen sollen, da ihr dadurch das Leben gerettet wurde? Vom Wein und den Speisen zu Tode ermattet, fielen der Bischof und die Dubois nach dem Essen nieder; kaum sah unsere Heldin diese Gelegenheit, als sie hastig den Mantel und den Rock ergriff, den die Dubois eben abgelegt hatte, eine Kerze in die Hand nahm und rasch die Stiege hinuntereilte. Das Haus war von Dienerschaft entblößt, nichts stellte sich ihr entgegen, und nach einigen Schritten befand sie sich in Freiheit. Den ersten Weg, der sich ihr darbot, schlug sie ein, der glücklicherweise nach Grénoble führte. In der Herberge schlief man noch. Justine trat leise ein und suchte hastig das Zimmer Valbois[408] auf. Er erwachte, konnte aber die Eintretende nicht erkennen. »Was wünschen Sie, was bedeutet das?« – »Ach, mein Herr,« und die zitternde Justine erzählte ihre Erlebnisse. »Sie können die Dubois verhaften lassen,« fuhr sie fort, »das Ungeheuer ist nur einige Meilen von hier. Ich will Ihnen den Weg weisen.« – »Oh, Justine, sie sind sicherlich das unglücklichste Mädchen, das es auf der Welt gibt, aber bleiben Sie weiter so tugendhaft, Sie sehen ja, daß die Hand des Himmels Sie immer errettet. Wir wollen die Dubois nicht weiter verfolgen, sondern lieber das Unrecht, das sie Ihnen zugefügt hat, gutmachen.« Eine Stunde nachher kam eine Schneiderin, um Justine zwei neue Kleider zu machen, und eine Wäschehändlerin brachte ihr Hemden. »Sie müssen aufbrechen,« sprach nun Valbois zu ihr, »die Bertrand rechnet darauf.« – »Oh, tugendhafter junger Mann,« rief Justine aus und fiel Valbois zu Füßen, »möge der Himmel Ihnen eines Tages lohnen, was Sie an mir getan!«

So verließ Justine Grénoble, und wenn sie dort auch nicht das Glück gefunden hatte, das sie erhoffte, so hatte sie doch dort mehr Leute als je gefunden, die sich ihrer annahmen.

Kapitel XX.

Justine und ihre Beschützerin reisten in einem kleinen Karren, der von einem Pferd gezogen wurde. Im Hintergrunde des Wagens lagen die Waren der Madame Bertrand und auch ihre kleine fünfzehn Monate alte Tochter war dort untergebracht, für die Justine herzliche Zuneigung gefaßt hatte.

Die Bertrand war eine ziemlich unangenehme Frau. Argwöhnisch, geschwätzig, langweilig und beschränkt. Bis Lyon ging alles gut. Aber während der drei Tage, während welcher die Bertrand ihre Geschäfte erledigen mußte, hatte Justine eine Begegnung, die ihr unerwartet kam. Sie spazierte nachmittags auf dem Rhonequai mit einem Mädchen aus der Herberge als sie plötzlich den ehrwürdigen Vater Antonin de Sanct-Marie Debois begegnete, der nunmehr Prior seines Ordens war. Der Mönch trat an sie heran, und nachdem er ihr leise Vorwürfe wegen ihrer Flucht gemacht hatte, forderte er sie auf, in seine Wohnung mitzukommen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollte, angezeigt zu werden. Dann wandte er sich an die Begleiterin Justinens und sprach: »Kommen Sie auch mit, wir wollen Euch Beide gut bezahlen. Wir sind unser Zehn und wir versprechen Euch jeder einen Louis, wenn Ihr Euch unseren Launen unterwerft.« Wie man sich leicht denken kann, wies Justine diese Vorschläge zurück. Schließlich, da der Mönch sah, daß nichts- weiter nütze, erbat er sich blos noch die Adresse, und um sich seiner zu entledigen, gab ihm Justine eine falsche. Er schrieb sie in sein Notizbuch auf und empfahl sich mit der Versicherung, man werde bald von ihm hören.[409]

Justine erklärte beim Heimwege, so gut sie es konnte, die Geschichte dieser unglücklichen Begegnung. Aber möglicherweise war die Magd ärgerlich darüber, durch zu große Tugendhaftigkeit eines großen Gewinnes beraubt zu sein, kurz, sie schwatzte der Bertrand alles aus. Der Mönch wurde nicht mehr gesehen und man brach auf.

Die erste Nacht verbrachten unsere beiden Reisenden in Villefranche. Sie langten gegen sechs Uhr abends an und legten sich sofort schlafen, weil sie für den nächsten Tag eine größere Reise vorhatten. Es waren noch keine zwei Stunden vergangen, als sie plötzlich durch einen furchtbaren Rauch aufgeweckt wurden. Rasch sprangen sie auf und – gerechter Gott! Von allen Seiten hörten sie Mauern einstürzen, Gläser klirren und Menschen heulen. Inmitten der Flammen wußten sie keinen anderen Ausweg, als zu flüchten; allein bald erinnerte sich Justine, daß ihre Beschützerin vergessen hatte, ihr Kind zu retten. Rasch eilte sie in das Zimmer zurück, ergriff das kleine Mädchen, eilte über schwankende, glimmende Balken zurück, nachdem sie ihre kostbare Last herabgleiten hatte lassen. Von allen Seiten bedrohten sie die Flammen und sie wäre umgekommen, wenn ihr nicht eine Frau zu Hilfe geeilt wäre, die sie auf den Armen hinaustrug und in einen Postwagen warf; auch ihre Retterin setzte sich hinein. Ihre Retterin, großer Gott, diese war die Dubois. »Verbrecherin,« sprach die Megäre zu ihr und drückte ihr einen Pistolenlauf an die Schläfe, »ah, Hure, ich halte dich, diesmal wirst du mir nicht entgehen, Bestie!« – »Oh, Madame, Sie hier?« rief Justine aus, – »Alles, was hier geschah, war mein Werk,« erwiderte die Dubois, »durch eine Feuersbrunst habe ich dir dein Leben gerettet, durch eine Feuersbrunst wirst du es verlieren! Ah, ich hätte dich bis in die Hölle verfolgt, um dich wieder zu erlangen. Ich wollte dich den Feuertod sterben lassen oder dich besitzen. Nun habe ich dich und bringe dich in ein Haus zurück, das du in Unruhe und Verwirrung versetzt hast. Der ehrwürdige Bischof hat geschworen, daß es für ihn keine Qualen gebe, die groß genug wären, um dich zu bestrafen. Nun, Justine, wie denkst du jetzt über die Tugend? Wäre es nicht tausendmal besser gewesen, alle Kinder des Weltalls verbrennen zu lassen, als sich dem auszusetzen, was dir nun geschah, weil du eines retten wolltest?« – »Oh, Madame, was ich tat, ich würde es noch immer tun.« – »Oh, Justine, es ist noch Zeit, du kannst noch bereuen. Willst du meine Gehilfin werden? Bist du noch nicht genug für deine Tugend bestraft worden? Nochmals, Justine, willst du meine Gehilfin werden? Wir können einen herrlichen Streich zusammen ausführen. Der Prälat, zu dem wir fahren, wird nur von einem Diener beschützt. Der Mann, der vor unserem Wagen vorausläuft, du und ich, Justine, wir sind dann drei gegen einen. In dem Hause ist mehr als eine Million versteckt, ich weiß es. Wähle nun zwischen dem Tod und diesem Verdienst.« – »Nein, Madame,[410] hoffen Sie nichts.« – »Nun denn, dann wirst du sterben. Ja, du wirst sterben, hoffe nicht, deinem Schicksal zu entgehen.« – »Was liegt daran, ich werde von meinen Leiden befreit sein.« Bei diesen Worten stürzte sich das grausame Tier auf unser armes Mädchen und behandelte es auf die grausamste Art.

Man befand sich gerade in der Dauphiné, als sechs Reiter mit verhängtem Zügel auf den Wagen zukamen und den Kutscher zwangen, stehen zu bleiben.

Als die Dubois bemerkte, daß es sich um Gendarmen handelte, trat sie keck auf sie zu und fragte sie, mit welchem Rechte sie eine Frau ihres Ranges gefangen genommen hätten. »Wir haben nicht die Ehre, Sie zu kennen,« sprach der Anführer, »wir wissen aber, daß Sie in Ihrem Wagen eine Unglückliche haben, die gestern eine Herberge in Villefranche in Brand gesteckt hat.« Dann wandte er sich an Justine. »Wir täuschen uns nicht, hier ist ihr Signalement; haben Sie die Güte, sie uns auszuliefern und uns mitzuteilen, wieso es kommt, daß eine so hochachtbare Frau wie Sie in Gesellschaft eines solchen Weibes getroffen wird.«

»Nichts einfacher als das,« antwortete das gewandte Weib. »Ich wohnte gleich ihr in jener Herberge in Villefranche, als ich inmitten der Verwirrung meinen Wagen bestieg, warf sich dieses Mädchen mir entgegen, indem sie mein Mitleid anflehte und mich bat, sie mit nach Lyon zu nehmen. Mehr meinem Herzen als der Vernunft gehorchend, gab ich ihren Bitten Folge. Während der Fahrt bot sie mir ihre Dienste an und unvorsichtigerweise nahm ich sie an. Das soll mir eine Lehre sein, künftighin wieder mein Mitleid mißbrauchen zu lassen. Hier ist sie, meine Herren, Gott bewahre mich davor, sie noch weiter beschützen zu wollen.« – Justine wollte sich verteidigen und die wahre Schuldige nennen, allein ihre Vorwürfe wurden nur als Verleumdungen angesehen, und die freche Dubois verteidigte sich nur mit einem verächtlichen Lächeln.

Der Anführer las ihr die Beschuldigung der Bertrand vor. Nach ihr hätte unsere Waise das Feuer angelegt, um sie zu bestehlen. Justine hätte das Kind in das Feuer geworfen, um durch den Schmerz des Verlustes jeden anderen Gedanken zu ersticken. Mit einem Wort, die Bertrand hatte nichts außeracht gelassen, um Justine ins Unglück zu stürzen. Umsonst verteidigte sie sich. Die einzige Antwort, die der Anführer gab, bestand darin, daß er ihr Ketten anlegte. »Aber, mein Herr,« wagte sie trotzdem zu sagen, »wenn ich meine Genossin in Villefranche bestohlen hätte, müßte man ja das Geld bei mir finden.« Diese Verteidigung erregte nur Gelächter. »Sie werden schon noch Komplizen gehabt haben,« sprach man zu ihr. In diesem Augenblick kam der Dubois ein teuflischer Gedanke. Sie erinnerte sich an den Körper Justinens und sprach zu dem Anführer: »Mein Herr, wenn dieses Mädchen schuldig ist, dann ist es sicher nicht ihr erstes Vergehen; untersuchen Sie sie, wenn Sie zufällig auf ihrem unglücklichen Körper[411] etwas finden.« Und der Anführer begann Justine zu entkleiden, als das arme Mädchen, sich seinen Angriffen widersetzend, ausrief: »Einen Augenblick, mein Herr, diese Untersuchung ist unnütz, Madame weiß wohl, daß ich dieses abscheuliche Zeichen habe, auch kennt sie die Ursache davon.« – »Ich hätte nicht geglaubt,« sprach die grausame Dubois, »daß meine Anregung einen derartigen Erfolg hätte, aber da mich dieses Geschöpf zu beschuldigen scheint, will ich gerne mit ihr vor den Richter treten.« – »Dieser Gang ist vollkommen unnütz, Frau Baronin, wir bitten Sie um Verzeihung, Sie so lange aufgehalten zu haben.« Unsere unglückliche Weise wurde also gebunden, auf ein Pferd gesetzt und die Dubois bestieg ihren Wagen wieder.

»Oh, Tugend,« rief Justine aus, als sie sich in dieser peinvollen Lage sah, »wie sehr wirst du von dem Verbrechen verfolgt und beleidigt.«

Bei der Ankunft in Lyon wurde Justine als Brandstifterin. Hure, Kindesmörderin und Diebin in den Kerker geworfen.

Die Dubois erzählte dem Bischof alles, was geschehen war. Dieser schickte sofort den Abbé nach Lyon mit neuen Anklagen gegen das junge Mädchen. Man beschuldigte sie, den Geistlichen bestohlen zu haben, und dieses neue Vergehen trug wesentlich dazu bei, ihren Prozeß zu beschleunigen.

Unsere interessante Abenteuerin war zu sehr an das Unglück gewöhnt, und so gab sie sich einem stummen, tränenlosen Schmerz hin. Jedoch, da es natürlich ist, daß jedes leidende Geschöpf alles mögliche versucht, um dem Abgrund zu entgehen, kam Justine plötzlich Pater Antonine ins Gedächtnis. Wie klein auch die Hilfe sein mochte, die Justine von ihm erwartete, sie konnte sich doch nicht des Wunsches erwehren, ihn zu sehen. Er erschien und tat so, als ob er Justine nicht erkenne.

Als sie mit dem Mönche allein war, warf sie sich ihm zu Füßen und rief aus: »Oh, mein Vater, ich beschwöre Sie, retten Sie mich aus der grausamen Lage, in der ich mich befinde!« Und nun erzählte sie ihm ihre unglücklichen Erlebnisse. Der Mönch hörte aufmerksam zu. »Justine,« sprach er dann, »siehst du nun endlich ein, daß es tausendmal besser ist, eine Schurkin und glücklich, statt tugendhaft und unglücklich zu sein? Die Dinge stehen so schlimm als möglich, ich will es dir nicht verheimlichen; der Schein ist gegen dich und heutzutage bedarf man blos des Scheines, um zum Tode verurteilt zu werden. Ueberdies habe ich erfahren, daß der Bischof von Grénoble heimlich gegen dich arbeite. Du bist also verloren, ein einziges Mittel kann dich retten. Ich stehe mit dem obersten Richter sehr gut. Ich werde ihm sagen, daß du meine Nichte bist, und er wird den Prozeß einstellen unter dem Vorwand, dich meiner Familie zu übergeben: ich werde dich entführen und dich in unser Kloster stecken, aus dem du aber, wie ich dir nicht verbergen will, in deinem Leben nicht wieder herauskommen wirst. Mit einem Wort, du sollst dort[412] meine Sklavin und die meiner Mitbrüder werden. Verstehst du mich? Entschließe dich also und lasse mich nicht zu lange auf die Antwort warten.« – »Sie sind ein Ungeheuer, ehrwürdiger Vater,« antwortete Justine, »da Sie die unglückliche Lage einer armen Waise so mißbrauchen. Ich werde also umkommen müssen, da ich mich derartigen Greueltaten niemals hingeben werde.« – »Wie du willst, mein Kind,« sprach der Mönch und schickte sich an, wegzugehen. »Die Tugend hat Sie ja bisher so reich belohnt, daß Sie Recht haben, sich ihr weiter zu ergeben. Adieu!« Und er öffnete die Tür. Mit einer ungestümen Bewegung warf sich Justine zu seinen Füßen. »Tiger,« rief sie unter Tränen aus, »öffne dein Herz meinem Flehen und stelle nicht Bedingungen, die schlimmer sind als der Tod!« Bei diesen Worten hatten sich die Schleier gelöst, die ihren Busen bedeckten und ihre Alabasterbrüste erweckten in dem Verbrecher unwiderstehliche Begierde. Der Schuft stürzte sich auf Justine, schürzte sie auf und da sie schreien wollte, stopfte er ihr ein Taschentuch in den Mund. »Oh, Teufel,« rief er aus, »wie gut haben sich deine Reize erhalten!« Er spreizte ihre Schenkel auseinander und fuhr hinein. Nachdem er sie eine zeitlang gequält hatte, setzte er sich der Unglücklichen auf die Brust, ohrfeigte sie mit seinem Glied und steckte es ihr schließlich in den Mund. »Ich erwürge dich, wenn du mich störst,« sprach er, »laß mich deinen Gaumen mit Samen übergießen, nur unter dieser Bedingung will ich etwas für dich tun!« Bald aber richtete sich die Begierde des Wüstlings nach einem anderen Orte. Der schöne Popo Justinens kam ihm ins Gedächtnis zurück. Schließlich flutete ein Strom von Samen. Diese Entladung war von schauderhaften Einzelheiten begleitet.

»Hören Sie,« sprach er, indem er sich loslöste »Sie wollen also nicht, daß ich Ihnen nützlich sei. Nun denn, dann verspreche ich Ihnen, Ihnen weder zu schaden noch nützlich zu sein. Denken Sie wohl nach, bevor Sie sprechen. Ich darf als Beichtvater sprechen, sobald es sich um ein Verbrechen handelt. Merken Sie also wohl auf, was ich jetzt dem Wärter sagen werde, sonst könnte ich Sie sofort verderben.« Er klopfte und der Wärter erschien. »Mein Herr,« sprach der Verräter, »das gute Mädchen täuscht sich, sie wollte jenen Pater Antonin sprechen, der in Bordeaux ist. Ich kenne sie nicht. Sie hat mich gebeten, ihr die Beichte abzunehmen, ich habe es getan und werde immer bereit sein, wenn man mein wichtiges Amt brauchen sollte.«

Justine blieb in Verzweiflung zurück und als sie nachdachte, kam ihr der Gedanke, Saint-Florent rufen zu lassen. »Es ist unmöglich,« sprach sie zu sich, »daß dieser Mensch nicht die Gelegenheit mit Freuden ergreifen würde, sein Unrecht gegen mich gut zu machen. Wird er mir seine Vorschläge wiederholen? Wird er die Hilfe, die ich von ihm verlange, mir um den Preis eines abscheulichen Dienstes gewähren? Nun denn, diesmal werde ich ja sagen; wenn ich einmal frei bin, will ich schon die Mittel[413] finden, einem so niedrigen Leben zu entgehen, wie er es von mir verlangt.«

Saint-Florent kam tatsächlich auf die Bitten Justinens. Unsere Heldin hätte an den Ehrfurchtsbezeugungen wohl sehen können, welche Rolle ihr Onkel in Lyon spielte. »Wie, Sie sind es,« sprach er, indem er einen Blick voll Verachtung auf sie warf, »ich dachte, es wäre eine anständige Frau, der ich von Herzen gern geholfen hätte; aber was soll ich mit einer dummen Gans, wie Sie es sind, machen? Wie, Sie sind beschuldigt, hunderte von scheußlichen Verbrechen begangen zu haben, und wenn man Ihnen vorschlägt. Ihr Leben auf anständige Weise zu verbringen, widersetzen Sie sich hartnäckig?« – »Oh, mein Herr,« rief Justine aus, »ich bin unschuldig!« – »Dann weiß ich wahrhaftig nicht, wer schuldig ist,« entgegnete der harte Mann; »als ich Sie das erstemal in meinem Leben sah, war es inmitten einer Diebsbande, die mich ermorden wollte. Jetzt finde ich Sie im Gefängnis wieder, beladen mit zwei oder drei neuen Verbrechen und auf Ihren Schultern ist noch das Andenken eines älteren.« – »Oh, gerechter Himmel, mein Herr,« erwiderte Justine, »haben Sie ein Recht darauf, mir jene Umstände ins Gedächtnis zu rufen, da ich Sie kennen lernte, und müssen nicht eher Sie dabei erröten! Ah, können Sie leugnen, daß Sie mir einige Dankbarkeit schulden? Oh, verschließen Sie mir nicht Ihre Seele, wenn bereits der Schleier des Todes mein flackerndes Lebenslicht beschattet! Nicht den Tod fürchte ich, sondern die Schande. Retten Sie mich davor, wie eine Verbrecherin zu sterben!« – »Niederträchtige Schuftin,« antwortete der Schurke, »unglückselige Hure, erinnerst du dich nicht, daß ich dir befohlen habe, niemals wieder in Lyon zu erscheinen?« – »Aber, mein Herr!« – »Was kümmern mich die Umstände, du bist einmal hier, das ist tausendmal mehr als nötig, um meine Wut zu erregen. Trotzdem jedoch will ich dir noch helfen. Dein Prozeß liegt ganz in den Händen des Herrn de Cardoville, eines Jugendfreundes von mir. Ich werde mit ihm sprechen, teile aber dir gleich mit, daß du nichts von ihm erlangen wirst, sobald du dich nicht erst seinen Begierden, wie auch denen seines Sohnes und seiner Tochter unterworfen haben wirst. Ich ermahne dich also zur äußersten Folgsamkeit. Was mich anbelangt, erkläre ich, daß es mich vor dir ekelt, aber wenn meine Freunde, die dich nicht kennen, mit dir zufrieden sind, wird man dich noch heute abholen kommen und du mußt dann deine Unschuld dadurch bezeugen, daß du dich jeder Laune hingibst; das ist der einzige Dienst, den ich dir leisten kann. Adieu!« – Saint-Florent empfahl noch dem Wärter, die Gefangene gut zu bewachen und sie nur Cardoville auszuliefern, wenn er sie abholen sollte.

Justine blieb in einem furchtbaren Zustand zurück. Wohl war genug Grund vorhanden, ihrem Schützer zu mißtrauen, aber konnte sie noch schwanken? War es nicht möglich, wenn es einmal[414] so weit gekommen war, ihre Richter zu rühren und zum Mitleid zu bewegen? Diese Gedanken bewegten ihren Geist, während sie sich ankleidete; endlich schlug die Stunde und der Wärter erschien. »Folgen Sie mir,« sprach der Cerberus, »und danken Sie Gott für die Gnade, daß Herr de Cardoville Sie empfängt.«

Justine ging nun mit dem Aufseher, der sie in die Hände zweier großer Neger übergab. Man warf sie in einen Wagen, ließ die Vorhänge herab und fuhr nun eine Strecke von Lyon fort, die zwei oder drei Meilen betragen mochte.

Als der Wagen anhielt, war das Einzige, was Justine im Lichte des Mondes bemerken konnte, der Hof eines einsamen Schlosses, der mit Zypressen umgeben war. Man führte unsere Heldin in einen schlecht beleuchteten Saal, in den nach einer Viertelstunde eine alte Frau und vier sechzehn- bis achtzehnjährige Knaben eintraten, die ein großes, schwarzes Tuch hielten. »Da Sie am Ende Ihres Lebens angelangt sind, ist jedes Kleidungsstück für Sie überflüssig, legen Sie sie also ab. Auch muß ich Ihnen die Behaarung Ihrer Scham abschneiden und dann Ihnen die Augen verbinden.« Nachdem sie ihren Worten gemäß gehandelt hatte, ließ die Alte Justine in das Totenlaken einwickeln und nach einem Salon bringen, in dem unsere Heldin stehend, mit den Händen nach oben, festgebunden wurde. Nachdem sie von mehreren Händen abgegriffen worden war, löste man die Binde von ihren Augen los und nun konnte sie die Leute bemerken, die sich an ihr ergötzen wollten.

Dolmus und Cardoville, zwei fünfundvierzigjährige Männer schienen die Hauptteilnehmer dieser Orgie zu sein. Eine junge, Nicette benannte achtzehnjährige Person, wurde als Tochter Cardovilles angesprochen, während Brimeton, ein starker Junge von zweiundzwanzig Jahren als Bruder Nicettes bezeichnet wurde. Auch die Tochter Dolmus' war anwesend, sie hieß Zulma, war vierundzwanzig Jahre alt und sehr hübsch. Der Bruder Zulmas war sechsundzwanzig Jahre alt, häßlich behaart wie ein Bär und hieß Volzidor. Die vier Knaben, die Justine gebracht hatten, hießen Julien, Larose, Fleur d'amour und Saint-Claire. Die beiden Neger waren ungefähr fünfundzwanzig Jahre alt.

Alle Mitglieder dieser Versammlung umgaben Justine als ihre Binde fiel. »Weiß diese Hure, daß sie hier sterben soll, Cardoville?« fragte Dolmus. »Wie könnte sie hoffen, sich noch zu retten, da zweiundvierzig Zeugen gegen sie aussagen; allein sie hat den Wunsch ausgesprochen, in einem Hurenhaus zu sterben und dazu wollen wir ihr verhelfen.« Währenddessen umgaben Väter und Söhne die Unglückliche, indem sie sie wie Fleischer betasteten. »Wir haben schon seit langem niemanden zum Tode verdammt, dessen Schuld so erwiesen wäre,« sprach Volzidor. – »Schuldig oder nicht, du wirst auf jeden Fall verbrannt und an einem kleinen Feuer geröstet werden,« fuhr Cardoville[415] fort. – »Nun,« fragte Dolmus weiter, »hat Saint-Florent nicht Recht gehabt, uns zu sagen, daß diese Hure einen schönen Hintern hat?« – »Ja, zum Teufel,« entgegnete Cardoville, »er ist nicht zu verachten; aber jetzt wollen wir uns an dieser keuschen Schönen ergötzen. Jeder von uns nehme einen Teil des Körpers auf sich, den er quält, jeder von uns soll eine Nummer wählen und in bestimmter Reihenfolge unserem Opfer den Schmerz beibringen. Da wir zwölf an der Zahl sind, wollen wir den Schlag einer Uhr nachmachen und die zwölf Stunden mit Schnelligkeit aufeinander folgen lassen.«

Cardoville bemächtigte sich der rechten Brust, während Brunetons Sohn die Umgebung auf sich nahm; die linke Seite wurde von Dolmus und seinem Sohn eingenommen. Nicette verlangte die Clitoris, Zulma die Schamlippen. Jeder Neger erhielt eine Wade. Larose und Julien einen Schenkel und Fleur d'amour und Saint-Claire nahmen die Arschbacken. Von dieser Qual ging man zu neuen über.

Man stellte sich im Kreise auf und unsere Heldin mußte der Reihe nach zu einem jeden hingehen und die ihr vorgeschriebene Handlung begehen, während ihr ein jeder eine blutende Wunde beibringen mußte.

Dolmus riß ihr das Ohr ab, Cardoville schnitt ihr in die rechte Brust. Bruneton kratzte die linke ab. Nicette steckte zweimal ein Taschenmesser in ihre rechte Arschbacke. Volzidor kitzelte ihr mit einer spitzenbesetzten Kugel das Innere der Scheide. Larose stach in eine Ader am linken Schenkel. Fleur d'amour gab ihr einen Faustschlag auf die Nase, daß das Blut floß. Julien riß ihr mit den Zähnen ein Stück ihres rechten Schenkels ab. Saint-Claire stieß ihr ein Stilet in den Bauch. Der erste Neger verwundete die Schultern, der zweite die Weichen. Nun befahl Cardoville den Negern, Justine auf eine runde Säule derart zu binden, daß sowohl ihre Hände wie ihre Füße frei seien. Man band sie, ihre vier Glieder so weit als möglich ausgespreizt, an. Nicette ergriff eine Nadel mit einem Faden daran und begann die Scheide Justinens luftdicht zuzunähen. Nachdem sie damit fertig war, machte sie sich an die Rückseite Justinens und begann hier den Altar der Sodomie auf gleiche Art zu verschließen. »So habe ich es gern,« sprach nun Cardoville, als er die Festung gut verschlossen fand, die er einnehmen wollte. Er stieß mit unglaublicher Kraft zu; endlich lösten sich die Fäden und unter höllischen Qualen Justinens fuhr das ungeheure Glied Cardovilles ein. Nun drehte man das Opfer um und dieselbe Szene wiederholte sich, bis Justine in Blut schwamm. »Nun bin ich an der Reihe,« sprach Dolmus und band Justine los. »Ich will sie nicht zunähen, aber ich will sie auf ein Bett legen, das ihr auch nicht angenehme werden soll.« Alsbald brachte einer der Neger ein diagonales Kreuz, das ganz mit Stahlspitzen bedeckt war; darauf legte man Justine, während Dolmus sie von vorne bearbeitete. Sein Mund[416] preßte sich auf den der Dulderin und schien ihre Schmerzen einatmen zu wollen.

Nun begehrte die wütende Zulma, auf dem Kreuz gefickt zu werden; nur stellte sie die Bedingung, Justine möge über ihrem Kopf aufgehängt werden, damit das herabtröpfelnde Blut über sie fließe. Die Hure legte sich auf den Rücken, man band sie fest und alle Männer bestiegen sie der Reihe nach und alle kratzten den unglücklichen Körper auf, der über ihrem Kopf hing, um immer neue Bäche von Blut hervorquellen zu lassen; schließlich wurde der leblose Körper Justinens losgebunden. »Was wollen wir mit ihr machen?« fragte Cardoville. – »Wir müssen der Gerechtigkeit ihren Lauf lassen,« antwortete Dolmus, »sie wird ja trotzdem sterben. Bringen wir sie ins Gefängnis zurück.« – Julien versuchten also, Justine ins Leben zurückzurufen, indem er ihr die Wunden auswusch. »Nehmen Sie Ihre Kleider wieder, meine Tochter,« sprach Cardoville, »der Tag ist noch nicht angebrochen und die Männer, die Sie hergebracht haben, werden Sie wieder ins Gefängnis zurückführen.« Justine wollte sich diesen Ungeheuern zu Füßen werfen, um von ihnen eine Begnadigung zu erflehen, allein nicht nur, daß man sie nicht anhörte, die Frauen schmähten sie sogar und die Männer bedrohten sie. Sie wurde gepackt und wieder ins Gefängnis gebracht. »Legen Sie sich nieder,« sprach der Cerberus, indem er sie in ihre Zelle stieß, »und wenn Sie jemals Klage darüber erheben wollen, was Ihnen heute Nacht geschehen ist, so können Sie sicher sein, daß ich alles ableugnen würde.« – »O, Himmel,« rief Justine aus, als sie allein war, »wie sollte ich Bedauern empfinden, eine Welt, in der so viele Verbrecher leben, zu verlassen!«

Am nächsten Tage besuchte der grausame Saint-Florent Justine. »Nun,« fragte er, »sind Sie mit den Freuden zufrieden, die ich Ihnen verschafft habe?« – »Oh, mein Herr, es sind Ungeheuer!« – »Ah, ich errate, Sie haben ihnen zu viel Samen gekostet, es gibt nichts Schlimmeres wie der Ekel. Also sprechen Sie, sprechen Sie, will man Ihnen das Leben retten?« – »Ich bin verloren.« – »Hören Sie, ich will Ihnen als Freund etwas sagen. Ich weiß, daß man die Absicht hat, sie lebend zu verbrennen, es handelt sich für Sie also nicht mehr darum, freizukommen, sondern nur darum, statt verbrannt gehenkt zu werden.« – »Nun, mein Herr, was soll ich dazu tun?« – »Vorerst müssen Sie sich mir hingeben.« – »Oh, mein Herr!« – »Nun, dann werden Sie eben verbrannt werden.« Und die Unglückliche ließ, um dem furchtbaren Tod zu entgehen, mit sich alles geschehen. Saint-Florent rief den Wärter heran. »Pierre,« sprach er zu ihm, »ficke dieses Lumpenweib vor meinen Augen. Welch ein Glück für einen derartig ungeschlachten Lümmel.« Er gehorchte also und sobald der Samen des Mannes geflossen war, fuhr Saint-Florent fort: »Nun ists genug, aber bilde dir nicht ein, Hure, daß ich deinetwegen den kleinsten Schritt unternehme. Ja, sei versichert,[417] daß du verbrannt werden wirst, und ich verlasse dich jetzt nur, um die Ausführung des Urteils zu beschleunigen.« Das Ungeheuer ging hinaus und ließ das arme Mädchen in einem Zustand der Niedergeschlagenheit zurück, der dem Tode ähnelte. Am folgenden Tage kam Cardoville, um mit ihr ein Verhör anzustellen. Sie schauderte über die Kaltblütigkeit, mit der dieser Schuft die Gerechtigkeit zu beleidigen wagte. Sie verteidigte sich mit der Wärme, wie es ihrem guten Recht zukam. Allein aus jeder ihrer Verteidigungsreden wußte dieser geschickte Richter neue Anklagen wieder sie zu erheben. Kühn fragte er sie, ob sie nicht einen reichen Bürger dieser Stadt namens Saint-Florent kenne, und als Justine die Frage bejahte, sprach Cardoville: »Mehr brauche ich nicht. Dieser Herr de Saint-Florent, den Sie zu kennen gestehen, hat Sie angezeigt, er hat angegeben, Sie in einer Bande von Räubern kennen gelernt zu haben, wobei Sie die Erste waren, die ihm sein Geld und seine Brieftasche stahlen. Ihre Kameraden wollten ihm das Leben schenken, Sie allein widersetzten sich dem. Trotzdem gelang es ihm, zu entfliehen. Außerdem bezeugt Herr de Saint-Florent, daß Sie, als Sie ihn vor einiger Zeit in Lyon besuchten, ihm eine Uhr und hundert Louis gestohlen hätten. Auch der Bischof von Grénoble und ein Benediktiner klagen Sie des Mordes, des Diebstahles und noch anderer Verbrechen an« Cardoville benützte den Augenblick der Ratlosigkeit Justinens und befahl dem Gerichtsschreiber, aufzuzeichnen, daß Justine ein umfassendes Geständnis all dieser Greueltaten abgelegt hätte.

Justine warf sich verzweifelt zur Erde und das Gewölbe widerhallte von ihren Schreien. »Verbrecher,« rief sie aus, »ich verlasse mich auf den gerechten Gott, der mich rächen wird! Du wirst den abscheulichen Mißbrauch deiner richterlichen Gewalt noch bereuen!« Cardoville klingelte, der Wärter erschien und führte die Angeklagte fort, während das Ungeheuer ruhig den Saal verließ und der Blitzstrahl verschlang es nicht.

Alles ging glatt von statten. Bald war Justine zum Tode verurteilt.

Justine überließ sich eben den traurigsten Gedanken, als der Wärter mit geheimnisvoller Miene auf sie zutrat. »Hören Sie,« sprach er, »Sie haben mir ein Interesse eingeflößt, und wenn Sie meinen Vorschlag annehmen, will ich Ihnen das Leben retten.« – »Oh, mein Herr, um was handelt es sich?« – »Sie sehen dort jenen dicken Mann, der gleich Ihnen nur die Hinrichtung erwartet. Er ist der Besitzer einer Brieftasche, die eine bedeutende Summe enthält.« – »Nun?« – »Nun, ich weiß, daß er sich nur mit dem Gedanken beschäftigt, wie er sein Vermögen in die Hände seiner Familie kommen lassen könnte. Rauben Sie es ihm und bringen Sie es mir, dann sind Sie frei. Vor allem aber beobachten Sie Stillschweigen und Sie dürfen niemals, ob Sie nun meinen Vorschlag annehmen oder nicht, etwas darüber laut werden[418] lassen. Entscheiden Sie sich!« – »Oh Gott,« rief Justine aus, »so ist also das Glück für mich immer nur durch ein Verbrechen erreichbar. Ja, mein Herr, ich will Ihnen folgen, Sie schlagen mir zwar ein Verbrechen vor, allein ich will es dennoch ausführen, um den Frevlern, die mich umkommen lassen wollen, ein grausameres zu ersparen.«

Der Wärter zog sich zurück und schon klang jene dumpfe Glocke, die den Verurteilten ankündigt, daß sie nicht mehr lange zu leben haben.33 Unsere Heldin beeilte sich also, an ihren Leidensgefährten heranzutreten und bald hatte sie ihm tatsächlich den Schatz geraubt. Sie eilte auf den Wärter zu, drückte ihn in dessen Hand, worauf sich bald die Pforten zur Freiheit öffneten. »Nur rasch fort,« sprach die Unglückliche zu sich selbst, als sie allein war. Die Nacht senkte sich herab und Finsternis begünstigte ihre Flucht und bald befand sie sich auf dem Wege nach Paris in der Hoffnung, dort ihre Schwester zu finden.

Es war ungefähr vier Uhr nachmittags, als sie in der Nähe von Esommes eine ungemein elegante Dame bemerkte, die mit vier Herren spazieren ging. »Abbé,« sprach diese Dame und wandte sich an einen ihrer Begleiter, »dieses Mädchen kommt mir bekannt vor. Mein Fräulein, auf ein Wort, ich bitte Sie, würden Sie mir nicht Ihren Namen sagen.« – »Oh, Madame, ich bin das unglücklichste aller Geschöpfe.« – »Aber Ihr Name?« – »Justine.« – »Justine? Wie, sollten Sie die Tochter des Bankiers N. sein?« – »Ja, Madame.« – »Freunde, es ist meine Schwester! Diese Schrammen und Narben dürfen Sie nicht täuschen, ich habe ihr ihr Schicksal vorausgesagt. Kommen Sie, mein Kind, kommen Sie auf mein Schloß mit mir. Ich bin neugierig, durch welchen Zufall ich Sie wieder getroffen habe.« – Justine schloß sich also der Gesellschaft an und als sie in Juliettens Heim äußersten Reichtum bemerkte, rief sie aus: »Wie, während ich kaum mein Leben fristen kann, genießt meine Schwester allen diesen Reichtum!« – »Du schwachherziges Mädchen, das darf Dich nicht täuschen,« erwiderte Juliette, »ich habe dir bereits alles vorausgesagt; ich bin die Bahn des Lasters gegangen und habe auf ihr nur Rosen gefunden. Du siehst aber, wohin dich deine verfluchten Vorurteile gebracht haben. Abbé,« fuhr die berühmte Schwester unserer Heldin fort, »man möge ihr anständige Kleider geben und neben uns für sie ein Gedeck auflegen. Morgen wollen wir ihre Erzählung anhören.«

Nachdem Justine erfrischt war und sich ausgeruht hatte, erzählte sie am nächsten Tage die Abenteuer, die wir eben gelesen haben. So sehr das arme Mädchen auch mitgenommen war, sie gefiel trotzdem allen Anwesenden und unsere Gesellschaft konnte sich nicht versagen, sie nach eingehender Prüfung zu loben. »Ja,« sprach einer von ihnen, der bald in der Geschichte[419] Juliettes eine Rolle spielen wird, »da sieht man wohl die Nachteile der Tugend, und hier, meine Freunde,« rief er, indem er auf Juliette wies, »hier sieht man die Vorteile des Lasters.« Der Rest des Abends wurde zur Ruhe benützt und am nächsten Tag kündigte Juliette an, daß sie ihre eigenen Abenteuer erzählen wolle, um, wie sie sagte, ihre Freunde besser beurteilen lassen zu können, wie sehr der Himmel das Verbrechen beschützt und die Tugend verfolgt. »Höre, Justine, Sie, Noirceuil und Chabert, Sie lade ich nicht ein, Dinge zu hören, die Sie bereits in allen Einzelheiten kennen; gehen Sie ein wenig aufs Land, während dieser Zeit und bei Ihrer Rückkunft werden wir uns überlegen, was wir mit diesem kleinen Mädchen anfangen werden. Aber Sie, Marquis, und Sie, mein teurer Chevalier, Sie bitte ich, mir zuzuhören, damit Sie überzeugt sind, daß Noirceuil und Chabert nicht ohne Grund behaupteten, ich sei eine der seltsamsten Frauen der Welt.«

Man ging in einen prächtigen Salon und die ganze Gesellschaft nahm auf bequemen Lehnstühlen Platz. Justine erhielt einen Stuhl und Juliette begann, auf einer Ottomane liegend, ihre Erzählung, die die Leser in den nächsten Bänden finden werden.


Ende des vierten Bandes

29

Man enthüllt die Dinge besser, wenn man sie verschweigt, schreibt Lamatrie irgendwo, man reizt die Begierden, wenn man die Neugierde aufstachelt. Das ist die Ursache, daß wir die nun folgenden Szenen nicht beschreiben.

30

Das ist kein Märchen, denn dieser Mann hat in Lyon gelebt. Er hat mehr als 20.000 Mädchen die Ehre geraubt, nachdem er sich an ihnen befriedigt hatte, schiffte man sie auf der Rhone ein und die Provinzen wurden während dreißig Jahren durch die Opfer dieses Wüstlinges bevölkert.

31

Der Löwenzahn ist das einfache Mittel, dessen sich diese Schufte bedienen, um sich zu verstellen. Sie drücken den milchigen Saft in ihr Gesicht aus, der in die Reihe der Gifte zählt.

32

Man versichert, daß dies eine List dieser Schelme sei. Sie zahlen den Pfarrer des betreffenden Ortes dafür, daß er zur Mitleidigkeit und Wohltätigkeit aneifere.

33

Dieser Brauch ist in den meisten südlichen Provinzen.

Quelle:
Marquis de Sade: Die Geschichte der Justine. [o.O.] 1906, S. 367-420.
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