V, 23.

[119] Praktinski erscheint, als Wanderer gekleidet.


PRAKTINSKI für sich.

Die Lieb' verbraucht sie wie ein flackernd Licht,

Dem vor der Zeit im Sturm die Flamme bricht.

FAUSTINE.

Wagst du's in dieser stunde mir zu nah'n,

Wo Himmelstrost mein Herz empfah'n?!

Vergeblich! Nie mehr werd' ich frei:

Ich fühl' des Teufels Tyrannei.[119]

PRAKTINSKI.

Der Zutritt steht mir immer offen.

Hast du mich satt schon? Will's nicht hoffen!

FAUSTINE.

Ich fürcht's! Du bist mein Mene Tekel;

Dies macht dich gründlich mir zu Ekel.

PRAKTINSKI.

Hier möcht' auch ich nicht mit dir thun. –

Exzentrisch ab vom Mittelpunkte schreitend

Ist deine Art. Kein Teufel führt dich leitend.

FAUSTINE.

Dich und die Menschen meidend,

Wählt' ich den Aufenthalt, um auszuruh'n

Vom Seelenschmerz, den grause Stunden brachten,

Du bist der rechte Helfer nicht!

PRAKTINSKI.

Das sagst du mir so in's Gesicht?

Hab' ich an deiner Lieb' Verschulden?

Das Gold verschmähst du, hältst am Silbergulden.

Wie wär's, wenn wir jetzt auf uns machten,

Und schritten zu dem Werk, das Hellung bringt?!

FAUSTINE.

Ich mag nicht denken mehr. Wenn dir's gelingt,

In meinem Inneren mich zu umnachten,

Derweilen wir nach Erdenlichtung trachten,

So steh' ich bei. Maschine will ich sein,

Nicht Treibekraft.

PRAKTINSKI.

Ich wieg' in Schlaf dich ein.

Des Menschen bestes Erbtheil, das uns fehlt,[120]

Die immerfort die Sorge quält. –

Kommt, Dünste! Steigt aus meiner dunkeln Heimath auf,

Und tragt sie in die Werkstatt, wo wir schaffen!


Faustine entschlummert.


Dort soll ihr Geist sich neu erraffen.

Das Liebestoben sei beendigt;

Der starre Kopf ist nun gebändigt.


Aufsteigende Dünste tragen in horizontaler Richtung beide fort.


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 119-121.
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