VI, 1.

[127] Dämmerung.

Im Hintergrunde Aussicht auf einen Garten. Praktinski's Laboratorium für elektrische Zwecke. Ein Apparat für Beleuchtungselektrizität. Telegraphen- und Telephonapparat. Arbeitsgeräthe und Säurenballons.

Es gelingt eben Praktinski, mit Hülfe der Faustine eine Bogenlampe zur Lichtwirkung zu bringen.


PRAKTINSKI mit der stumpf vor sich hinblickenden Faustine in dunkelblauen Blusen arbeitend.

Ich zügelte den Strom schon längst vor Siemens.

Doch Teufelswerk erfreut sich nie des Rühmens. –

Noch diese Stange, diesen Schieber!

Dann gehen wir zu tief'rer Arbeit über.


Es ist durch das Erglühen der Bogenlampe hell geworden.


FAUSTINE die nun mit Praktinski an einem geheimnißvollen anderen Gegenstand arbeitet, und zwar in einem großen Gefäße, das auf Feuer steht.

Ja, stellen wir den innewohnenden,

Den glänzend thronenden,

Den geist'gen Ursprung in Gestalt auch dar,

In Seele und Verkörp'rung klar!

Dies unser Kind soll kühn den Abschluß bilden!

Das Kind aus seligen Gefilden,

Das wir dem Schöpfer rauben!

Dann erst befestigt sich mein Glauben

An deine Wunderkraft und meine Unterstützung.[127]

PRAKTINSKI.

Ich such' danach. Drum war mir deine Nützung

So unentbehrlich. Du g'rad' bargst das Lumen,

Deß ich bedurfte, wie das Wachsthum Krumen.

Du wirst die stolze Mutter sein.

FAUSTINE sehr nachdenklich.

Die Mutter? Nein!

Die Glückliche werd' nie ich sein!

PRAKTINSKI.

Gewiß! Wir zeugen hier den Genius des Lichts

Dem Weltenschöpfer nach. An nichts gebricht's!

Du stellest mir die rasche Feuerseele

Und ich die Elemente, die ich sorgsam wähle.

Nun kommet die Entbindung, die Geburt beschwerlich.

Ich gratuliere! Denn die Frucht wird gut, jedoch gefährlich. –

Ha! Welche Störung in so heikelen Sekunden!


Quelle:
Schäfer, Wilhelm: Faustine, der weibliche Faust. Tragödie in sechs Aufzügen nebst einem Vorspiel und Prolog, Zürich 1898, S. 127-128.
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